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Donnerstag, 27. März 2014

Sanlúcar (6. Teil)

Wieder auf den Spuren der toros . . .
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von Colin Ernst

Von Sanlúcar nach Utrera


Heute steht das festejo in Utrera an, eine novillada sin picadores, welche Carmelo Garcia, der empresario von Sanlúcar, organisiert. Utrera hat er neu übernommen und es treten neben drei novilleros aus Utrera auch einer aus Sevilla, aus Huelva und Sanlúcar an. Die Jungstiere, novillos, kommen von den ganaderías Conde de la Maza und Guardiola. Am frühen Morgen treffen wir uns mit einem banderillero, der Eloy Hilario, dem novillero aus Sanlúcar begleiten wird, vor dem Coso del Pino. Eloys Vater, Miguel Ángel Hilario, will uns dort abholen. Die Wartezeit verkürzen wir uns mit regem Austausch über Morantes Auftritt in Valencia und Ruiz Miguels Auftritt in Puerto Serrano, wo dieser zwei Trophäen errang. 

Die ersten Besucher in den tendidos
Eloy und sein Vater sind pünktlich zur Stelle. Elegant sieht er aus, der angehende torero und nervös erscheint er uns auch nicht. Auf dem Weg zum Treffpunkt des Autobusses, wird gescherzt und gelacht, als ginge es zu einem Picknick und nicht zum Stierkampf. Wir werden abgesetzt, um mit den aficionados aus Sanlúcar nach Utrera zu fahren, während ein weiterer Mitstreiter Eloys, sein zweiter banderillero, seine trastos ins Auto bringt. Die cuadrilla und ihr novillero werden gut zwei Stunden vor uns an Ort und Stelle sein. An der Bushaltestelle finden sich einige alte Bekannte ein, die wir aus der plaza von Sanlúcar kennen. Auch hier hecheln wir die corrida von Valencia durch, kommentieren, warum uns der eine oder andere torero gefällt, oder eben auch nicht. Die Meinungen sind, abgesehen von Morante, sehr unterschiedlich, jeder hat so seinen Geschmack. Endlich kommt der Bus und wir fahren in Richtung Algaida um die restlichen aficionados abzuholen. Der Bus füllt sich nicht nur mit fröhlichen Menschen sondern auch mit jede Menge Gefriertaschen, in denen sich bocadillos, Käse und Manzanilla befinden. Geht es doch zum Picknick? Das Geschnatter, welches einem Deutschen etwas befremdlich vorkommen mag, amüsiert uns. Neugierig werden wir in Augenschein genommen. Ausländer kennt man als Kunden in Restaurants, aber nicht als Stierkampfbegeisterte. Dazu kommt noch, das wir allein reisende Frauen sind, für die traditionellen Sanlúceños etwas ungewöhnlich. 

Die novillos können kommen
Nach gut zwei Stunden sind wir an Ort und Stelle. Die plaza von Utrera ist ein Neubau, in unseren Augen ein hässliches Gebäude, was kaum taurino Atmosphäre ausstrahlt. Die ankommenden aficionados allerdings lassen kaum Zweifel aufkommen. Gut gekleidet, mit dem Cordobeshut auf dem Kopf, schreiten sie genauso auf die plaza zu, als wären sie in Madrid. Unsere Freunde haben uns Plätze freigehalten, damit wir mit ihnen, möglichst nah am Geschehen sein können. Überrascht stellen wir fest, das bei diesem festejo nicht in traje corto, sondern in traje de luces toreriert wird. Meine Mutter freut es, denn oft bekommt sie die wunderschöne traje nicht zu sehen. Die plaza füllt sich gut zur Hälfte, die banda de musica nimmt Platz. Kaum haben sie sich eingerichtet werden Rufe laut – Música! Alguasillios mit guten Pferden, führen den paseillo an. Überrascht stellen wir fest, das Eloy Hillario eine ähnliche traje trägt, wie Fran Rivera, der Sohn von Paquirri, bei seiner confirmación. Anthrazit und Silber. Alle anderen tragen das populäre Gold. Einige haben schon prächtige Paradecapas, andere sind eher im Stil der einfachen capas de novilleros gehalten. 

