Warum nichtspanische aficionados die mundo de los toros verstehen
Und warum sie darüber berichten!
___________________________________________________________________Und warum sie darüber berichten!
von Colin Ernst
(Fotos: mundotoro)
Seit zwei Wochen kreisen meine Gedanken um ein Thema, von dem ich nicht so recht weiß, wie ich es angehen soll. Ausschlag gab die anlaufende temporada in Südamerika. Wie soll ich über toreros schreiben, wenn sie so weit weg sind, die Informationen spärlich sind und obendrein aus den Medien kommen. Bisher hatte ich in Spanien immer jemanden, der die corrida selbst gesehen hat, Videos, bald nach Beendigung der corrida etc., ganaderías, die ich kenne, wenn ich nicht selbst dort war. Spurensuche in den lateinamerikanischen Ländern, gleicht einem Glücksspiel, mitunter lässt sich nicht feststellen welcher encaste die toros angehören. Und so kam es mir einmal mehr in den Sinn, zu hinterfragen, wer ich denn bin, über etwas zu schreiben, was ich selbst aus dritter Hand nicht wirklich weiß. Besonders über die toreros, welche dort mit ihrem Leben spielen. Was gibt mir das Recht? Und wieso habe ich keine Probleme, so manches, was im Leben eines toreros passiert, nachzuempfinden. Nun, das Leben eines Reiters ist mitunter genauso hart, wie das eines toreros. Ich habe das Pferd mit vier oder fünf Jahren für mich entdeckt, mit sechs Jahren hatte ich nur den einen Wunsch, nämlich Reiter zu werden, zu sein. Diese afición hat mich nie losgelassen und ich bin diesem Weg gefolgt.
Der maestro José Miguel Arroyo "Joselito" |
Der ehemalige matador de toros und jetzige ganadero Jose Miguel Arroyo „Joselito“, sagt in seinem Buch (Joselito, el verdadero) über sich: Als ich eine starke Depression hatte, hatte ich einen anderen Doktor. Ein Pferd aus der Zucht Hermoso de Mendozas. Ein richtiges Mistviech, welches die Leute biss und trat, wo es nur konnte. Dieses Pferd zu erziehen, gefährliche Situationen zusammen zu überstehen, hat mir das Leben zurück gegeben. Hat mir gezeigt wie man Ängste überstehen kann, das ich es kann, alles „depende de mi“ (alles abhängig von mir). Und so ist es tatsächlich mit der Reiterei, mit Angst auf ein Pferd zu steigen ist für einen Professionalen fatal. Man muss sich von Anfang an im Klaren sein, das man das Tier dominieren will und muss, sonst liegt man mit gebrochenen Rippen im Sand. Ähnlich ist es mit dem toreo, wenn man sich dem toro gegenüber stellt. Man muss dominieren wollen und können, sonst ist man tot. Ich hatte, wie so zahlreiche torerosaspiranten auch, kein Geld um mir genügend Reitstunden zu leisten, also habe ich Ställe ausgemistet und mich mit Freude auf jedes Pferd gesetzt, was man mir gab. Ein novillero macht es nicht anders, er stellt sich mit novillos in die Arena, egal wie listig und schwierig sie sind, nur um zu torerieren. Und das oft umsonst – der novillo kann ihn töten, wenn er nicht zu hundert Prozent bei der Sache ist. Man führt als Reiter und torero ein intensives Leben. Wenn andere noch im Bett liegen, sind sie beim Training. Ein Tag hat mehr als zehn Stunden und wenn die Kumpels der Jugend am Wochenende in der Disco rumhängen ist man bei einem Turnier oder eben bei einer corrida.
