Dienstag, 17. September 2013

Indulto oder nicht

Über die Rechtmässigkeit der indultos zweifeln mittlerweile auch aficionados
___________________________________________________________________






von Colin Ernst
Am Wochenende, begnadigte der matador de toros Rafaelillo OPERARIO in Murcia, vom Züchter Fuente Ymbro. (Der Vater von OPERARIO „ALMONTEÑO“ wurde 2006 von Pepin Lira begnadigt.) Auch dieser Stier wurde nur einmal vom picador geprüft. Ähnlich wie der indulto von Talavante mit dem toro TACO.

Wird ein Stier begnadigt wir der Todesstoss nur noch symbolisch, also ohne Degen ausgeführt.
El Cid wartet auf das indulto
In der letzten Woche hatte NADADOR, aus der ganadería Benjumea, das Glück, bei der Auslosung der toros an El Cid zu geraten, der mit seiner Erfahrung und seinem Können dem sehr guten Stier die Rückkehr auf heimische Weiden zu ermöglichte. Die ganadería beherbergt Stiere der Zuchtlinie Nuñez de Cuvillo, dem Vater des jetzigen Besitzers. Die ganadería gehörte  um 1919 dem matador de toros Joselito „El Gallo“ (1895 - 1920), vorher war sie Eigentum der Familie Benjumea und Doña Isabel Benjumea, die Mutter des aktuellen Besitzers kaufte das hierro im Jahr 2000. Seither residieren dort die Cuvillos.

Einen weiteren indulto gab es in Arganda del Rey bei Madrid. Der novillero José Garrido errang diesen Triumph mit einem novillo der ganadería Juan Pedro Domecq.

Wiedermal fragt sich der aficionado, ob diese Begnadigungen gerechtfertigt sind. Hier ein Auszug des reglamento taurino, welches die Normen für eine Begnadigung festlegt. In Arenen der ersten u. zweiten Kategorie, kann ein toro  oder novillo  begnadigt werden, wenn er seine Angriffslust und seine Bereitschaft zur Mitarbeit in allen Phasen der corrida ausnahmslos bewiesen hat. Der Präsident kann die Begnadigung gewähren, wenn die Mehrheit des Publikums und der torero dies fordern und der Präsident sich diesbezüglich mit dem anwesenden Züchter oder dem mayoral der ganadería besprochen hat. Vorausgesetzt, der Züchter will den Stier zur Zucht verwenden.

Hier ein Auszug aus dem reglamento taurino, in spanischer Sprache: "El comportamiento de la res y la calidad en la ejecución de la suerte de varas serán determinantes para la concesión de premios a la res y, en su caso, para la concesión del indulto." Der letzte Satz, sagt aus, was das reglamento taurino für das tercio de varas, also die Präsentation des toro am Pferd/picador verlangt. Das Tier soll sich entschlossen dem picador gestellt haben…, was ich bei einem halbherzigen, schonenden pinchazo, wie grade bei den letzten indultos sah, in Frage stelle.

Am Freitag in Villacarrillo (Jaen, Andalusien), lehnte der Züchter Victorino Martin den indulto ab, nach dem das Publikum die Begnadigung, den indulto forderte. Warum? Der ganadero selektiert seine Deckstiere bereits früh im campo, er bestimmt, welcher Stier durch seine Abstammung, Mut und Tapferkeit die Zucht verbessern kann. Selten entgeht dem geschulten Auge Victorinos eine Perle seiner Zucht. Grade sogenannte „geschlossene“ ganaderías, wie Miura, Victorino oder Prieto de Cal, können nicht jeden tapferen Stier für die Zucht gebrauchen, müssen sie doch zu starke Inzucht vermeiden. Anders sieht es bei der ganadería Juan Pedro Domecq aus. Neben den „Juan Pedros“ haben die zahlreichen Verwandten, Söhne und Neffen eigene ganaderías  die auf der gleichen Basis züchten. So kann man schon mal einen Deckstier untereinander tauschen. Oder verkaufen, denn weltweit werden toros aus dieser Blutlinie gezüchtet, oder eingekreuzt. 

