SfA mit Torodora Gorges
Torodora Gorges ist die erste deutsche Schriftstellerin die eine Biografie über einen spanischen matador de toros geschrieben hat. Ihre afición spiegelt sich auch auf ihrer Internetseite wieder wo es ihr wunderbar gelingt die Literatur mit den toros zu verbinden. Als Kenner der Szene berichtet sie als Expertin bei SfA von den toros. So hatte sie das Glück José Tomás in Nimes im September letzten Jahres zu sehen und hat hier exklusiv ihre Eindrücke und Emotionen geschildert. Und heute stellt sie sich den Fragen von SfA.
Torodora Gorges: Mich fasziniert besonders die ritualisierte Begegnung von Leben und Tod, von Eros und
Tanatos. Die Ästhetik dieses archaischen Schauspiels hinterlässt einen
überwältigenden Eindruck. Im Idealfall verschmelzen die Protagonisten, der Stier und der torero, zu einer liebevoll anmutenden
tänzerischen Einheit, die, wie im heidnischen Opferritual mit der
Tötung des Stiers ihr Ende findet.
Die kathartische Wirkung einer leidenschaftlich und
ernsthaft ausgeführten corrida de toros gleicht der einer griechischen Tragödie ebenso wie der einer
dramatischen Oper von Giuseppe
Verdi oder Richard Wagner.
Der sterbende Stier geht den anwesenden Menschen zu Herzen:
dem torero ebenso wie
dem Zuschauer, der das Sterben der Kreatur mit Ahnungen im Hinblick auf seinen
eigenen Tod begleitet.
Das Erleben einer gelungenen corrida de toros ermöglicht
synästhetische Erfahrungen, die im Zuschauenden Musik zum Erklingen
bringen mit ähnlich todessehnsüchtiger Wucht, die zum Beispiel eine späte Sonate
von Schubert im Zuhörer auszulösen vermag. José Bergamín sprach von "la
música callada del toreo", der stummen, im Inneren des Menschen aufsteigenden "Musik für die
Augen der Seele und das Gehör des Herzens". - Eine gute faena wird
traditionell von einem Pasodoble begleitet. In Las Ventas wird diese Tradition
prinzipiell nicht befolgt. Gelegentlich empfinde ich die Musikbegleitung als
störend. Bei Auftritten von José Tomás habe ich es zum Beispiel in Barcelona
öfter erlebt, dass das Publikum die banda de musica aufforderte, auf die Musik
zu verzichten.
SfA: Ab wann hast du dich als aficionada de toros gefühlt
und ab wann hast du es gespürt?
Torodora Gorges: In meiner Stundentenzeit konnte ich einige gute Stierkämpfe
in Spanien besuchen. Trotz meiner Tierliebe und meines Widerstands gegen das
Töten - Albert Schweitzers
Aufsatz "Ehrfurcht vor dem Leben" hatte ich von Kindheit an verinnerlicht
- faszinierte mich die fiesta de toros von Anfang an. Meine ambivalenten Gefühle, die ich auch heute immer
wieder erlebe, hielten mich in
diesen Jahren nicht von
wiederholten Besuchen der corrida ab.
Über lange Zeit spielten dann die toros keine wichtige Rolle
mehr in meinem Leben, meine Faszination ruhte. Ich reiste viele Jahre später
erst wieder nach Spanien. Dann aber nutzte ich sofort die Gelegenheit, eine
corrida de toros am Ostersonntag in Las Ventas zu besuchen. Es war keineswegs
eine außerordentlich beeindruckende corrida an diesem Nachmittag. Aber in mir
wurde der Wunsch ausgelöst, mich aufs Neue mit dem Phänomen der tauromaquia
auseinanderzusetzen, mehr zu verstehen von ihren historischen Wurzeln, den
kulturellen Zusammenhängen und dem technischen Ablauf der corrida de toros.
Ich war mir bewusst, dass mich die afición erfasst hatte.
