von Michel Leiris
__________________________________________________________________________
eingestellt von Dr. Andreas Krumbein
|
(Foto: Anya Bartels) |
„Ganz allgemein lässt sich
sagen, die Stierkampfregel verfolge einen hauptsächlichen Sinn: nicht nur
verpflichtet sie den Menschen, sich ernstlich in Gefahr zu bringen (und waffnet
ihn zugleich mit einer unentbehrlichen Technik), verpflichtet ihn also, sich
nicht auf beliebige Weise seines Gegners zu entledigen und verhindert, daß der
Kampf in ein bloßes Abschlachten ausartet; so haarspalterisch wie ein Ritual,
bietet sie einen taktischen Aspekt (das Tier so weit zu bringen, dass es den
Todesstoß empfangen kann, ohne es jedoch mehr als nötig ermüdet zu haben), aber
sie bietet auch einen ästhetischen Aspekt: im gleichen Maße wie der Mensch
‚sich profiliert’, wenn er seinen Degenstoß verabreicht, wird dieser Anspruch
in seiner Haltung liegen; im gleichen Maße, wie seine Füße unbeweglich bleiben,
während die capa sich langsam bewegt, im Ablauf einer Folge abgezirkelter und
eng miteinander verbundener Ausfälle, wird er mit dem Tier zusammen diese
blendende Komposition bilden, wo Mensch, Mantelstoff und schwer gehörnte Masse
durch ein Spiel gegenseitiger Einwirkungen miteinander vereinigt scheinen:
alles trägt dazu bei, kurz gesagt, dem Aufeinanderprall des Stieres und des toreros einen skulpturalen Charakter
aufzuprägen.“
_____________________________________________________________________
Quellennachweis:
Michel Leiris: Literatur als Stierkampf
Seite 7-22 in: Mannesalter, Band 427 der Bibliothek
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1975, ISBN 3-518-01427-7