Das der toro den picador angreift um seine bravura zu zeigen ist eines der Basiselemente für ein indulto
(Foto: mundotoro)
Was ich in Frage stelle, ist das Begnadigen eines toros  der sich nicht wie üblich, zwei Mal dem picador gestellt hat. Was ist denn mit der Ausdauer und Tapferkeit, wenn ein Stier das nicht durchhält? Schließlich sieht man oft genug, die unschönen Bilder eines toros, der nach zweimaliger Konfrontation mit dem picador und drei Paar banderillas nach Luft schnappt und sich kaum noch zur Mitarbeit mit der muleta aufrafft. Nun kann ihn zwar der künstlerisch veranlagte torero schön langsam zitieren und herrliche Figuren vorführen, aber von einem Stierkampf ist im Grunde keine Rede mehr. Anders mit den ganaderías  die auf Härte geprüft werden, wie eben Miuras oder Victorinos, die bis zum letzten Moment, mit geschlossenem Maul angreifen und versuchen ihrem Widersacher den Garaus zu machen. Da hat dann so mancher „Künstler“ seine liebe Mühe und Not, um ohne Verletzungen aus diesem Schauspiel hervorzugehen und Trophäen einzuheimsen. 

Ein Meister für die schwierigen Stiere, der matador de toros Enrique Ponce (Foto: mundotoro)
Zum Leidwesen vieler toristas und Züchter bevorzugen die sogenannten figuras, die Startoreros, eher die leichte Variante, die sie oft noch im tercio de varas schonen, um dann mit capa und muleta glänzen zu können. Nur wenige toreros sind heutzutage so gut, das sie einen Stier erziehen können oder schnell entscheiden können, ob sie mit dem Stier lange arbeiten können, ohne das er sich am Ende verausgabt hat. Maestros wie Enrique Ponce oder El Cid sind Profis, aber den jungen Nachwuchstoreros gelingen solche Meisterstücke selten. Das es vom Standpunkt der Züchter aus nicht grade zu empfehlen i schwächere Vatertiere zu verwenden, dürfte auf der Hand liegen. Sonst könnte man ja bald jedwede Milchrinderrasse in die Arena schicken, sofern sie denn Hörner hat. Oder man ändert die corrida gleich so, das man sich den Part des picadores und den der banderilleros spart – wobei wir wieder beim gewöhnlichen Rind wären. Ein toro bravo ist ein wildes Tier, ähnlich wie ein Tiger. Letzterer wird im Zirkus dressiert und von Privatbesitzern zahm gehalten (Krallen und Zähne gestutzt…). Aber er hat trotzdem nichts mit unserer Hauskatze zu tun… Um den toro bravo und damit die fiesta brava zu erhalten, sollten die Verantwortlichen, sowie auch die  anwesenden Zuschauer sich bewusst sein, das sie mit ihrer Petition auch eine Verantwortung tragen. Sie entscheiden mit, über Leben und Sterben, im wahrsten Sinne des Wortes.

Montag, 16. September 2013

José Tomás in Nimes

Beindruckende Fotoserie von Anya Bartels. Ein Jahr nach dem Triumph des spanischen matadores de toros José Tomás kann man im spanischen Portal mundotoro diese fantastische Fotoserie jener deutschen Starfotografin sich betrachten:






Mehr Fotos bei mundotoro.

Hier die Webseite von Anya Bartels.

Vom Blutrausch ist nichts zu sehen




von Kurt Tucholsky

"Ich kenne das, 
was in den Augen mancher 
Beschauer und Beschauerinnen liegt, wenn Schmeling dumpf 
auf Samson-Körner boxt. 
Kein Sport ist vor Missbrauch sicher. Hier ist nichts davon. 
Ich versäume 
die schönsten Kunststücke 
der Mantelleute, 
die mit dem Stier 
einen grossen Fandango tanzen: 
aber in keinem Gesicht, 
in keinem Auge, 
in keiner Miene ist auch nur der geringste Blutrausch zu sehen.
Sind diese Leute grausam?"