In einem Madrider Antiquariat mit Bildern und Büchern zur
Tauromachie traf ich auf zwei ältere Herren, die mich lobten wie eine fleißige
Schülerin: "Sie sind eine gute afionada de toros". Sie hatten als
Kinder auf den Knien von Manolete sitzen dürfen, da ihre Eltern damals um die
Ecke ein Restaurant führten, in dem die toreros gerne zum Mittagessen kamen.
Seither ist mir klar: Ich bin eine aficionada.
Torodora Gorges und der matador de toros Morante de la Puebla |
Torodora Gorges: Ich hatte angefangen, mir eine Bibliothek zuzulegen aus Klassikern, die ins Deutsche übersetzt
waren, wie Hemingway, Henry de Montherland, Blasco Ibánez. Es erschienen in den
90 er Jahren einige interessante neue Bücher zum Stierkampf auch in
Deutschland. Ich nahm
Spanisch-Unterricht, um auch Original-Literatur zu lesen. Ich wälzte den Cossío
und andere Standardwerke, las Biografien
berühmter toreros. Viele spanische Dichter, die die Kunst der
Tauromachie besangen, entdeckte ich.
Ich beschäftigte mich intensiv mit dem großen torero,
Literaten und Mäzen Ignacio
Sánchez Mejías, der 1934 an den Folgen einer Stierverletzung gestorben war.
Federico García Lorca hat 1935 dessen Tod in der berühmten Elegie "Llanto por
Ignacio Sánchez Mejías" beweint.
Ein eigenes Buch zu schreiben, daran dachte ich zunächst
einmal nicht. Allerdings machte es mir Spaß, Eindrücke schriftlich
festzuhalten, wie in einem Tagebuch. Die veröffentlichte ich auf meiner Homepage www.torodoro.de
Die toros, die fiesta de toros, sollte jenseits der
spanischen fiesta nacional als eine Bereicherung Gesamteuropas
verstanden werden können. Das sah ich als generelle Aussage meines Buches.
Natürlich verbrachte ich kürzere und längere Urlaube
überwiegend in den Gegenden Spaniens, wo die Stiere ihre Feste hatten. So
"entdeckte" ich im Jahr 1998 José Antonio Morante Camacho -
Morante de la Puebla! Sein Auftritt während einer
Nachtcorrida in El Puerto de Santa María kam einer "Epiphanie"
gleich. Das Auftreten des blutjungen knapp 19- jährigen Morante löste - wie ein
Wunder - bisher nicht wahrgenommene Affekte und Emotionen im Publikum und auch
bei mir aus. Er zeigte künstlerische Vollendung in Leichtigkeit, Natürlichkeit, Aufgehobensein in der Symbiose
mit dem Stier. Der Körper in
seiner "Erdenschwere" war vergessen! Es schien mir ein einmaliges
Erlebnis zu sein. - Ich war dem "duende" begegnet, der in dieser
Augustnacht Morante geleitet hatte. Die Gelegenheiten, in der Gestalt Morantes dem duende zu
begegnen, sind selten und umso beglückender.
Es motivierte
mich, ihn als Protagonisten meines Buches zu wählen. Er verkörpert die Kunst
der Tauromachie und deren kulturelle Botschaft auf ganz besondere Weise.
SfA: Was ist für Morantistas das Beeindruckende an Morante
de la Puebla? Immerhin ist er eine recht launische Erscheinung und seine gelegentliche Lustlosigkeit ist doch eher eine Unverschämtheit dem zahlenden Publikum gegenüber?
Torodora Gorges: Es gibt keine Garantie dafür, Morante mit Regelmäßigkeit auf
der Höhe seiner Kunst anzutreffen.
Er lässt sich gewiss von Stimmungen beeinflussen, ist sehr sensibel, lässt sich
von seinen Launen vielleicht mehr beeinflussen als andere Personen. Er war eine
Zeitlang an der Ausübung seines
Berufs, der für ihn Berufung ist, gehindert. Depressionen schränkten ihn ein.
