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Dienstag, 12. März 2013

Begegnung mit den toros (5. Teil)

Córdoba, die Stadt der Califen
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von Colin Ernst 


Plaza de Corredora in Córdoba
Der große Tag ist gekommen. Die Nacht über hat es geregnet, aber an diesem Morgen scheint es aufzuklaren, Sonne und schwere Regenwolken bestimmen das Panorama. Wir haben in einer kleinen Pension an der historischen Plaza de Corredora übernachtet. Dort wurden früher die Stierkämpfe ausgetragen, bevor die erste plaza de toros gebaut wurde. Heute finden die corridas in dem relativ neuen coso de "Los Califas" statt.

Wir sitzen bei café con leche und churros zusammen mit Mari Paz, die mit uns zusammen dorthin fahren wird. Ihre ganze Familie ist stierkampfverrückt und so begleiten uns Oma, Enkel, und zahlreiche Neffen und Onkel. Für die festejos taurinos, welche übers Jahr eine ganze Woche dauern haben sie so genannte abonos, Dauerkarten, die für alle Stierkämpfe gelten und günstiger sind als Einzelkarten. Diesmal aber mussten auch sie Einzeltickets kaufen, da das festejo contra el cancer (zu Gunsten der Krebshilfe), ausser der Reihe stattfindet. Maris Mutter hat uns ein Foto übers I-Phone geschickt. Es ist 11:30 Uhr und Diego Venturas Pferdetransporter ist angekommen und parkt vor dem patio de caballos. Ein riesiger Luxuspferdetransporter, welcher die Pferde für das rejoneo und deren Ausrüstung transportiert. Ein großer Schriftzug "Diego Ventura" ziert den Wagen und an den Seiten, über jedem Anbindering, stehen die Namen der Pferde, welche er beim rejoneo reitet. 

Um 16 Uhr brechen wir auf, immer noch die Daumen drückend, denn die Wolken sehen bedenklich aus. Kaum haben wir den coso de los califas erreicht, fallen die ersten Tropfen, gottlob sind es nur ein paar. Wir treffen uns alle im patio de caballos, wo wir die schön herrausgebrachten Pferde von Ventura begutachten. Die Pfleger legen Hand an, in die Hufeisen werden Stollen eingeschraubt, damit die Pferde nicht auf dem feuchten Sandboden ausrutschen. Besonders auffallend, ist ein hell cremefarbenes Pferd, sowas sieht man nicht alle Tage.

Nachdem alle eingetroffen sind gehen wir zu den tendidos, um unsere Sitzplätze einzunehmen. Die plaza erscheint riesig und ist zu gut zwei Drittel gefüllt. Bevor es losgeht wird Akteuren und Zuschauern gedankt, die mit ihrem Auftritt, b.z.w. Besuch, Geld für diese gute Sache spenden. Man wird die matadores heute nicht in traje de luces zusehen bekommen, sondern in schlichter traje corto

Wir beobachten wie die mozos de espadas der cuadrillas, capas, muletas und Degentaschen durch den callejón schleppen und die capas über die Barriere hängen. Der Präsident hängt ein weißes Tuch über seinen Balkon, das Fest kann beginnen.

Die matadores, die banderilleros und die picadores mit ihren schweren Kaltblutpferden marschieren bei pasedoble Musik ein, grüßen Publikum und Präsident - die Spannung steigt.

Der rejoneador Diego Ventura
Als Erster ist Diego Ventura dran. Mit seinem schicken , cremfarbenen Albino, wartet er ganz ruhig am Rand, als der erste Stier in die Arena kommt. Unbeschreiblich, wie er die Aufmerksamkeit des Stieres auf sich lenkt, um dann in Zentimeter Entfernung, vor dem toro herzugaloppieren. Der Schweif des Pferdes dient wie eine muleta und der Stier versucht diesen zu attakieren. In gewagten Galopptraversalen, waghalsigen Galoppiroetten reitet der maestro vor dem wütenden Stier her, mehrmals stockt uns der Atem. Zuerst werden die langen banderillas gesetzt, dann die kurzen - alles in vollem Galopp! Je nach tercio, wechselt er die Pferde. Mal lässt er das Pferd auf den toro zu piaffieren, mal präsentiert er den spanischen Schritt. Wer reiten kann, weiß, das diese Übungen zur hohen Schule gehören und nicht einfach zu reiten oder zu lernen sind. Beim maestro Ventura sieht alles spielerisch aus und immer wieder präsentiert er sich dem Publikum herausfordernd - als wäre das alles gar nichts. Zum Schluß muss der rejón de muerte gesetzt werden, dieser ersetzt den Degenstoß, der schwierigste Part. Aber auch dies gelingt dem Profi an diesem Tag. Das Publikum tobt, die Arena gleicht einem Meer aus weißen Tüchern, welche die aficionados schwenken, um orejas für den waghalsigen maestro zu fordern. Auch dem Präsidenten hat es gefallen, dos orejas für Ventura und seine Klassepferde!