__________________________________________________

Quellennachweis:
Kurt Tucholsky (1927)
Stierkampf in Bayonne aus dem Pyrenäenbuch





Sonntag, 15. September 2013

Wieder ein historischer Nachmittag in Nimes



von Philip de Málaga
(Fotos: mundotoro)


Mano a mano im französischen Coliseo von Nimes: El Juli - Manzanares
Grosser Tag von Manzanares mit vier orejas und rabo
____________________________________________________________________

Ein Jahr nach dem Triumph von José Tomás gelingt es wieder einem Spanier in Frankreich Geschichte zu schreiben. Dem 31-jährigen matador de toros aus Alicante José María Manzanares gelang es das französische Publikum vollkommen zu überzeugen. 



Mit seinem ersten toro "Resalado" aus der ganadería Garcigrande gelang es dem maestro beinahe seine komplettes Repertoire vorzuführen. Der toro folgte ziemlich problemlos allen Aufforderungen des toreros und griff griff geradezu mit taurinischem Einfühlungsvermögen an. Mit den veronicas und chicuelinas verstand Manzanares durchaus zu überzeugen. Wenn ein matador in Form ist und einem guten toro bravo gegenübersteht, dann kann sich ein jeder aficionado vorstellen was er bei der faena erwarten kann. Diese Präsentation war rundum gelungen. Der toro folgte und man sah es dem maestro an, er war in seinem Element. Die naturales beeindruckten, liessen die tendidos vibrieren. Eine geradezu grandiose estocada beendete seine Vorstellung mit dos orejas.


Der zweite toro "Soprecita" (Garcigrande) war weitaus komplizierter. Folgte nicht allen Aufforderung und knickte vor allem bei zahlreichen muletazos ein. Ein intensive faena deutete an, Manzanares war zwar encima del toro, es gelangen ihm auch ein paar muletazos largos aber mit der estocada wollte es nicht so richtig funktionieren. Ovación.



Der letzte toro "Furtivo" (Garcigrande) besass alle Eigenschaften eines toro bravo und vor allem liess den temple zu. Im Zeitlupentempo gelang es Manzanares den duende in die tendidos zu übertragen. Mit der muleta verstand er es, das Geschehen zu kontrollieren, den toro zu dominieren, Geschwindigkeit, Bewegungsabläufe, Wendungen, Eleganz, alles in den Händen eines toreros. Pase de pecho - unglaublich wunderbar. Eine geradezu perfekte estocada, eine estocada recibiendo, wobei der torero nicht auf den toro zugeht sondern ihn beim Tötungsakt auffordert anzugreifen, beendete die Ekstase von Nimes: Dos orejas y rabo. Für den toro gab es eine vuelta al ruedo.



Der matador de toros El Juli erhielt jeweils ein oreja, ovación und ein orejaManzanaresdos orejasovación und dos orejas y rabo. Das Coliseo von Nimes war mit 17.000 Zuschauer fast ausverkauft.

Osuna




von Philip de Málaga


José Antonio aus Málaga zwei orejas im andalusischen Osuna
_______________________________________________________________________



Samstag, 14. September 2013

LIVE im Fernsehen (weltweit): José Antonio heute in Osuna




von Philip de Málaga


Heute wieder toros live im Fernsehen
____________________________________________________________

Heute ab 17:45 überträgt der Fernsehsender Canal SUR das grosse Finale der alumnos der andalusischen escuelas taurinas aus Osuna. Auch über Satelit hat man die Möglichkeit über Andalucía TV das festejo taurino zu verfolgen. 

Mit dabei ist der junge torero aus MálagaJosé Antonio Lavado, welchen die Leser von SfA schon aus einigen Beiträgen her kennen. Er wird als letzter novillero antreten. Das Team von SfA drückt ihm heute alle Daumen.

José Antonio Lavado aus Málaga
_____________________________________________________________________________
Siehe auch:
José Antonio Lavado, SfA TAUROTALK vom 15. Juni 2013
José Antonio: 2 orejas, SfA TAURONEWS vom 16. Juni 2013
José Antonio erobert Málaga ... ohne oreja, SfA TAURONEWS vom 19. Juni 2013

Puerta grande zum Saisonabschluss!




von Colin Ernst


In Villacarrillo feiert die Zucht von Victorino einen krönenden Abschluss
_________________________________________________________________

