Über die Gefahren beim toreo,
wenn junge Leute dem Tier gegenüberstehen
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von Torodora Gorges
(Fotos: mundotoro)
Ein torero, ob als Kind, Jugendlicher oder Erwachsener, riskiert Gesundheit und Leben bei seiner Konfrontation mit dem Stier, dessen Tod er vorbereitet. Regelmässig setzt er sein eigenes Leben aufs Spiel. Um nicht selbst Opfer der Übermacht des Stieres zu werden, muss er deren Schnelligkeit und Stärke, aber auch seine Lernfähigkeit berücksichtigen. Man weiss, dass ein toro innerhalb von kurzer Zeit die Finten Täuschungen der toreros durchschaut hat und "Bescheid weiss" - el toro sabe latín, sagt man im Fachjargon. Man hat deswegen in der corrida einen begrenzten Zeitraum von zwanzig Minuten festgelegt, innerhalb dessen sein Tod erfolgen muss, damit das Leben des toreros nicht durch sein Wissen des Stieres gefährdet wird.
Der toro ist ein guter Beobachter und lernt schnell. |
Der torero muss durch seinen Einsatz den toro verlangsamen, mässigen und schliesslich führen, dominieren. Mit Hemingways Beschreibung: "Parar los pies: die Füsse stillhalten, während der Stier angreift; templar: das Tuch langsam bewegen; mandar: das Tier mit dem Tuch beherrschen und kontrollieren". Auf welche Weise ein toro diese grundlegenden Aufgaben inszeniert, macht seine "persönliche Note" aus, auch schon in ganz jungen Jahren, wie es zum Beispiel in Videoaufzeichnungen des jugendlichen Morante de la Puebla zu sehen ist.
Parar los pies, den Stier passieren lassen ohne seine Füsse zu bewegen. |
Hier mit geschlossenen Beinen. Der matador de toros Talavante am letzten Samstag in Zaragoza |
Psychisch werden immense Abwehrleistungen von einem Menschen gefordert, der schon im Jugend- oder gar Kindesalter reale Erfahrungen mit dem Tod und mit dem Töten gemacht hat. Der Akt der Tötung des Stieres am Ende einer corrida de toros ist mit einem festlichen archaischem Opferritus vergleichbar. Das Überich des Menschen, der diesen Tod innerhalb des tradierten Reglements zelebriert, ist durch das Ritual "ent-schuldigt". Sein individuelles Gewissen fühlt sich entlastet durch das Wissen um die kollektive Zustimmung.
Momente welche die toreros fürchten. |
Wie aber wird das Töten eines Stieres von einem noch sehr jungen Menschen erlebt? Der österreichische Filmemacher Günther Schweiger befragt einen Jungen, der mit anderen Gleichaltrigen in einer escuela taurina ausgebildet wird, ob es ihm nicht Leid tue, einen Stier zu töten. Er antwortete: "Nein, er muss doch sowieso sterben". Das ist eine Form der Rationalisierung, die dem allgemeinen kindlichen Gefühl von Liebe, Ehrfurcht und Mitleid für das Tier widerspricht. Welche innere Zerrissenheit muss der Junge überwinden, um zum erforderlichen tödlichen Stoss mit dem Degen überzugehen? Kann er die Ambivalenz mit denselben Mechanismen abwehren wie ein "gestandener", erwachsener Mann?
Alumnos in einer escuela taurina, noch ohne Stiere |
Von den erfahrenen toreros wissen wir, dass sie die toros seit ihrer Kindheit lieben. In der Zärtlichkeit eines toreros gegenüber dem Stier, in der harmonisch gebundenen Bewegung, drückt sich seine libidinöse Beziehung zu ihm aus. Ich stelle mir vor, dass es während der Laufbahn eines toreros immer wieder zu psychischen Krisen kommen kann, die im Zusammenhang mit seinem inneren Dilemma gegenüber dem Tod des Stieres stehen.
Die Berührung, der Kontakt mit dem Tod. |
Die Abwehr des Konflikts kann unter bestimmten Bedingungen im Laufe der Entwicklung eines matadores zusammenbrechen.
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Quellennachweise:
Torodora Gorges, Morante de la Puebla -Torero, Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2010
Ernest Hemingway, Death in the Afternoon, Charles Scribner`s Sons, New York, 1932