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von Colin Ernst
Als ich meine ersten corridas sah, war mir der Name kein Begriff. Überhaupt habe ich mir erst mal eine corrida mit einem mir namentlich bekannten torero gegönnt, mit Manuel Díaz, El Cordobés. Der Name war mir von klein auf geläufig. Vom Stierkampf hatte ich keine Ahnung. Erst Jahre später habe ich die „Sache“ intensiviert und war fasziniert von der Vielfalt der Dinge, die es im mundo taurino zu entdecken gibt. Mich interessierte jede Kleinigkeit: Wer näht die traje de luces, wer sind die Leute die den Sand glätten, wer macht die schöne Musik und wer arbeitet mit den Pferden? Aber wenn ich im tendido Drei sass, schauten meine Augen nur noch auf den schönen Stier. Den torero habe ich oftmals nicht mal mit Namen gekannt. Ich wusste mehr über toros als über die toreros.
Erst als ich die Gelegenheit hatte, einem torero beim Training zu zusehen, kam es gewissermaßen zur Erleuchtung. Ein älterer Herr an meiner Seite kommentierte das toreo de salón. Ich begann zu begreifen, und die corrida mit anderen Augen zu sehen. Da ich, durch den netten älteren Herrn, einen Einblick in die „alte Schule“ des toreo bekam, begann ich zu vergleichen und mir gefiel der klassische Stil immer besser. So begann ich mir gezielt corridas auszusuchen, wo ich „klassisches“ toreo zu finden hoffte. An den maestros Ponce, José Tomás und Perera kommt man nicht vorbei. Schönes toreo mit vielen klassischen Elementen.
Morante fand keine Gnade vor meinem suchenden Blick, ich hatte einen seiner launischen Tage erwischt, wo gar nichts ging. Der Wind wedelte die capa durcheinander, der Stier stand rum und das Schauspiel war schnell vorbei. Das sollte der Zauberer aus Sevilla sein, dessen Namen sogar eingefleischte José Tomás Fans ehrfurchtsvoll aussprachen… Nein das war schlecht, grottenschlecht. Ich sah andere corridas. Der toros oder der toreros wegen, Morante war da nur eine Beigabe. Bis zu diesen einen, ersten Mal, wo mir der Atem stockte, nein ich vergaß einfach zu atmen – so was hatte noch nie gesehen, eine veronica in Perfektion, nein eine verzauberte Zeitlupe muss es gewesen sein.
Morante de la Puebla mit einer veronica (Foto: mundotoro) |
Rasch schaute ich noch einmal auf das Programm, wer war dieser Meister der capa? Morante? Ich hatte ihn schon mehrfach gesehen, war das der Gleiche? Eleganz, gepaart mit Lässigkeit und einem göttlichen Handgelenk, den Stier total dominierend, nein – in Trance versetzt hatte er den toro. Man kommt sich in solchen Momenten vor, als wenn man mit Morante, dem Stier allein in einer großen Seifenblase sitzt. Nur dieses Paar und du. Magisch. Und das unglaublichste ist, das es sogar vor dem Fernseher geschieht. Ich habe mir das Video von seiner faena in Córdoba in diesem Jahr angeschaut und den gleichen Effekt verspürt. Morante und ich in der Seifenblase, hinreißend schön, aufregend schön, einmalig in der heutigen Zeit des „modernen“ toreo. Ein morantista lebt für solche Momente. Ich kann mich nur bei maestro Morante de la Puebla bedanken, das er mir solche Momente geschenkt hat.