Eine spannende corrida lieferten die Victorinos zum Abschluss der Saison. Die toreros präsentierten sich in Villacarrillo (Murcia) auf bestem Level, was ihr toreo angeht. Rafaelillo stellte sich als erster, einem nicht unbedingt mitarbeitenden Victorino, es brauchte eine Zeit, bis der torero ihn zu nehmen wußte. Eine solide Arbeit über beide Seiten des Stieres, Medidor bescherte ihm am Ende eine Trophäe. Curro Díaz offenbarte sein ganzes Können, regelrecht kunstvoll, wusste er den zweiten toro der corrida zu dirigieren. Mit viel Stil führte er den toro durch alle Phasen der lidia. Papelero verlor nie den Faden, ein sehr guter Stier, tapfer, ausdauernd, beweglich, forderte er Höchstleistung von seinem torero. Zum Bedauern aller, war es der Abschluss, der schlecht ausgeführt, die dos orejas verhinderte, welche diese Vorstellung wert war. Das Publikum verlangte sogar den indulto für Medidor, was aber vom Züchter abgelehnt wurde, da er ihn nicht für die Zucht verwenden wollte. Am Ende ovación für den toro.

El Cid, gestärkt durch den Triumph, vom Vortag, wo er einen toro der ganadería Benjemea indultierte, machte mit dem dritten Victorino eine sehr gute Figur, besonders seine faena mit der linken Hand, war faszinierend. Sein Partner, Misería, war ein sehr gutes Exemplar dieser ganadería  welches durch seine stete Mitarbeit bestimmt auch für zwei Trophäen gut war. Leider verhinderte der schlechte Gebrauch der espada dieses. Die aficionados reagierten mit einer ovación für den Victorino.

Wieder war die Reihe an Rafaelillo, der sich, nun besser eingespielt auf diese, nicht einfachen Stiere, noch besser präsentierte. Pobrecito war ein toro der reagiert wie eine Wespe, schnell und nicht immer vorhersehbar. Diesmal war der torero mehr als „auf dem Posten“, lieferte eine ziemlich komplette faena, das Tempo des Victorinos adoptierend. Ein oreja war der Schlüssel zur puerta grande. Auch dieser Stier wurde mit ovación belohnt.

Curro Diaz wollte anscheinend nicht zurück stecken und offenbarte sein großes Herz, was für die Kunst der tauromaquia schlägt. Ein bewegendes toreo ließ das Publikum auf den tendidos den Atem anhalten. Großartige faena mit beiden Händen, den Stier gewaltlos, aber riskant, immer wieder herausfordernd. Einen Victorino zu „zähmen“ ist kein Kinderspiel. Seine Darstellung wäre, wenn da nicht der schlechte Abschluss gewesen wäre, dos orejas y rabo wert gewesen. Pasteleroovación des Publikums.


Der último de la tarde, animierte El Cid, noch einmal sein Bestes zu geben. Der Sevillaner, der wie kaum ein anderer weiß, wie man mit den toros mit dem gekrönten A der Albacerradas um zu gehen hat, torerierte mit Stil und Herz. Holte aus diesem nicht so animierten Victorino das Letzte heraus. Die aficionados erkannten seine besonders gut ausgearbeitete faena und belohnten seine Arbeit mit Bombillero mit zwei Trophäen, was ihm die puerta grande, an der Seite von Rafaelillo bescherte. Der eigentliche Gewinner aber, Curro Díaz, wird so manchem aficionado im Gedächtnis bleiben. Seine faena hat gezeigt das toros de verdad, eine faena de arte, nicht unbedingt ausschließen. 

Puerta grande für die maestros (Foto: mundotoro)
Vier orejas das Gesamtresultat, welches laut Victorino locker in zehn orejas umgewandelt werden könnte, hätten die toreros nicht ihre Probleme mit dem Abschluss gehabt. Insgesamt kann die Familie der ganadería Victorino Martín, auf eine sehr gute Saison zurückblicken. Triumphe in den ersten plazas, zahlreiche puertas grandes und orejas für die toreros  die sich den Victorinos entgegen stellten. El Cid, Ivan Fandiño, Escribano und andere triumphierten mit diesen „speziellen“ toros, die einem matador nichts schenken. Toros de verdad, stets wachsam, angriffslustig und oft gefährlich und schnell lernend,die eine corrida nie langweilig werden lassen, so manchen torero entlarven und die Besten triumphieren lassen. Ich danke diesen toros bravos und dem ganadero für eine Saison voller Emotion, Spannung, des Lernens, des Erlebens. Ich stand einem dieser toros gegenüber, nur ein paar Meter trennten uns, beim Öffnen eines Gatters des riesigen corral, nichts war zwischen uns… ich habe ihm in die Augen gesehen und er in die meinen – ein momento de verdad.

