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Freitag, 27. Mai 2016

54 Antworten, die BILD-Redakteure akzeptieren sollten (2)

Über die zweifelhafte wie einseitige Berichterstattung der BILD-Zeitung
wenn es um Stierkampf geht
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von Philip de Málaga


Die eigentliche Frage lautet doch eher, warum müssen sich aficionados de toros 54 Fragen von der Boulevardzeitung BILD gefallen lassen, die zum einen sich an Niveaulosigkeit kaum übertreffen lassen, und zum anderen von mehreren Leuten zusammen getragen worden sind, die sich weder im Thema der tauromaquia auskennen, noch, wie sich an einigen Fragen deuten lässt, sich entsprechend über die mundo de los toros informiert haben. Recherche scheint den Redakteuren von BILD ein Fremdwort zu sein. Zumindest wenn es um die mundo taurino geht.


SfA beantwortet die Fragen nicht um der BILD Redaktion zu gefallen, sondern aus Respekt den Lesern gegenüber.

BILD: 28. Wer verdient eigentlich Geld damit?

Gerade in diesem Jahr gab es zahlreiche Veröffentlichungen zu diesem Thema. Auch SfA hat darüber berichtet. Und einer grossen Tageszeitung wie der BILD müssten doch eigentlich diese Informationen zugänglich sein. Oder war man zu bequem seine Hausaufgaben zu machen? Von einer grossen Tageszeitung kann man ruhig mehr erwarten.

Aber ein Punkt soll am Rande erwähnt werden. Unter den kulturellen Angeboten Spaniens, generiert der Staat beim Stierkampf das grösste Einkommen. Von jedem investierten Euro in die mundo de los toros erhalten die öffentlichen Einrichtungen 2,5 Euro zurück. Von wegen der Unterstellung, mit europäischen, wie deutschen Steuergeldern würden die toros überhaupt erst ermöglicht werden. "Das espectáculo taurino ist nach dem ausländischen Kino die am meisten besuchte kulturelle Veranstaltung und wird am wenigsten subventioniert." So der bekannte Journalist Carlos Herrera

BILD: 29. Sind die Kämpfe vielleicht nur eine Touristenattraktion, mit der Geld verdient wird?

Definitiv nicht. Die Stierkämpfe finden nicht für den Tourismus, sondern trotz des Tourismus statt. Die grossen empresas welche die festejos taurinos organisieren zählen im Publikum nicht mehr als zwei bis drei Prozent Touristen. Wenn überhaupt. (Siehe: Der grosse Irrglaube: Stierkampf sei für den Tourismus)

BILD: 30. Warum werden toreros bejubelt?

Für ihre gute, mutige und künstlerische Leistung im ruedo. Genauso wie andere Künstler, Schauspieler und Sportler vom Publikum jeweils in ihrem Tätigkeitsbereich bejubelt werden. 

BILD: 31. Ist es mutig ein Lebewesen zu quälen, und zu töten.

Ja, es ist mutig sich ins ruedo zu trauen um sich einem toro zu stellen. So ein Stier beschleunigt schneller als ein Rennpferd, wiegt 400 bis 700 Kilo, auch mal mehr, und viele toreros wurden schon verletzt oder gar getötet. Besonders nach einer schweren Verletzung zeigt sich der wahre Mut eines matadores de toros. Wer jemals in der ersten Reihe einer plaza de toros gesessen hatte, und den Stier vor sich in die barrera rammen sah, weiss welche Gefahr von solch einem Tier ausgeht.

BILD: 32. Handeln sie menschlich?

Die Frage nach der Menschlichkeit, geht wohl ein wenig am Thema vorbei. Generell könnte man auch fragen, ist es menschlich Fleisch zu essen, Tiere zu halten oder zu jagen? Und gewiss richtet sich diese Frage an die moralischen Vorstellungen der Lebewesen. Tatsache ist, toreros treten häufig für wohltätige Zwecke an. Sie riskieren ihr Leben um andere Menschen, Gruppen oder Organisationen mit so genannten corridas de beneficencia zu unterstützen. Wie weit die Tierliebe in anderen Bereichen geht, gerade da scheint die Frage nach der Menschlichkeit gerechtfertigter als bei den toros. Denn Tiere sind Tiere, und deren Menschlichkeitswerdung kann nicht das Ziel der Evolution sein.

BILD: 33. Handeln sie moralisch?