Enrique Ponce
Nun ist einer meiner Idole am Start, Enrique Ponce. Auf die Entfernung sieht man die Gesichter der toreros nicht, aber er hat, zumindest für mich, einen unverkennbaren Stil. Der orden, die Reihenfolge, ist gleich, wie auf dem cartel, der älteste matador zuerst, der jüngste zuletzt. Ponce agiert wie immer sehr ruhig, sehr sicher, auch wenn der heftige Wind die muleta flattern lässt. Ich genieße das Schauspiel, er führt die muleta, als halte er ein Brilliantcollier in den Händen. Er holt das Beste aus dem Stier heraus, kämpft ohne Schnörkel, klassisch. Die estocada sitzt, was will man mehr? Der Präsident ziert sich bei der Vergabe der Ohren, - nur eines für den maestro , das Publikum fordert, zu Recht, wie ich finde, ein zweites. Wir schwenken unsere weißen Tücher und rufen "otra, otra, otra" - noch eines, noch eins. Der Mann bleibt stur, was böse Komentare seitens der Fans nach sich zieht.

Finito de Córdoba
Der nächste ist "Finito de Cordoba", ein Lokalmatador, beliebt beim Publikum cordobés. Ich bin gespannt, denn ich habe ihn schon sehr schlecht gesehen.... Vor 2 Wochen hat er allerdings hervorragend gekämpft, er ist besser geworden. Auch diesmal leistet er eine gute faena, mit einem schwierigen Stier, was seine Fans mit einem Meer von weißen Tüchern, belohnen. Aber auch hier gibt es nur ein oreja und erneut Pfiffe für den Präsidenten.

El Cordobés
Nun kommt ein alter Bekannter ins ruedo, Manuel Diaz, "El Cordobés". Sein Stier lässt sich sehr bitten, ein toro manso , der ein wenig feige erscheint und nicht besonders angriffslustig ist. Aber El Cordobés, dessen Ausstrahlung die obersten Ränge erreicht, meistert dieses Problem und lässt den toro gut aussehen. Sein torero ist spektakulär und für einige von uns ist die ähnlichkeit mit Manuel Benítez "El Cordobés" unverkennbar. Die Art, das Publikum von den Sitzen zu reißen, sein strahlendes Lächeln und auch seine Stil.... Er lässt nichts aus, zeigt sein ganzes Reportroire, auch den berühmten "salto de la rana", den Froschsprung, den als erster, Manuel Benitez "El Cordobés", der fünfte Calif von Córdoba, gezeigt hat. Auch wenn mir persönlich dieser "salto de la rana" nicht sooo gefällt, führt er ihn elegant aus und am Ende fordert das Publikum sehr energisch, das zweite Ohr. Aber auch diesmal hat der Präsident kein Einsehen. Oreja y basta!

Juan José Padilla
Nun kommt mein persönlicher Höhepunkt des festejos: Juan Jose Padilla, "El ciclon de Jerez", der Mann, der nun mit einer Augenklappe in der Arena steht. Der ein Beispiel für alle toreros ist , der von seinen Fans verehrt wird und den ich über eine Woche beim Training beobachten durfte. Seinen banderillero "Mambru", wie er, aus Sanlúcar , kenne ich persönlich. Somit ist es für mich etwas ganz Besonderes, die beiden live zu sehen. Ich will filmen, fotgrafieren und sehen, jeden Moment festhalten. El Pirata - sein neuer Spitzname, wegen der schwarzen Augenklappe, zeigt eine exelente Arbeit, mit der capa und der muleta. Den Stier empfängt er auf den Knien, die capa wirbelt in elegantem Schwung über ihm her, ich habe Gänsehaut. Mambru lenkt, mit der capa, den toro sanft in die Richtungen, die der maestro vorgibt. Als einziger matador setzt er sie banderillas selbst - das ist eine seiner Spezialitäten. Der Stier ist der Beste des "lotes de Zaldueno", einer ohne Fehl und Tadel, galoppiert gut, greift ordenlich an, folgt der muleta, für mich einer, der die vuelta al rueda verdient hätte. Leider hat Padilla wenig Glück mit der estocada, was ihn bestimmt ein Ohr gekostet hat. Am Ende bekommt er ein oreja - aber die Menschenmenge steht auf den Stühlen.