65 Millionen können nicht irren

Mehr als 65 Millionen aficionados werden einfach ignoriert
___________________________________________________________________







von Philip de Málaga


Hat es eigentlich ein Sinn mit antitaurinos zu diskutieren? Die Meinung auszutauschen? Gerade im Gästebuch von SfA kann man nachlesen wie aficionados beschimpft, beleidigt geradezu kriminalisiert werden. Als Verbrecher werden die taurinos dargestellt. Und nun wenden sich die Tierschützer an die spanische Regierung und darzustellen, dass die Mehrheit eigentlich gegen die toros ist. So kann man zum Beispiel beim Portal SOS Galgos nachlesen, dass immerhin 40 Millionen Menschen sich gegen die mundo de los toros aussprechen.


Hallo? Geht es noch? Nur 40 Millionen? Allein in Spanien gibt es laut des Meinungsforschungsinstitutes Gallup mehr als 17 Millionen aficionados. Das sind 22 Prozent mehr als 2007.  Also jeder dritte Spanier bekennt sich mittlerweile zu den toros. Das ist einfach eine Tatsache. Viele politische Parteien in Deutschland würden sich freuen solche Werte einzufahren.

In Frankreich bekennen sich laut der Zeitschrift Midi 42 Prozent zu den toros. Das wären 27 Millionen Franzosen. Verständlich. Immerhin ist die mundo de los toros in Frankreich zum Kulturgut erklärt worden. Spanien wird hoffentlich bald folgen.

Rechnen kann jeder. 17 plus 27 macht 44 allein nur in Europa. 44 Millionen! Aber es gibt ja auch noch andere Länder wo es die toros gibt: Portugal, Kolumbien, Mexiko, Peru ... Weltweit wird die Zahl der aficionados auf weit über 65 Millionen angegeben. Und jetzt kommen die antitaurinisch organisierten Vereinigungen mit geradezu lächerlichen 40 Millionen weltweit und wollen damit beeindrucken.

Und man sage, keiner geh mehr zu den Stierkämpfen. Madrid dieses Jahr.
Eine Frage stellt sich dabei. Sind wirklich alle gegen den Stierkampf? Man erinnere sich an 2007. Die schriftliche Erklärung den Stierkampf in Europa zu verbieten wurde zu 72 Prozent abgelehnt. Meine Damen und Herren Sie haben richtig gelesen! 3/4 waren gegen ein Verbot von Stierkämpfen. Viel spannender das Ergebnis unter den stimmberechtigten Tierschützern und Landwirtschaftsexperten. Nur 51 Prozent stimmten für ein Verbot. Allein diese Zahl zeigt auf, wie uneinig man sich im Lager der Tierschützer ist.

Freitag, 13. September 2013

Wie man zur Morantista wird …

Wenn man mit Morante und dem Stier allein in einer großen Seifenblase sitzt
___________________________________________________________________







von Colin Ernst

Als ich meine ersten corridas sah, war mir der Name kein Begriff. Überhaupt habe ich mir erst mal eine corrida mit einem mir namentlich bekannten torero gegönnt, mit Manuel Díaz, El Cordobés. Der Name war mir von klein auf geläufig. Vom Stierkampf hatte ich keine Ahnung. Erst Jahre später habe ich die „Sache“ intensiviert und war fasziniert von der Vielfalt der Dinge, die es im mundo taurino zu entdecken gibt. Mich interessierte jede Kleinigkeit: Wer näht die traje de luces, wer sind die Leute die den Sand glätten, wer macht die schöne Musik und wer arbeitet mit den Pferden? Aber wenn ich im tendido Drei sass, schauten meine Augen nur noch auf den schönen Stier. Den torero habe ich oftmals nicht mal mit Namen gekannt. Ich wusste mehr über toros als über die toreros

