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von Dr. Andreas Krumbein
„Ist das jetzt
unser Stier?“ - Die Frage
irritierte mich und mir lag schon eine so banale Antwort wie „Das wird schon einer der sechs von
gestern gewesen sein.“ auf den Lippen, als sich meine Tochter ein enormes Stück
Fleisch in den Mund steckte und kauend mit sehr vollem Munde sprach: „Das schmeckt wirklich sehr gut,
wirklich sehr, sehr gut!“ In der Tat, das Fleisch war hervorragend, zart und
sehr saftig, die geschmackliche Note „Rind“ deutlich, doch unaufdringlich, ein
ganz wenig Fett am Rand, innen rosig, einige Stücke konnte man mit der Zunge am
Gaumen zerdrücken; als Zutaten Olivenöl, Pfeffer, Salz, Knoblauch. Ich hatte
alles richtig gemacht, vor allem hatte ich das korrekte Grundmaterial
eingekauft: solomillo, nachdem man
mir eingeschärft hatte: „Und kaufe auf keinen Fall wieder Suppenfleisch!“ Ja,
Frau, ja! Auch ich kann noch lernen, eingedenk der tagelang schmerzenden
Kieferknochen, nachdem ich beim letzten Mal mit der Sparsamkeit der Schwäbischen
Hausfrau carne de tercera gekauft und
es sich in der Pfanne in ein Brett verwandelt hatte. Damals dachte ich beim
kauen unentwegt an den Stier, verachtete die Schwächlichkeit meiner Kiefer, und
so schmeckte es mir dennoch. Doch diesmal war es noch besser.
Der
gute Stierkampf ist alter Wein,
lautet ein Ausspruch, doch kann man weder immer alten Wein trinken, noch will man
manchmal darauf warten, dass der Wein gut wird und lange genug gereift ist.
Manchmal will man Einfaches in vollen Zügen geniessen, den Mund vollnehmen, dass
es einem die Backen bläht, laut schmatzen und sich das Hemd bekleckern, ohne
dass man sich selbst oder ein anderer daran stört. So etwas kann man nicht an
vielen Orten tun. Aber in Huelva, da kann man es.
Huelva, Provinz
der faustgrossen Erdbeeren ohne Geschmack, die man nach Mittel-Europa exportiert,
und Heimat der Leperos, die, was das Witzemachen in Spanien anbelangt, das
Schicksal der Ostfriesen teilen. Huelva, Stadt ohne Gesicht zwischen Río Tinto
und Río Odiel, inmitten von marismas
und chemischer Industrie.
Einer der sommerlichen Höhepunkte in Huelva sind die Fiestas Colombinas, die zu Ehren von Cristóbal
Colón (Christoph Kolumbus) und seinem Aufbruch nach Indien so benannten, grossen Feierlichkeiten der Stadt:
die feria.
Das recinto ferial, direkt am Río Tinto in Sichtweite
des von Gustave Eiffel konstruierten, nieten-eisernen Verladepiers, der weit in
den Fluss hineinragt, beherbergt eine mittelgrosse, familiäre Kirmes mit vielen, offenen casetas für jedermann, von denen manche
für geringes Geld ausgehungerten, deutschen Touristen, die fast alles falsch
gemacht hatten, Speis und Trank mit so grosser Freundlichkeit, Schnelligkeit und
Unkompliziertheit servierten, dass schnell alle Fehler vergessen waren.
Zumindest vorerst.
Während der Colombinas gibt es auch Stiere, diesmal
an fünf Tagen im August 2011. Unser Zugpferd war der matador de toros José Tomás, der in seiner
zweiten corrida nach der schweren cornada in Aguascalientes (Mexico) im
Frühling des Jahres 2010 hier in Huelva antreten sollte.
Die Plaza de Toros de la Merced ist in rot
und ocker-gelb gehalten, später an das alte Mauerwerk angesetzte Anbauten
wurden in Beton ausgeführt und farblich angeglichen. In das Gebäude integriert
und von aussen zugänglich sind eine Hähnchenbraterei und ein kleiner
Lebensmittelladen. In 100 Meter Entfernung mündet die Avenida Costa de la Luz,
die einen Grossteil des Autoverkehrs der Autovía Huelva - Punta Umbría über den
Río Tinto ins Stadtinnere führt, in die Avenida de Cristobal Colón, die
wiederum direkt vor der plaza in den Paseo de la Independencia (Promenade der Unabhängigkeit) übergeht.
Die
Geschehen um die plaza ist auch an normalen Tagen von hoher Lebendigkeit und
viel Autoverkehr mit Staus an roten Ampeln, viel Huperei und allerlei Abgasen
geprägt.
Die entradas waren online bestellt, die
Abholung so unkompliziert und ich selbst so glücklich (José Tomás!), dass alles
glatt gelaufen war, dass mir erst sehr viel später Zweifel kamen, was denn wohl
geschehen wäre, wenn ich nicht ich, sondern ein anderer gewesen wäre, der die
Karten abgeholt hätte, denn meine Identität hatte niemand überprüfen wollen. Nun
denn, es war ja alles gut gegangen, und ich hatte heute meine Karten und morgen
meinen Star (José Tomás!). Also: drauf gepfiffen!
Fehleinschätzung Nr. 1: „Wir finden schon was!“
Will man eine corrida de toros bewusst geniessen,
empfiehlt es sich ausgeschlafen zu sein. Dafür ist eine angemessene Schlafstatt
hilfreich. Für den Touristen könnte das ein Zelt auf einem Campingplatz sein,
als junge Familie (Vater, Mutter, Kind) ziehen wir gemietete Betten vor. Man
benötigt nun noch jemanden, der einem freie Betten für drei Personen vermietet.
Und das war gar nicht so einfach. Jedenfalls nicht, wenn man in Huelva zur feria ist, morgen José Tomás (José
Tomás!) kämpft, man sich um nichts gekümmert hat (ausser um José Tomás) und sich
in der Stadt nicht auskennt. Ausfindig machen konnten wir sieben Hotels und
eine Pension innerhalb des Stadtgebietes. Die Pension zwei Nächte) und eines der
Hotel (eine Nacht) konnten uns unterbringen, für die restlichen zwei Nächte waren
ausgedehnte Fahrten in die weitere Umgebung von Huelva nötig. Natürlich: es ist
alles eine Frage des Preises. Wir hätten sofort in einem der Sieben ein Zimmer
für 300,00 EURO pro Nacht bekommen. Doch so weit bin ich noch nicht.
Die bisher gut
geprüfte Formel für Spanien „Wir finden schon was!“, die uns nie im Stich
gelassen hatte, gilt zwar noch heute, doch sieht sie mittlerweile ein wenig
abgegriffen und schmuddelig aus. Und teuer werden kann sie auch. Den
Krankenhaus-Charme unserer Pensionsbetten hätte ich allerdings um keinen Preis missen
wollen.
Nur gut ausgeruht zu José Tomás: am besten in
ehrlichen, einfachen Betten
F o r t s e t z u n g f o l g t !