Selbstverständlich. Da sich die inneren Werte vieler Menschen gefühlsmässig mit der tauromaquia identifizieren, ist die corrida de toros moralisch durchaus vertretbar. Das betrifft auch den matador selbst. Nur wenn er mit sich moralisch gesehen im Reinen steht, ist er auch in der Lage den toro zu töten, weil er es für "den richtigen Weg" hält. Mit einem inneren Zwiespalt wäre dies nicht möglich. Genauso verhält es sich mit dem Publikum. Man kann nicht sich etwas anschauen und bejubeln, wenn man es moralisch nicht mal sich selbst gegenüber vertreten kann. (Siehe auch die SfA-Reportage: Stierkampf und die Moral)

BILD: 34. Haben sie kein Mitgefühl?

Wer? Das Publikum oder die toreros? Wie auch immer, erst wenn man beginnt den toro zu verstehen, kann man mit ihm arbeiten oder die Arbeit der toreros bewerten. Gerade das Mitgefühl für den Stier ist von tragender Bedeutung. Es ist ein Lebewesen mit einem stark ausgeprägten Instinkt. Kein elektronisches Wesen, wodurch die Berechenbarkeit auszuschliessen ist. Die corrida ist kein Computerspiel, sie ist Realität. Der Stier ist ein Individuum mit einem eigenen Charakter, dessen bravura erkannt werden will. In den tendidos leidet das Publikum, wenn der matador den toro nicht artgerecht und zügig in der Lage ist zu töten. Mehr noch, es empört sich. Und zu Recht.

BILD: 35. Ist es verantwortungsvoll, sich der Gefahr auszusetzen?

Ja, vorausgesetzt man ist sich sich seiner Aufgabe bewusst, hat den Umgang gelernt, verfügt über das entsprechende Feingefühl für Stier wie für die jeweiligen Situationen und der Körper findet sich in guten Konditionen. Stierkampf ist aber keine Gaudi, welcher man sich vielleicht sogar im alkoholisierten oder ähnlich berauschtem Zustand nicht eben so mal hingeben sollte.

BILD: 36. Was sagen ihre Familien dazu?

Meistens kommen die angehenden toreros aus Familien mit einer taurinischen Tradition. Ein Bezug zu den toros hat der Nachwuchs in der Regel schon von Klein an. Für die mundo taurino ist der Umgang mit den toros etwas ganz Natürliches. Ganz normaler Alltag. Nicht jeder verfügt über den Mut ein torero zu werden, und gerade diese Erkenntnis macht den Beruf eines matadores de toros für viele so faszinierend.

BILD: 37. Wer bejubelt einen torero noch, der für immer entstellt wurde?

Wie bitte? Bei dieser Frage fehlt es eindeutig an Respekt den Menschen gegenüber. Es gibt Sportarten, wo sich Personen einer gewissen Gefahr aussetzen und auch Unfälle erleiden. Wie ist das zum Beispiel mit dem Rennsport? Stellen sie verunglückten Fahrern wie einem Niki Lauda oder den Anhängern der Formel 1 ähnliche Fragen? Die BILD-Zeitung begibt sich mit dieser Frage auf ein Niveau, welches schon ziemlich nahe an eine verachtenswerte Sichtweise kommt.

BILD: 38. Mit welchen Worten wird eine Familie getröstet, wenn ein torero stirbt?

Genauso wie bei Frage 37 erstaunt diese den Leser. Haben wir ein Problem im Umgang mit Menschen? Selbstverständlich bringt man der Familie des durch einen toro getöteten torero den selben Respekt und Beileid entgegen wie bei anderen Unglücksfällen. Der verunglückte torero ist ein Mensch, ein menschliches Wesen, der seiner Leidenschaft, dem toreo zum Opfer wurde. 

Gerade in diesen Tagen starb in Peru der novillero Rennato Motta an den Folgen einer cornada auf dem Weg in das Hospital. Aus der ganzen Welt erreichten der Familie Beileidsbekundungen und in der gesamten mundo de los toros gedachte man dem verstorbenen novillero. SfA hat darüber berichtet: Tod am Nachmittag in Peru (Teil 1), (Teil 2) und Rennato Motta, es hätte auch anders ausgehen können.

BILD: 39. Hat der Stier eine Würde?