Die toreros betreten das ruedo
Nach der Zeremonie macht man sich etwas warm, mit den capas. Gespannt verfolgen wir das Geschehen und versuchen auszumachen, wer sicher, wer nervös wirkt. Nun wird der erste novillo angekündigt und das Tor geöffnet. Ich muss zweimal hinsehen, denn das Tier ist sehr klein, kleiner als bei den novilladas die man in den großen plazas sieht. Munter galoppiert das erste Exemplar der ganadería Guardiola herein und dreht zwei Runden, ohne sich an den capas der toreros zu stören. Es folgt eine lidia, die, wenig glanzvoll für den ersten novillero endet. Israel Dianez aus Utrera wirkt etwas unsicher, was sich im Resultat widerspiegelt. Kein oreja

Auch Fernándo González, ebenso aus Utrera, ist seinem kleinen Stier nicht unbedingt gewachsen. Vor allem der schlechte Gebrauch der espada, verhindert die Vergabe der ersehnten Trophäe. Emotion kommt kaum auf. Immer wieder rufen wir uns ins Gedächtnis, das hier keine Morantes oder Padillas am Werk sind, sondern Torerolehrlinge. Die Tiere sind nicht gross, aber sie greifen schön an, senken in ehrlichster Weise den Kopf in die Tücher der toreros. Im Grunde, genau das, was diese jungen toreros brauchen, um in die Sache hinein zu wachsen. 

Eloy Hilario ist nun an der Reihe und ich bemerke wie die Stimmung umschlägt. Aufgeregtes Gemurmel ist zu hören. Anscheinend kennt man ihn hier. Tatsächlich hat er hier schon zwei Mal die puerta grande geöffnet. Auch sein novillo ist nicht der Grösste, aber flink und wendig. Eloy empfängt ihn auf den Knien, die capa um sich herum über den Kopf schwingend. Die ersten „Ole’s“ sind zu hören. Beim zweiten Mal, muss er sich schnell auf die Seite retten, sonst hätte der kleine Stier ihn umgerannt. Der quite ist etwas hastig, denn das Kerlchen ist wirklich flink auf den Beinen, lässt keine Zeit für mehr künstlerische Einlagen. Zum tercio de banderillas lädt er seinen Kollegen, Pablo Aguado aus Sevilla ein, der in den letzten Wochen auch in Sanlúcar trainiert hat. Eine großzügige Geste. Denkwürdiger brindis gen Himmel, zu Ehren seines kürzlich verstorbenen Großvaters, der Sohn und Enkel Hilario immer unterstützt hat. In der muleta zeigt sich, dass der kleine novillo richtig Energie hat. Immer wieder greift er blitzschnell an, senkt aber artig den Kopf ins Tuch. Eine voltereta sorgt für ein besorgtes Luftschnappen beim Publikum. Eloy hat keine Zeit sich den Staub von der traje zu klopfen, schon greift das Tier wieder an. Es gelingen schöne muletazos en redondo, sieben, acht muletazos in schöner Folge, die mit begeisterten Olé-Rufen belohnt werden. Die aficionados auf den tendidos sind ganz dabei. Nun kommt der Moment der Wahrheit, die estocada. Ich bitte, im Geiste, die Schutzheilige der toreros, die heilige Esperanza Macarena, um Beistand. Es scheint zu helfen, denn der Degenstoss sitzt im ersten Hieb und schnell fällt der tapfere kleine Conde de la Maza um. Der Kreuzdegen kommt nicht zum Einsatz. Stolz präsentiert sich der Torerolehrling der escuela taurina aus Jerez dem Publikum, welches mit Nachdruck dos orejas fordert. Sie werden gewährt. Wir „Sanlúceños“ sind stolz und erleichtert, klopfen uns auf die Schultern. Seine Ehrenrunde gleicht denen der figuras, von überall fliegen Blumen, Hüte und andere Dinge in den Sand der Arena, welche die banderilleros aufheben, weiterreichen oder zurück werfen. 