Nicht alles lässt sich für Geld kaufen. Die Morantistas
nehmen Morantes Antagonismen "in Kauf". Ich zahle den Preis für ein
Kunstwerk, das flüchtig und unvollkommen sein kann, lediglich einige Momente
des erhofften großen Genusses vermittelt. Eine faena ist "a work in
process", dieses Kunstwerk ist nicht allein vom Künstler abhängig. Morante
scheut das Laue, die Mittelmäßigkeit. Das mutet er dem toro nicht zu. Er
verkürzt die faena auf das Notwendige.
Morante nimmt die bronca
des Publikums in der Regel gelassen und respektvoll in Kauf.
Andere toreros
zeigen andere Strategien. Sie haben das Ziel, beinahe jeden Stier zu
"erziehen", sie setzen ihr Können und ihre Energie ein, um einen
"schlechten", ungeeigneten Stier zu "erziehen", sie wollen
das Publikum mit ihrer Leistung zufriedenstellen, das ihnen mit Respekt und
Anerkennung dankt. Auch ich
respektiere sie und danke ihnen mit Beifall. Aber sie
begeistern und faszinieren mich nicht annähernd so wie Morante de la
Puebla, auch wenn mit seinem duende
nicht regelmäßig gerechnet werden kann.
Dos
verónicas y una media von Morante mit der capa ausgeführt, bleiben unauslöschlich in
der Erinnerung.
Torodora Gorges präsentiert in Sevilla ihr Buch |
Torodora Gorges: Ich konnte José Tomás an vielen Nachmittagen sehen, solche mit
höchster Dramatik und großer Angst um ihn, die meisten triumphal. Ich sah ihn
im vergangenen September in Nimes, an einem Sonntag-Vormittag. Allen bleibt dieses
große Ereignis, das überirdische, mystische Dimensionen hatte,
unvergessen. Die Kunst der Tauromachie in ihrer höchsten, sublimsten
Vollendung!
Eindeutig aber ist meine Entscheidung für José Antonio
Morante de la Puebla mit seinen irdischen Schwächen und dem Geheimnis seines DUENDE
SfA: Was denkst Du von antitaurinos?
Torodora Gorges: Ich will niemanden von meiner afición überzeugen. Ich suche
keine Konfrontation mit antitaurinos. Die politisch korrekte Verbohrtheit
gefällt mir nicht. Ich erlebe die Gegner der corrida de toros als sehr
unzugänglich und sehr aggressiv in ihrem "Gutmenschentum". Ich
fürchte, sie sähen am Ende lieber den torero als den Stier zu Tode kommen.
SfA: Wie siehst Du die Zukunft der tauromaquia?
Torodora Gorges: Die Spanier bzw. die aficionados der Stiere schienen die
Bedrohung ihrer fiesta de toros, ihrer fiesta nacional zunächst nicht so
richtig ernst genommen zu haben. Als Deutsche, also als fremde aficionada,
wunderte ich mich darüber. Ich hättte gerne mehr "Kampfbereitschaft"
bei den spanischen aficionados gesehen. Ihr wunderbares Kulturgut war in Gefahr geraten. Beinahe in
letzter Minute sind politische Maßnahmen getroffen worden, die toros vor dem
Untergehen zu retten. Die fiesta de toros wird zum Patrimonio Cultural Inmaterial. Damit ist ihrem Verbot ein Riegel vorgeschoben. In Frankreich hat man bezüglich der Rettung sogar
schneller reagiert.
Für mich ist
Europa ohne den Stier nicht denkbar. Que viva Europa y el toro!
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SIEHE AUCH
Apotheose von Torodora Gorges
Ihre Internetseite: torodoro
Ihr Buch: Morante de la Puebla, Portrait eines spanischen Künstlers
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Apotheose von Torodora Gorges
Ihre Internetseite: torodoro
Ihr Buch: Morante de la Puebla, Portrait eines spanischen Künstlers