David Mora
Als Letzter, der matadores de toros, bekommen wir David Mora zu sehen. Einen torero, der in den letzten Jahren eine beständige Verbesserung zeigt. Elegant und templado ist seine faena, aber der Wind nimmt zu und er hat einen toro erwischt, der nicht ehrlich ist. Ich beobachte, wie der Stier, auch wenn er dem roten Tuch folgt, immerwieder den torero sucht und ansieht.... Und dann ist es passiert, nach einigen muletazos, bien redondo, geht der Stier dirkt auf Mora los und nimmt ihn auf die Hörner! Mit meiner Filmkamera halte ich drauf, auch wenn mir die Luft weg bleibt. Der maestro wirbelt durch die Luft, landet quasi auf dem Stier und dann bald unter ihm! Einer der Ersten, die den Stier von ihm weglocken ist Padilla. Aber es ist nichts passiert, Mora steht auf und macht weiter. Die Menge brüllt - "TORERO, TORERO"! Am Ende tötet er den Stier mit einer guten estocada und bekommt auch sein oreja

Nun ist es an dem jungen novillero von Córdoba - "Largatijo", sein Können unter Beweiss zu stellen. Er kämpft, ohne das der novillo von den picadores geprüft wurde, demendsprechend munter ist sein Exemplar. Auch hier wirbelt der Wind die capa und die muleta ordenlich auf, so das es für den "Lehrling" nicht einfach ist, den Stier in den Griff zu bekommen. Aber, mit wenigen Ausnahmen, wo seine muleta an den Hörnern des novillos hängen bleibt, meistert er seine Sache gut. Natürlich sieht man nun den Unterschied, maestros, die schon jahrelang im Geschäft sind und ein Newcomer... Trotzdem, er hat gezeigt, das er auf einem guten Weg ist - was fehlt sind mehr corridas, um Erfahrung zu sammeln. Seine estocada ist nicht so gut, er braucht 3 Anläufe, aber am Ende fällt auch dieser Stier. Das Publikum fordert auch hier wenigstens ein oreja - welches der dickköpfige Präsident verweigert.

Unsere Gruppe bewegt sich zum Ausgang, und prompt geraten wir in den Abmarsch der toreros. Padilla ist eingekeilt von Fans - es erinnert an Boxkämpfe, wo die Boxer von ihren Bodyguards abgeschirmt werden müssen... Ich finde mich vor dem Wagen von David Mora wieder, aus dem Fahrerfenster werden Autogrammkarten gereicht - ich bekomme auch eins, ohne es verlangt zu haben, klasse! Venturas Pferde sind schon lange auf dem Weg nach Hause, die Kleinbusse der toreros ziehen ab und als letztes folgt der Transporter mit den Pferden der picadores.

Por la suerte, der Hut liegt richtig rum
Wir treffen uns in einer Bar, direkt gegenüber, wo auch mein Freund Jose Luis, ein bekannter Fotograf taurino auf mich wartet. Bis zwei Uhr morgens, wird das Geschehen besprochen und dank meiner Filmerei, können wir nun eindeutig sehen, wie es passieren konnte, das David Mora auf die Hörner genommen wurde. Tatsächlich hat der Stier gar nicht mehr auf die muleta geschaut, sondern gezielt den matador gesucht. So bekommt das Wort SUERTE eine Bedeutung, welches in der spanischen Sprache auch für Glück und Schicksal steht.

Morgen geht es sehr früh zurück nach Sanlúcar, wo die verschobene novillada auf uns wartet - "si el tiempo lo permite" Wenn es das Wetter zulässt!