Eloy Hilario
Nun ist die Reihe an einem weiteren novillero aus Utrera. Daniel Araujo. Er hat ein wirklich schönes Exemplar, grösser und wohlgenährt, mit ruhiger, rhythmischer Galoppade, lädt er zur Kunst ein. Daniel hat Gelegenheit ein paar schöne muletazos mit gutem Handwechsel und tiefer linker Hand anzubringen. Allerdings ist der füllige novillo bald ausser Puste. Eine gute estocada beschert dem Jungen aus Utrera zwei Trophäen, dem Jungstier, gewährt der Präsident eine vuelta al ruedo, indem er neben den beiden weissen Tüchern, auch das blaue zückt. 

Ein muletazo
Nun ist es an dem Trainingsgefährten von Eloy, Pablo Aguado (escuela taurina de Sevilla), das Ergebnis zu toppen. Er hat ein launisches Exemplar aus der Zuchtstätte Guardiola erwischt, der weit ausladende Hörner hat. Die im Training gut gelungenen veronicas, gelingen nicht und das Tier verschanzt sich an den tablas. Kaum ein muletazo gelingt so, aber dafür ist die estocada gut, was mit zwei Trophäen gewürdigt wird. 

Als letzter ist Emilio Silvera aus Huelva, an der Reihe, der auch einen schwierigen Guardiola zu meistern hat. Ich finde, dass er seine Sache recht gut macht, aber dafür ist der Abschluss schlecht, höflicher Applaus, von den, sich schnell leerenden Rängen. Müssen alle schnell zum Sonntagsessen? 

Daniel Araujo
Wir bleiben noch bis zur Preisverleihung, die erwartungsgemäss der Sohn der Stadt, Daniel Araujo aus Utrera erhält. Sein novillo, von der ganadería Conde de la Maza wird als bestes Exemplar ausgelobt. 

Wir begeben uns zum Bus, wo wir erfahren, dass es erst um siebzehn Uhr zurück geht. Im Schatten des Busses packen die ersten ihre Gefriertaschen aus. Nach einigem Zögern suchen wir eine der kleinen Bars neben der plaza auf. Hier sitzen andere Sanlúceños bei Manzanilla im Schatten, man erkennt uns wieder und fordert uns auf, sich dazu zu setzen. Neugierig werden wir befragt, wie es uns gefallen hat, woher wir kommen und ob wir Flamenco mögen. Aber sicher mögen wir Flamenco, besonders die Sevillanas mag ich. Hochgezogene Augenbrauen…, habe ich etwas Falsches gesagt? Ganz im Gegenteil! Eine Frau beginnt mit palmas, eine andere fängt an Sevillanas zu singen. Die Männer imitieren die passenden Geräusche, die wie Hufgeklapper klingen. Im Nu ist Stimmung aufgekommen, der Kreis wird größer, man beginnt Flamenco zu tanzen, im besten Sonntagszwirn, auf offener Straße. Eine Frau singt wunderschön Fandango, herzergreifend. Wir sind mit einem Bus voller Zigeuner angereist, nun leben wir ein wenig „La vida gitana“ und sind ergriffen und begeistert. Später im Bus geht es weiter. Sevillanas, die ich mitsingen kann, nur zu klatschen traue ich mich nicht. Anerkennend nickt man uns zu, sie sehen, das wir mit dem Herzen dabei sind und das ich die Lieder kenne, freut sie. Als wir in Aglaida ankommen, werden wir von allen verabschiedet wie alte Freunde und ich habe das Gefühl, das es ehrlich gemeint ist. Ein denkwürdiger Tag, den ich nicht mit dem Besuch einer corrida in Valencia tauschen würde. Stolz sind wir auch auf Eloy Hilario, der, obwohl er seit Monaten keinem novillo gegenüberstand, eine super estocada und eine gute lidia geboten hat. Das Publikum ist zufrieden nach Hause gegangen, was das Wichtigste ist. Denn so, werden sie wiederkommen, wenn er wieder eine novillada bestreitet.