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Sonntag, 30. März 2014

Sanlúcar (7. Teil)

Wieder auf den Spuren der toros . . .
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von Colin Ernst


Letzter Teil der Reise nach Andalusien


Nun sind die schönen Tage vorbei, wir verlassen unsere zweite Heimat, Sanlúcar de Barrameda, schweren Herzens. Wir hatten diesmal nicht nur das schöne Wetter an unserer Seite, sondern auch die Menschen in dieser Stadt, die eigentlich ein Dorf ist. Wir hatten Einblicke in das Leben von Menschen, die sich einer Profession verschrieben haben, die einem, im 21. Jahrhundert etwas seltsam, beinahe zeitverloren vorkommen mag. Tatsächlich ist vieles im Leben der toreros, irgendwie zeitlos. 

Uns hat es die Zeit vergessen lassen. Stundenlang haben wir die Schwünge der capas auf uns wirken lassen, die Pinselstriche der muletas im Sand, mit den Augen nachgezogen. Es war faszinierend. Das Auge, bald geschult, erkennt Unterschiede in den Pinselstrichen… Unterschiede, in den zeitlupenartig ausgeführten Schwüngen der capa. Wer bewegt die Handgelenke eleganter? Welche Konsequenzen hat das Bewegen eines Stofffetzens, vor den Augen und Hörnern eines Stieres? Das Beobachten des Trainings, besonders wenn man es Wochenlang verfolgen kann, lässt einen viel über die Menschen kennen lernen, die sich den Stieren stellen. Man lernt einzuschätzen, wer sich eifrig dem Training hingibt, wer sich nur in Form hält, für einen Anruf der nicht kommt, wer eine corrida zu bestreiten hat. 

Man bekommt einen tiefen Einblick in das tägliche Leben dieser besonderen Menschen, in deren Freunde und Familien. Für mich sind diese Menschen mit nichts zu vergleichen, es ist eine andere Welt. 
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Wenn ein junger Torerolehrling, einen maestro grüsst, 
das gleicht einem lässigen Staatsakt. 
Respekt liegt in der Luft. 
Ordentlich gekleidete junge Menschen, 
zollen Respekt, bis zu den Haarspitzen. 
So etwas sieht man in der heutigen Zeit selten. 
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Die Freude, auf den Gesichtern aller aficionados und auch anderen Menschen, wenn sie merkten, dass wir wirkliches Interesse an ihnen und ihrem Leben zeigten, ist etwas ganz besonderes. Dort im Süden Andalusiens ist man sehr gläubig, und bei den Menschen, die Flamenco und Stierkampf verbindet, um so mehr. Auch dort hat man uns Einblicke gewährt. Der Glauben an Gott und seine Heiligen wird zelebriert, das Pilgern zum Rocío (Wallfahrtsort in der Provinz Huelva), die Semana Santa, die Osterwoche, wird gelebt, mit Herz und Seele ist man dabei. Später wird die Freude über diese Erlebnisse fröhlich gefeiert. Flamencotanz und Gesang, wird mit dem gleichem Enthusiasmus zelebriert. Auch uns hat es ergriffen, mit Haut und Haaren. Und der Familienzusammenhalt. Wie liebevoll Söhne mit ihrer Mutter, Väter mit ihren Söhnen umgehen, alles ein sehr positives Beispiel. 

Ein anderes Kapitel ist für viele toreros in der plaza, der ständige Balanceakt, zwischen Freundschaft und Rivalität. Man trainiert täglich, oft seit Jahren zusammen. Man hilft sich gegenseitig. Beim toreo de salón simuliert einer den Stier und greift den anderen an, dann wird sich abgewechselt.  Es bilden sich gewisse Duos, während andere ständig wechseln. Aber dies tut dem Eifer keinen Abbruch. 


Dann gibt es die Truppe der „Lehrer“, die jedem mit Rat und Tat zur Seite stehen, überhaupt, hört fast jeder jedem zu, wenn es um Verbesserungsvorschläge geht. Ist ein erfolgreicher torero anwesend und trainiert, hört einer nach dem anderen auf, um den maestro zu zusehen. Um zu lernen und zu bewundern, neidlos. Dies ist auch etwas, was uns auffiel. Auch wenn einer den anderen manchmal beneidet, weil er eine sich eine schönere traje leisten kann, wird den maestros nichts geneidet, es ist überhaupt nicht relevant, ob dieser ein neues Auto, oder ein tolles Haus hat. Hier zählt allein das, was dieser Mensch in der plaza geleistet hat. Verónicas werden bewundert, das Dominieren eines schwierigen Stieres förmlich in sich aufgesogen. Tagelang spricht man von nichts anderem. 

Torero zu werden, zu sein, erfordert die Geduld eines Engels. Für viele heisst es lange Durststrecken zu überwinden. Wenn ein kleiner Junge mit zehn Jahren anfängt, ist er oft mit 25 Jahren immer noch novillero, Torerolehrling. Wer sich das Trainingsprogramm ansieht und die Fitness all dieser Menschen dort, der beginnt sich zu schämen. Wir sitzen zu gern auf dem Sofa. Wenn sie von einem toro verletzt wurden, sprechen sie darüber, als hätten sie eine Medaille bekommen. Wir würden höchstens verschämt darüber sprechen. Aber es ist keine Angabe, oder ein nach Mitleid heischen, es ist ein Stolz, so wie es vielleicht, zu antiken Zeiten üblich war, seine Kriegsverletzungen mit Stolz zu zeigen. Bedenkt man, das die Tradition des Stierkampfes, die Verehrung des Stieres, wenn auch in ganz anderer Form, schon in der Antike bestand. Bedenkt man die Lebensumstände und alles was drum herum geschieht, beginnt man zu verstehen. 

Ich habe das Gefühl erst am Anfang des wirklichen Verstehens der tauromaquia und dieser Kultur zu stehen. Gracias, Dank Sanlúcar und den Menschen dort kann ich nun noch tiefer in dieses Mysterium eintauchen. Und vieles Gesehene, Gelernte und Empfundene, wird mich ein Leben lang begleiten, mir helfen und mich anspornen. Wir werden Eloy Hilario unterstützen. Er hat uns gezeigt, dass er es wert ist. Er unterscheidet sich in Vielem, von seinen Kollegen, was nicht heissen soll, dass er viel besser ist. Aber sein ganzes Benehmen, uns gegenüber, im Miteinander mit den anderen im Training, seine Einstellung zum Leben und zum Stierkampf, machen den Unterschied aus. In seinem Leben spielen I-Pad und Facebook kaum eine Rolle. Alles was er macht und tut, hat irgend etwas mit seinem Wunschziel zu tun, ein „Torero de verdad“, ein wirklicher torero, zu werden. Ein torero, der nicht nur aus künstlerisch schönen Schwüngen mit der muleta besteht, sondern einem, der kämpfen kann. Eleganz bewundert er, aber er sieht die Kunst als schöne Beigabe, ein „Extra“ für das Publikum. Eine schöne faena, welcher selbst geniessen kann, wenn er den Stier dominiert und der Stier es ihm erlaubt. Eloy hat noch dieses alte Kämpferblut in den Adern, was ich mitunter bei den modernen, gefeierten figuras vermisse.

Adiós Sanlúcar . . . bis zum nächsten Mal.