War Hemingway ein wahrer Kenner der Tauromachie?
Oder einfach nur ein ziemlich guter Schriftsteller a la Karl May?
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von Philip de Málaga
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Ein immer noch viel diskutiertes
Thema. War nun der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway nur ein ein aficionado, ein taurino oder gar ein
echter Kenner der mundo de los toros? Oder lediglich ein genialer Autor der es
verstand nach ein paar Begegnungen mit den toros sich zum Spezialisten in
Sachen tauromaquia zu avancieren?
Mit dieser Ausgabe von Fiesta begann die mundo de los toros 1926 die Welt zu erobern. |
Man kann das Thema sehen wie man
möchte, aber eine Tatsache lässt sich nun mal nicht wegleugnen. Obwohl schon
zahlreiche Schriftsteller vor ihm über die toros erzählten, und es waren nicht wenige, er war es, der den toros mit seinen beiden Büchern Fiesta, erschienen 1926, und Tod am Nachmittag aus dem Jahr 1932 (siehe Deutsche Literatur) der fiesta de los toros zu Weltruhm verhalf.
„Von diesem Zeitpunkt an,
begann
man die mundo taurino
auf der ganzen Welt mit anderen Augen zu
betrachten.
Verband sie mit menschlichen Schicksalen, dem Leben der toreros.
Diesen Verdienst kann ihm keiner nehmen.“
Als der Roman Fiesta
1926 erschien
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Doch kommen wir zurück zu
eigentlichen Frage. War er denn auch wirklich ein Kenner der Szene? Konnte er,
oder hatte er wirklich das Recht dort mitreden zu können? War er in der mundo de los toros eine Persönlichkeit? Gegenteiliges gibt es darüber zu
hören.
So gibt es Stimmen, natürlich aus
den Reihen der spanischen taurinos, welche den Standpunkt
vertraten, dass er sich als „Ausländer“ zu viel in das Thema der toros einmische. Da gibt es zum Beispiel die Geschichte, dass er es angeblich
pflegte, vor Beginn einer corrida in den patio de caballos zu
gehen, um den Zustand der Pferde zu überprüfen. Weder sei er veterinario
noch verfüge er über das Wissen dieses zu beurteilen, hiess es.
Auch gab es Stimmen von bekannten
toreros,
wie dem matador de toros Juan Miguel Dominguín, der meinte,
dass Hemingway
zwar viel über die toros geschrieben hat, aber in wirklich keinen Schimmer hätte.
Er gab vor alles zu wissen. Angeblich hatte der amerikanische Schriftsteller
vor seinem Buch Tod am Nachmittag bis dahin nur zwei corridas de toros
gesehen. Dass dieses nicht ganz der Wahrheit entsprechen kann, davon kann man getrost ausgehen. Denn bei seinen Besuchen in Pamplona
gab es zahlreiche Zeitzeugen.
Hemingway in Pamplona |
Hemingway in Aranjuez |
Hemingway in Logoño |
Und das Hemingway zahlreiche corridas besucht hat, davon sprechen
die zahlreichen Photographien in den verschiedensten plaza de toros: Unter anderem in Bilbao, Sevilla, Bayonne, Logroño, Pamplona, Málaga, Cadiz, Aranjuez, Burgos, Córdoba und in Madrid. Und nicht nur in den plazas war er zu sehen, viele
Aufnahmen zeigen ihn auch im Kontakt mit vielen matadores wie Antonio Ordoñez, Luis Miguel Dominguín, Pepe Luis Vázques, Pepe Cáceres, Varelito,
Valencia II „El Chato“, Ignacio
Sánchez Mejías, Pedro Romero ...
Hemingway und die matadores Antonio Ordoñez und Pepe Luis Vázques |
Hemingway und der matador de toros Pepe Cácares |
Hemingway mit dem banderillero Juan de la Palma |
Trotzdem standen beide in einer
gewissen Beziehung. Schließlich besuchte Dominguín
ihn auch in Kuba. Angeblich habe Hemingway
das Gerücht verbreiten lassen, dass er den damals verletzten torero
finanziell unterstütze, motivierte und ihm beim Training helfe. Dominguín
konnte darüber nur lachen, Hemingway hätte nie in seinem Leben
auch nur einen Fuss ins ruedo gesetzt. Aber mal ehrlich, dass der Autor auch mal ein wenig die Werbetrommel für sich in Bewegung setzten ist och nachvollziehbar. Hinzu kommt die Tatsache, das Hemingway eine besondere Freundschaft zum Erzrivalen der Dominguín pflegte, zum matador de toros Antonio Ordoñez.
Zwei Freunde: Hemingway und Ordoñez |
Antonio Ordoñez und Ernest Hemingway in Madrid |
Kommen wir zum Schluss zum
literarischen Werk des Amerikaners, zum Thema der toros. Hatte er nun
Ahnung oder nicht, was er auf das Papier brachte? Werfen wir einen Blick auf
seine Wortwahl, seine Beschreibungen, seine Fachausdrücke aus der mundo taurino welche er verwendete. Im Anhang von Tod am Nachmittag befindet sich auf
67 Seiten ein Erklärendes Spezialverzeichnis wo über 576 Begriffe aus der mundo de los toros von ihm
erklärt werden. Das geht nur,
wenn man darüber auch eine gewisse Ahnung hat.
Es ist bekannt, dass diese Bücher
aus seiner Hand kamen. Kein anderer hat sie für ihn geschrieben. Und wer so in
der Lage ist über die toros zu schreiben, der muss mit der mundo de los toros auch entsprechend konfrontiert worden sein. Ja, geradezu
mit ihr gelebt haben.
Nehmen wir sein letztes Buch Gefährlicher Sommer, das er in der temporada taurina 1959 geschrieben hatte, wo er den Konkurrenzkampf der beiden matadores de toros Luis Miguel Dominguín und Antonio Ordoñez beschreibt. Nebenbei bemerkt, in Kennerkreisen sein bestes Werk zu
diesem Thema. Er kam nach Spanien um das Leben zu finden aber entdeckte
letztendlich den Tod. Ein Jahr später nahm er sich das Leben. Ein Buch sehr taurino.
Man darf halt einen Punkt nicht aus den Augen verlieren. Hemingway war ein genialer Schriftsteller, mit persönlichen Ansichten, eigenen Ideen, auch Verrücktheiten, und da war und wird die Trennung zwischen Dichtung und Realität nicht immer eindeutig erkennbar. Aber er war und ist immer noch, der die toros in die Welt gebracht hatte und auf internationaler Ebene konnte ihm bis heute in Sachen tauromaquia noch keiner das Wasser reichen, nicht mal ein Spanier.
Vielen herzlichen Dank an Ursula
Herzog, welche die Anregung und auch Quellen zu diesem Beitrag gab. Auslöser waren die SfA-Reportagen Wenn Nicht-Spanier über Stierkampf sprechen und Mit den Augen Hemingways. Muchas gracias.
Quellennachweise:
The Sun Also Rise, Ernest Hemingway, Charles Scribner`s Sons, New
York, 1926
Death in the Afternoon, Ernest Hemingway, Charles Scribner`s Sons,
New York, 1932
The Dangerous Summer, Ernest Hemingway, Charles Scribner`s Sons,
New York, 1985
Der alte Mann und die Mär, Peter Zingler, Focus-Reportage, 2011