Erst als ich die Gelegenheit hatte, einem torero beim Training zu zusehen, kam es gewissermaßen zur Erleuchtung. Ein älterer Herr an meiner Seite kommentierte das toreo de salón. Ich begann zu begreifen, und die corrida mit anderen Augen zu sehen. Da ich, durch den netten älteren Herrn, einen Einblick in die „alte Schule“ des toreo bekam, begann ich zu vergleichen und mir gefiel der klassische Stil immer besser. So begann ich mir gezielt corridas auszusuchen, wo ich „klassisches“ toreo zu finden hoffte. An den maestros PonceJosé Tomás und Perera kommt man nicht vorbei. Schönes toreo  mit vielen klassischen Elementen. 

Morante fand keine Gnade vor meinem suchenden Blick, ich hatte einen seiner launischen Tage erwischt, wo gar nichts ging. Der Wind wedelte die capa durcheinander, der Stier stand rum und das Schauspiel war schnell vorbei. Das sollte der Zauberer aus Sevilla sein, dessen Namen sogar eingefleischte José Tomás Fans ehrfurchtsvoll aussprachen… Nein das war schlecht, grottenschlecht. Ich sah andere corridas. Der toros oder der toreros wegen, Morante war da nur eine Beigabe. Bis zu diesen einen, ersten Mal, wo mir der Atem stockte, nein ich vergaß einfach zu atmen – so was hatte noch nie gesehen, eine veronica in Perfektion, nein eine verzauberte Zeitlupe muss es gewesen sein. 
Morante de la Puebla mit einer veronica (Foto: mundotoro)
Rasch schaute ich noch einmal auf das Programm, wer war dieser Meister der capa? Morante? Ich hatte ihn schon mehrfach gesehen, war das der Gleiche? Eleganz, gepaart mit Lässigkeit und einem göttlichen Handgelenk, den Stier total dominierend, nein – in Trance versetzt hatte er den toro. Man kommt sich in solchen Momenten vor, als wenn man mit Morante, dem Stier allein in einer großen Seifenblase sitzt. Nur dieses Paar und du. Magisch. Und das unglaublichste ist, das es sogar vor dem Fernseher geschieht. Ich habe mir das Video von seiner faena in Córdoba in diesem Jahr angeschaut und den gleichen Effekt verspürt. Morante und ich in der Seifenblase, hinreißend schön, aufregend schön, einmalig in der heutigen Zeit des „modernen“ toreo. Ein morantista lebt für solche Momente. Ich kann mich nur bei maestro Morante de la Puebla bedanken, das er mir solche Momente geschenkt hat.

Donnerstag, 12. September 2013

Ein Brief an SfA

Lieber Philip!

Deine und Colins Beiträge über Morante de la Puebla in Ronda sind Ausdruck dessen, was Morante den Menschen, die ihn mit den toros erleben, vermittelt.

Die Schmetterlingsflügel des duende haben Euch gestreift! Ihr habt eine Sprache gefunden, die dem Stil des toreo  Morantes angemessen ist. Auch wenn Ihr selbst nicht in Ronda anwesend sein konntet, habt Ihr die Atmosphäre dort und die taurinische Poesie des maestro de la Puebla nachvollziehen können. 

Wie der Begriff "duende" zu verstehen ist, wie er jemandem verdeutlicht werden kann - darüber kann immer wieder neu reflektiert und diskutiert werden. Dir, Philip, ist es mit Deinem Aufsatz "Morante, wie lassen sich eigentlich diese Emotionen erklären?", den Du gestern eingestellt hast, gelungen, dem Leser eine Ahnung davon zu übertragen von der "Fern - Wirkung" des duende. Der duende ergreift Besitz von einer Person, die es nicht darauf angelegt hat, von ihm, dem "Geist" besessen zu werden. Man gerät in religiöse oder esoterische Dimensionen, denkt an den Heiligen Geist, besonders an dessen Rolle im Katholizismus. Sieht man den Rausch, die Ekstase, wie sie die zuschauenden Menschen in Ronda ergriffen hat, genügend Videos darüber zirkulieren - gracias a Díos - im Internet, erlebt man diese Gefühle mit. Du hast  den Mechanismus der Übertragung sehr gut beobachtet und beschrieben. So empfinden Morantistas!

