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Sonntag, 28. Februar 2016

Ein Gebet für den Torero

Das Toreros beten ist bekannt, der Inhalt in der Regel geheim
Aber auch beim Stierkampf finden sich Standardtexte und Musik
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von Philip de Málaga



Viele plaza de toros verfügen über eine kleine Kapelle, wo sich die toreros vor ihrem Auftritt im ruedo zurückziehen, um ein wenig innezukehren und um zu beten.


Was die maestros und ihre cuadrilla hinter den meist verschlossenen Türen beten ist unbekannt.  Sollte es auch sein. Man kann sich nur vorstellen, mit welchen Gedanken sich die Akteure gerade beschäftigen. Zum einen versuchen sie mit Sicherheit die aufkommende Angst zu beruhigen, beten für einen guten Ausgang des festejos taurinos, und vor allem dass ruedo ohne cornada verlassen zu können. Man betet für ein gut gestimmtes Publikum, für toros, welche für eine gute lidia taugen und schliesslich für einen gnädigen presidente. Ob sie auch für sich beten? Das sie eine gute Figur machen? Sich nah am Tier bewegen können? Die quite, die verónica oder eine neue suerte bestens gelingen werden? Das der momento de verdad sich nicht zum Alptraum von tres avisos entwickeln werde? Zu bitten gäbe es viel. 

Aber es wäre sicherlich ein besonderer Vorteil sich in diesen besinnlichen Minuten eine gewisse innere Ruhe anzueignen um gelassen beim paseillo ins ruedo zu treten, und schon ist der ganze Stress vergessen und man kann sich voll und ganz auf das toreo konzentrieren.

Aber wie auch in einer normalen Kirche, für den normalen Gläubigen gibt es auch hier Standardgebete. Wie das Vater Unser, welchen einige toreros als Halskette um sich tragen:

"Vater unser, der du bist in den ruedos.
geheiligt werde dein Name.
Deine quite komme zu uns.
Dein Wille geschehe mit mir, nicht der des toros,
wie im Triumph so auch in der Angst.
Gib uns unsere tägliche suerte heute.
Lass uns nicht fallen in die schlechten tarde 
und befreie uns von den Schmerzen.
Amén."

Wir sind in Spanien und hier gibt es noch jemand den man beim Anbeten nicht vergessen sollten. Die Jungfrau María. Diese findet sich aber in zahlreichen Varianten, meist gebunden an die Schutzpatronin der entsprechenden Gemeinden und findet sich oft auch als beschriftete Keramiktafel an der Wand der plaza de toros:


Der Ort des Betens ist oft aber auch nicht unbedingt auf die capilla in der plaza de toros beschränkt. Nicht selten benutzen die maestros die Ruhe in ihren Hotelzimmern, wo sie einen kleinen Altar errichtet haben, um das Gespräch mit Gott zu suchen.


Diese geistliche Vorbereitung inspirierte den 1882 in Sevilla geborenen spanischen Komponisten Joaquín Turina. Fasziniert von allem was mit dem andalusischen Temperament zu tun hat, von den Fischermädchen auf den Märkten, den Schuhputzern, die Flamencosänger und Tänzer, die Menschen im Allgemeinen wie eben auch die Helden in den ruedos. Und eines Tages erkannte er sofort, dass es hier etwas zu komponieren gäbe. Das war aber nicht in Andalusien sondern 1925 in der spanischen Hauptstadt Madrid. Joaquín Turina erklärte es wie folgt: 

"Eines tarde de toros in der plaza von Madrid, eine alte, harmonische anmutige plaza entdeckte ich mein Werk. Ich war gerade im patio de caballos.  Und dort, hinter einen kleinen Tür, war die capilla, gefüllt mit Salbung, wo die toreros hinkamen um zu beten, bevor sie draussen dem Tod entgegentraten. Und plötzlich erkannte ich in seiner ganze Fülle, diesen subjektiven, musikalischen so ausdrucksstarken Kontrast zwischen dem fernen Tumult in der plaza  dem Publikum welches dort auf die fiesta wartete im Gegensatz zu den Gesalbten vor jenem Altar, arm und voller liebenswerter Poesie, sie kamen um vor Gott für ihr Leben zu bitten, vielleicht auch für ihre Seelen und die Schmerzen, von der Hoffnung und der Illusion, und vielleicht werden sie jenes ruedo, voller Lachen, Musik und Sonne für immer verlassen."

So entstand 1926 das einsätzige Werk für einen Lautenquartett. Nachdem aber das Ensemble, dem Turina sein Werk geradezu auf den Leib geschnitten hatte, auflöste, erarbeitet er eine Version für Streicher. Das Stück selbst besteht aus einer kurzen dramatischen Einleitung, dem klassischen Paso Doble, es folgt ein sehr bewegendes lyrisches Andante, welches von einer geradezu brutalen Steigerung unterbrochen wird, was wohl auf ein dramatisches Geschehen im ruedo hinweisen soll. Dem folgt wieder ein Lento, welches der Ausdruckshöhepunkt  des gesamten Werkes darstellen soll, und was wohl auch das eigentliche Gebet widerspiegeln lässt. Noch ein wenig Paso Doble und schliesslich der Ausklang mit einem weiteren Lento.


Der Glaube und die Tauromachie haben beide etwas gemeinsam. Von beidem sollte man die Leute nicht versuchen davon zu überzeugen. Ein jeder muss und sollte diese Erfahrung selbst machen und es für sich alleine entscheiden.  Wenn toreros beten, beten sie für sich allein, stehen nicht im Herzen einer plaza de toros oder im Blickfeld der Zuschauer in den tendidos. Manchmal besuchen die maestros eine Kirche auf dem Weg zum festejo taurino, um sich für die bevorstehende corrida de toros zu sammeln, wie hier der diestro Morante de la Puebla.