Grundsätzlich ja, wobei es hier durchaus verschiedene Betrachtungsweisen gibt. Da wäre zunächst der politische Blickwinkel: In Deutschland sieht man die Tierwürde differenziert angesiedelt: "Die Garantie der Menschenwürde in Art 1 der Charta für Grundrechte der Europäischen Union und in Art 1 Abs 2 GG schützt allein die Würde des Menschen, nicht der Tiere. Ein Recht auf ethischen Tierschutz kann aus der Garantie der Menschenwürde nicht hergeleitet werden" (Verwaltungsgericht Frankfurt, NJW 2001, 1295, Az.: 1G 429/01 (V)). In der Schweiz dagegen spricht die Bundesverfassung von der Würde einer Kreatur.

In der Würde reflektiert sich die Erkenntnis des Seins, der Wert des Individuums und seine zukommende Bedeutung. Gemeint ist damit auch die Stellung innerhalb der Seinen. Somit verfügt der toro bravo sehr wohl über eine Würde. Seine Existenz, sein "Sein", beruht unter anderem darauf, speziell für die corridas gezüchtet zu werden. Er greift an um sich zu verteidigen, sein "Sein" zu beschützen. Dafür wurde er geboren. Und es ist nicht erlaubt ihn einfach so abzuschlachten. Auch nicht im ruedo. Ein reglamento schreibt dieses vor und eine taurinische Ethik liegt wie ein Damoklesschwert über den toreros

Aber auf der anderen Seite, ein toro ist ein Tier. Es verfügt nicht über die menschliche Intelligenz, also um die moralischen Werte zu erkennen oder gar zu interpretieren. Auch ist ihm das Ende seines Lebens unbekannt. Er kennt den Tod nicht. Wie man es auch immer sehen will, die Thematik ist nicht einfach zu erfassen. Der Zusammenhang zwischen Moral und Würde scheitert letztendlich an der Dominierung durch den Menschen. Wie schrieb Leo Tolstoi? "Wenn ein Mensch ernstlich und aufrichtig den moralischen Weg sucht, so ist es das erste, wovon er sich abwenden muss, die Fleischnahrung."Aber seien wir ehrlich, davon sind wir wirklich weit entfernt. 

BILD: 40. Macht es wirklich Spass, dabei zuzuschauen?

Zwei Antworten: 

Nein, es ist keine spassiges Vergnügen.

Und Ja, als anspruchsvoller Zeitvertreib wird es gerne in Anspruch genommen. Man geht gerne zu Stierkämpfen. Glauben BILD wirklich allen Ernstes, dass man zum Beispiel in Madrid während der feria taurina San Isidro, allein für die ersten sechs corridas fast 120.000 entradas verkauft hätte, würde es den Menschen nicht gefallen zu den toros zu gehen?

Übrigens, man geht ja auch ins Theater. Bei einem Drama hat das Publikum nichts zu lachen. Aber deswegen müssen sie sich nicht dafür rechtfertigen.

BILD:41. Welcher Moment ist daran am besten?

Da hat jeder aficionado seine eigenen Prioritäten. In einer plaza de toros gibt es während einer corrida viel zu sehen und zu beobachten. Für viele ist der beste Moment die natural mit der muleta, für andere die klassische Ausführung einer verónica, die Vielfalt mit den engaños oder der momento de verdad, der Todesstoss.

BILD: 42. Warum wiegt das Leid eines Tieres weniger als die Unterhaltung von ein paar hundert Zuschauern?

Wiegt der Genuss eines Menschen wenn er ein kleines Tier verspeist mehr als das Leid des Tieres welches es bei der Zucht ertragen muss? Ein toro bravo muss während seines Lebens nicht leiden. Den grössten Stressfaktor hat er, so konnte man an der Universität Complutense in Madrid nachweisen, beim Transport. Aber bis zu diesem Moment führt er ein herrliches Leben in Freiheit, über mehrere Jahre hinweg, wo er voll und ganz seinen Instinkten folgen kann. Ein toro lebt durchschnittlich zwei Millionen Minuten (1,6 bis 2,7 Millionen). Die zwanzig Minuten in der plaza de toros machen lediglich 0,001 Prozent und weniger seines Lebens aus. Und in diesen zwanzig Minuten leidet er weniger, als beim Transport. Weniger als fast alles Fleisch was wir verspeisen.

BILD: 43. Was ist mit Gerechtigkeit?