Morante de la Puebla in Ronda - Verzauberung im Rund der Maestranza
Auch der "embrujo" spielt dabei eine Rolle. Embrujar als "verzaubern" oder "betören", wo gelingt das eigentlich außer in der Kunst oder in der Liebe? Und wer weiß nicht, dass Verzauberung und Betörung flüchtige Momente sind?! Deswegen "lohnt" es sich immer, Morantes toreo zu erleben. Es "zahlt sich nicht aus", nein. Aber der/die  Morantista wird belohnt mit ewigen betörenden Augenblicken, die in der Erinnerung haften. Bei seinem dritten Stier in Ronda gelang Morante eine media verónica, die eine Ewigkeit anhielt. Wiederholtes Anschauen des Videos bestätigten, dass es wirklich keine Zeitlupe war. Carlos Bueno schreibt in seinem heutigen Artikel  (burladero.com) : "La media de remate al tercero de la tarde pellizcó el alma." Das Berührtwerden der Seele!

Was an Morante so "betörend" ist und einmalig, ist sein Suchen danach, die alten Vorbilder wieder aufleben zu lassen. Du hast ja selbst einige erwähnt. Er studiert deren Umgehen mit den Stieren anhand der Fotos und der oft schon sehr ramponierten Filmaufnahmen, die zum Glück ganz gut restauriert werden konnten. Dann entzücken die geglückten Neuauflagen der alten Pases alle Morantistas. Und, dass es ihm so fantastisch gelang, vom klassischen Stuhl die kurzen banderillas zu setzen, das hat doch Morante selbst zum Staunen gebracht. Er riss mehrfach die Arme hoch - sicher vor Freude. Es hätte ja auch "schief" gehen können, ganz ungefährlich war das nicht.

Meine Freundin, die das Glück hatte, in Ronda zu sein, schrieb, dass sie vor Ergriffenheit des Nachts nicht einschlafen konnte.

Und nun ist Morante auch zum Ehrenbürger seines Heimatorts Puebla del Río ernannt worden. Aber auch das klingt auf Spanisch viel schöner: "Morante - hijo predilecto de la Puebla!"

Viele Grüsse

Torodora

__________________________________________________________

Anmerkung von SfA:
Torodora Gorges ist wohl die Morante-Expertin in Deutschland und Verfasserin der ersten deutschsprachigen Biographie über einen Stierkämpfer. Ihr Buch Morante de la Puebla - Torero, Portrait eines spanischen Künstlers (ISBN 978-3-8391-5692-6) wurde 2010 veröffentlicht.

MORANTE für ALLE

Morante de la Puebla in Ronda
________________________________________________

Der dritte toro: dos orejas


_____________________________________________

Das Setzen der banderillas beim letzten toro


_____________________________________________

Morante de la Puebla mit der capa


_____________________________________________

Mittwoch, 11. September 2013

Morante, wie lassen sich diese Emotionen eigentlich erklären?

Was ist in Ronda geschehen?
Warum sind alle ausser Rand und Band,  geradezu im Rausch einer Ekstase?
___________________________________________________________________







von Philip de Málaga

Wie schafft es ein einzelner torero, ein einzige Person, ein menschliches Wesen, das Publikum in den tendidos in einen solchen Rausch zu versetzen? Zunächst einmal sei festgestellt, gewiss nicht viele maestros beherrschen diese Kunst. Aber wenn einer dazugehört, dann ist es mit Sicherheit der matador de toros Morante de la Puebla. Der torero artista, der Boheme aus Sevilla