Ein toro bei den tablas |
Auch hat meine Generation der Reiter eine Benimmschule besucht, einen Ritus erlernt. Wie man mit den Meistern, den maestros spricht, wie man sich kleidet, wie man in der Öffentlichkeit redet und auftritt. Wann man wie den Parcours, bzw. die plaza betritt, wann man Richter, bzw. den presidente grüßt. Alles ein strenges Ritual. Und dann kommt die Stunde der Wahrheit, für Reiter und torero. Mein Pferd war schreckhaft und unkonzentriert, keine Platzierung, obwohl ich recht zufrieden bin, wenigstens hat das Tier nicht gebockt wie ein Wildpferd und mich in den Dreck geschmissen, es gab schon schlimmere Tage mit diesem Pferd. Der torero hat einen toro ohne trapio, der sich an den tablas verkriecht…, bei der estocada stand er nicht still - zwei pinchazos, kein oreja. Der torero ist froh, das er wenigstens im dritten Gang den Stier erlösen konnte, es gab schon schlimmere toros die einem eine cornada beschert haben. Wie oft sich unsere Körper gegen die Misshandlungen gewehrt haben, Schmerz und Frustration begleiten unsere Wege. Bei einem Turnier sitzt man auf einem Problempferd und die finanziell gestützte Konkurrenz auf vorgefertigten, bestens ausgebildeten Lämmchen. Der torero erwischt das übelste lote, während die beiden anderen toreros mit beinahe zahmen Designerstieren, Trophäen einheimsen. Das lässt einen Nächte lang nicht los. Man dreht „vuelta um vuelta“, Runde um Runde, im Bett oder läuft Kilometer weit, es lässt einen nicht los. Dies hätte man anders anpacken müssen, hätte man jenes anders gemacht, dann – man lernt, sehr schmerzhaft. Beim nächsten Mal.
Aber für viele gibt es gar kein „nächstes Mal“…Viele investieren von klein auf, jede Minute ihres Lebens in ihre Profession, das Reiten oder das toreo und ab einem Punkt, kann man gar nicht mehr ohne – Pferd oder toro. Wenn wir Reiter, sofern befreundet, unter uns sind, auf den Reiterhöfen, reden wir den ganzen Tag über nichts anderes, als über Pferde – toreros machen das Gleiche, sie reden über toros und toreros. Auch das Couching ist ähnlich. Der maestro eines novilleros steht bei einem tentadero hinter dem burladero und gibt Anweisungen, der Trainer eines Reiters macht dasselbe, von der Bande aus. Aber es kommt der momento de verdad, der Augenblick der Wahrheit, da ist der Reiter , ebenso wie der torero allein mit dem toro in der plaza… Kein helfender Lehrer weit und breit – die Stunde der Wahrheit.
Die grösste plaza de toros in Europa: Las Ventas |
Unsere Profession hängt allerdings vom lebenden Objekt ab, dem Pferd, dem Stier und unsere Fehler kann man nicht einfach mit einem Knopfdruck rückgängig machen wie bei einem Computer, oder einer Maschine. Daraus resultiert etwas, was in der tauromaquia „responsabilidad“ genannt wird – Verantwortung. Für das, was man mit dem Tier anstellt und auch was man vor dem Publikum präsentiert. In Aachen zu starten und eine erbärmliche Vorstellung abzugeben, in dem Wissen, das hunderte Zuschauer viel bezahlt haben um etwas Tolles zu sehen – „que vergüenza“- welche Schande. In Las Ventas mit einem toro nichts, aber auch gar nichts anfangen zu können – que vergüenza – der Eintritt hat dem aficionado einen Haufen schwer verdientes Geld gekostet. Wir sind „responsables“. Und kurioser Weise wird der Reiter, sowie der torero in der Gesellschaft gern als privilegiert angesehen. Privilegiert??? Sich die Knochen zu brechen, im Rollstuhl zu landen, von Hörnern durchbohrt, im Sand verblutend?? Privileg? Klar, einige Reiter und toreros landen, Dank der „prensa rosa“, auf den Titelseiten der Hochglanzmagazine, kassieren gut dafür. Aber die meisten legen gar keinen Wert auf solche Propaganda, sie wollen dort überzeugen, wo ihr Platz ist, im Parcours der Reiter, in der plaza de toros der torero, beide Stätten haben einen Boden aus Sand.