Gerechtigkeit verbirgt den Zustand eines sozial geregelten Zusammenlebens, geregelt durch die jeweilige Gesetzgebung eines Landes. In Spanien ist die Existenz der tauromaquia Teil der staatlichen Verfassung. Es ist somit ein Grundrecht eines jeden, an Stierkämpfen als torero oder Zuschauer teilzunehmen. Mehr noch, in Spanien und Frankreich ist die tauromaquia als Kulturerbe deklariert. Sie ist somit von den staatlichen Einrichtungen zu schützen und zu fördern.

In Bezug auf den Stier, dieser wird gezüchtet um zu sterben. Die Gerechtigkeit findet sich in seiner Lebensform wieder. Auch hier unterliegen die Züchter starken Normen und Kontrollen, welche durch den Staat vorgegeben sind. 

BILD: 44. Hat der Stier eine faire Überlebenschance?

Mehr als jedes Tier, welches für die Fleischnahrung gezüchtet wird. Denn im Gegenteil zu denen, hat der toro immerhin eine Chance auf eine Begnadigung. Es liegt wohl kein Fall vor, dass die Tiere schon mal im Schlachthof begnadigt worden sind. Aber es sei festgestellt, der Stier wird in erster Linie gezüchtet um in einer plaza de toros zu sterben.

Und nebenbei gefragt, nehmen wir an, die toros werden nicht getötet. Können also danach weiterleben. Wer soll dann eigentlich für die Kosten aufkommen? Haben Sie eine Ahnung, was man zum Beispiel in der Tierrechtsorganisation PETA mit den toros machen würde? Man würde sie töten, weil keine finanziellen Mittel zur Verfügung ständen.

BILD: 45. Sind die Zuschauer Sadisten?

Nein. 



BILD: 46. Warum?

Die Bildredaktion benötigt wohl zwei Fragen um eine Antwort zu bekommen.



BILD: 47. Warum nicht?

Lassen wir hier den spanischen Schriftsteller und bekannten wie überzeugten antitaurino Rafael Sánchez Ferlosio sprechen: "Man sollte festhalten, dass sich bei aller Grausamkeit der corrida im ruedo, man sich auf keiner Weise am Leiden des toros erfreue." (Leserbrief EL PAÌS, 25.6.1985)

Ansonsten wurde diese Thematik schon in den ersten Fragen beantwortet.

BILD: 48. Haben die Stiere Recht auf Rache?

Wie soll sich denn ein getöteter Stier rächen können?



BILD: 49. Hat man das Recht, Tierquälerei zu befürworten?

Nein.



BILD: 50. Hat man die Pflicht, fühlende Lebewesen zu schützen?

Ja. 



BILD: 51. Sind toreros tapfer?

Mit Sicherheit. Um in das ruedo sich zu trauen benötigt man eine bestimmende Furchtlosigkeit. Man muss über eine gewisse Selbstbeherrschung verfügen, bereit sein der Gefahr entgegenzutreten und versuchen mit verwegenen, wagemutigen wie couragierten Manövern dem Publikum ein grandioses Schauspiel zu bieten. Ein Schauspiel, welches dem torero liegen muss, denn erst wenn er sich selber gefällt, ist er auch in der Lage die Emotionen, den duende in die tendidos zu transportieren.

BILD: 52. Warum?

Sich in ein ruedo zu begeben, wo ein 500 Kilo schwerer toro schneller als ein Rennpferd beschleunigt, dazu gehört Mut. Mehr noch, wenn man dort stehen bleiben muss, lediglich ein rotes Tuch in der Hand um den Stier in andere Bahnen zu lenken.  Wenn man sich dem Stier nähern muss, weil er nicht angreift und eher spontan reagiert. 

Auch antitaurinos kennen die Gefahr die von den toros ausgehen. Schon öfters sprangen sie in das ruedo um die corrida zu stören. Aber immer erst dann, wenn der toro schon tot war oder bevor er durch das toril das ruedo betrat. Sie wissen schon warum.

BILD: 53. Sind Stiere tapfer?

Es gibt solche und solche Stiere. Je mutiger, umso mehr bravura ein toro zeigt, um so grösser seine Chance begnadigt zu werden. Ein indulto ist nicht nur der Weg in die Freiheit für den Stier sondern auch das höchste Erlebnis der Gefühle für einen aficionado de toros.

BILD: 54. Haben sie eine Wahl?

Nein, sollen sie auch nicht. Und nebenbei gefragt, haben andere Tiere in Zucht und Haltung eine Wahl?