Schon lange nicht mehr war die corrida goyesca in Ronda so schnell ausverkauft wie in diesem Jahr. Und das bei einem torero der manchmal doch etwas launisch an die Sache ran geht. Es könnte passieren, dass absolut gar nichts geschieht. Gar nichts? Nein, eigentlich kann man das so nicht im Raum stehen lassen, denn irgend etwas ereignet sich immer, und wenn es nur ein gerade mal einziger wahrnehmbarer Augenblick ist. Ein kurzer Moment, wenige Bewegungen, einige Sekunden, die eine Sensibilität auslösen, wo den Zuschauern einfach die Luft stehen bleibt. Nicht aus Angst, sondern seine unverkrampften Bewegungen, seine Natürlichkeit, seine leichten hingebungsvollen Gesten mit den toros sind es, welche die Gefühle in die tendidos übertragen. Am liebsten würde der Zuschauer die Hände spüren, mit der die capa geführt wird und drückt dabei ähnlich wie Morante die Füsse auf den Boden ohne sie zu bewegen, oder das Vibrieren des eigenen Körpers, wenn der toro der muleta folgt. Die eigene Brust spannt sich, man hält für den Bruchteil einer Sekunde den Atem an, der Stier gleitet knapp vorbei am Körper des toreros und läuft ins Leere. Es sah so einfach, so natürlich aus, obwohl Morante mit seinem Leben gespielt hat. Und wenn dann die Olés kommen, verschafft man sich Luft, kann noch kaum begreifen was man gesehen hat und der ganze Körper erfreut sich eines Gefühles, einer Ergriffenheit, dass man dabei gewesen ist, auch wenn es nur wenige Sekunden waren.

Eine Frage scheint nicht ganz unberechtigt. Versteht, begreift Morante selbst, seine Aktivitäten im ruedo? Es war wohl 2007, als der maestro sich zurückgezogen hatte. Keiner wusste eigentlich genau warum. Und schliesslich erschien in der Presse eine Mitteilung: "Ich entschuldige mich bei allen, und ich bedaure sehr, dass ich ihnen die Gründe dafür nicht klar vermitteln kann". Ob er nun nicht wollte oder nicht konnte sei mal dahin gestellt. Das soll jetzt aber keine Anspielung darauf sein, dass Morante sich geistig gar nicht im Griff haben könnte sondern es erinnert einen an den matador de toros Juan Belmonte (1892 - 1962), der mal gesagt hat, wenn er im ruedo steht, bekommt er vom Publikum nichts mit. Er nehme die Leute nicht wahr und konzentrierte sich voll auf den toro wobei die Bewegungen nicht selten wie von alleine abliefen, eben wie in einer Trance. Ein Delirium dass sich dann auf die tendidos übertrug. Ist es bei Morante eventuell ähnlich?

Gewiss, ein Besucher einer corrida kommt jeweils mit einer anderen Vorstellung, einer differenzierten emotionalen Ergriffenheit, auch gefühlsmässigen Belastbarkeit zur plaza de toros. Aber sie haben alle etwas gemeinsam. Wenn Morante seine Füsse zusammenstellt und still verharrt geht eine Vibration durch das Rund der tendidos, wie bei keinem anderen matador. Man weiss was kommt und wünscht sich sehnlichst die Zeitlupe.

Eine Szenerie der Einzigartigkeit. Etwas was in Erinnerung bleibt. Worüber die afición noch lange sprechen wird. Bei der wahren tauromaquia der toreros artistas geht es nicht um das Ansammeln von orejas oder indultos sondern um Momente der unvergesslichen Zweisamkeit zwischen torero und toro, der einzigartigen, mutigen bis hin zur eleganten Darstellung des Lebens, des Überlebens, ein Mysterienspiel mit dem unausweichlichen Ende des Todes.

Dienstag, 10. September 2013




von Morante de la Puebla


Der matador de toros Morante de la Puebla hat vor allem bei seinen letzten zwei Auftritten gezeigt, wie motiviert und entschlossen er seinen toros entgegentritt. Erstaunlich allein schon deswegen, weil er vor knapp einem Monat schwer verletzt worden ist. Was hat sich da in seinem Inneren getan? Woher kommt diese neue Emotion, dieses weniger launenhafte Auftreten oder gar eine Verminderung jegliches Gefühl der Angst? Was letzteres angeht, da hat er schon mal dazu Stellung bezogen:

"Die Angst ist etwas, 
was eigentlich 
gar nicht existiert, 
aber sie kann dich beeinflussen, 
gar Schaden zufügen.
Ich spreche mit ihr,
ich vertraue ihr
und ich helfe ihr sogar.
Ich habe meine Ängste 
nie schlecht behandelt."


Morante de la Puebla
(2008)

________________________________________________
Aus einem Interview in der Tageszeitung El Mundo 
mit Antonio Lucas vom 23. März 2008