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von Adrian Neville aus Nürnberg
(Fotos: Julián López, mundotoro)
Nach einem halben Jahr Pause, ging es letzte Woche wieder in mein geliebtes Madrid. Diesmal zu Feria von San Isidro vom 9. bis zum 14. Mai. Letztes Jahr hatte ich mir diesen Lebenstraum erstmals erfüllt und sah einige eher durchwachsene corridas.
Montag
Am Montag ging es bei schönstem Sonnenschein und Frühlingswetter vom Flughafen München los. Drei Stunden später sass ich im Taxi von Barajas in`s Zentrum und die Scheibenwischer liefen auf höchster Stufe! Tiefhängende Wolken, 10 Grad und prasselnder Regen, die Puerta del Sol mit riesigen Wasserlachen . . . Der Wetterbericht hatte zwar vor so etwas gewarnt, aber ich hatte es nicht so ganz ernst genommen.
Nun gut, Mittagessen in der La Taurina - am ersten Tag mit etwas Zeitdruck immer eine sichere Sache. Der Regen liess nach und so konnte die novillada stattfinden. Kurioserweise war diese novillada ein Hauptgrund für mich, diesen Termin zu wählen: Álvaro Lorenzo, Ginés Marín und "Varea" präsentierten sich in Las Ventas, gerade mal eine Woche vor ihrer jeweiligen alternativa in Les Arénes de Nîmes. Stiere von El Parralejo, einer interessanten Zucht, die in den letzten Jahren ein ziemlicher Garant für Erfolg war.
Natürlich kam alles ganz anders, ein fürchterlich invalides encierro. Eine vuelta für Lorenzo. Ein sehr blasser und grüner Marín. "Varea" war absolut motiviert, erwischte aber einen miserablen Stier, beim nächsten die porta gayola aber der novillo wurde ausgewechselt. Der sobrero verlor bald jegliche Kraft und der arme "Varea" ging als unbeschriebenes Blatt von dannen. Ich hätte gerne mehr von ihm gesehen.
Porta gayola, kniend empfängt "Varea" seinen novillo. |
Dienstag
Der Dienstag fiel leider buchstäblich in`s Wasser, die corrida wurde um 19:10 Uhr abgesagt. Hier ein riesiges Kompliment an die taquilla von Las Ventas: tausende Zuschauer bildeten eine Schlange, um ihre entradas zurückzugeben. Wartezeit lediglich ca. zwanzig Minuten. Das Bargeld wurde im Sekundentakt dem werten Publikum zurückerstattet.
Regen in Las Ventas |
Etwas frustriert ging es zurück ins `s Zentrum und als kleine Entschädigung gab es einen phantastischen rabo de toro, geschmorten Ochsenschwanz im wunderbaren Restaurant "Los Madroños", etwa zweihundert Meter von der Plaza Mayor und ca. einhundert Meter vom berühmten "Botín" entfernt.
Mittwoch
Am nächsten Tag dann eine interessante corrida mit Escribano, der in Sevilla einen Victorino begnadigt hat. In Madrid leider ohne Glück. Einem ganz schwachen Fandiño und einem grossen Paco Ureña! Seit Oktober, einer meiner Lieblingsmatadore. Ein absolut sympathischer und schüchterner Kerl mit einem weichen Herz. Das oreja des ersten Stieres war schon seins, doch dann gab es natürlich einen pinchazo. Im zweiten Stier, im strömenden Regen eine atemberaubende faena. So viel Emotion für den Zuschauer, so viel Präzision und Gefühl beim matador. Oreja de Ley!
Paco Ureña in strömenden Regen von Madrid |
Fandiño wird leider zum tragischen Fall. Vom Glanz der letzten temporadas ist nicht mehr viel übrig.
Donnerstag
Am nächsten Tag gab es für mich eine Prämiere: ein matador versetzte mich in unbekannte Rage! Ich habe El Capea nie besonders gemocht. Ohne jegliche Persönlichkeit, absolut mittelmässig, doch Dank seines Vaters El Niño de la Capea, einer der besten der 70er und 80er, immer gut protegiert.
In seinem ersten, sehr unangenehmen und gefährlichen Stier war er überfordert. Ein kindisches Machete (hier zeigt sich die Qualität eines Morante, der dies, auch unter Pfiffen sehr elegant und mit Solar meistert), ein paar pinchazos und pitos.
Ok, das kann passieren ... Doch was dann folgte, war für mich der Gipfel. Ein ganz junger Gonzalo Caballero in seiner ersten corrida des Jahres, ohne weitere Kontrakte erlitt eine schwere cornada in dem linken Oberschenkel. Er zitierte den toro mutig de frente, der griff an und bohrte das Horn absolut präzise in das Bei des matadores. Blut strömte aus der Wunde, die banderilleros wollten Gonzalo raustragen, doch der wehrte sich nach Kräften. Torniquete (also die Wunde mit Krawatte abgebunden) des banderilleros, Morenito de Aranda immer in seiner Nähe redete auf ihn ein. Als er den Kampf fortsetzte, war Morenito mit der capa im ruedo, zusammen mit seinen banderilleros.
Gonzalo Caballero wollte nicht in die enfermería. Noch nicht. |
Und wer nicht? El Capea, eigentlich als Ältester der director de lidia, stand im burladero, ohne capote und redete mit seiner cuadrilla. Eine absolute Unverschämtheit. Teilnahme- und emotionslos.
Ich sass in der zweiten Reihe, etwas zwei Meter von ihm entfernt und rief ihm zu, ohne lange nachzudenken: "Capea, el director de lidia sin capote en sus manos, mientras está toreando un chaval herido. Que mal compañero eres!!" (Capea, der director de lidia ohne capote in seinen Händen, während ein verletzter Junge mit dem Stier kämpft. Was für ein schlechter Kollege bist du!!!). Er hörte das sehr genau. Aus dem tendido folgten weitere Rufe.
El Capea im callejón |
Gonzalo Caballero tötete den Stier und ging in die enfermería. Capea musste nun den letzten toro der corrida töten und da folgte nun das komplette Desaster. Übermannt von Angst und Unfähigkeit, brachte er keinerlei faena zustande. Eine media estocada ohne Effekt, aviso und Capea machte gar nichts. Keine Anstalten eine neue estocada zu versuchen, oder den Degen herauszuziehen. Dies tat dann ein banderillero mit der Hand aus einem burladero.
José Antonio Moral, den ich über alles schätz schrieb, dass er so etwas noch nie gesehen habe. Escandaloso! Skandalös!
Beim verlassen der plaza eine monumentale bronca, auch ich warf mein Sitzkissen, zeigte wild gestikulierend Richtung Ausgang und brüllte: "No vuelvas más! No vuelvas mááás!!" (Komm nicht wieder!!) Puh, keine Ahnung, was da in mich gefahren war. Es musste wohl einfach raus . . .
Vor lauter Ärger vergesse ich beinahe die hervorragende faena von Morenito zu erwähnen. Wirklich hervorragend, obwohl der Stier mehr hergegeben hätte! Da muss man schon beide Ohren bekommen. Immerhin eine weitere oreja de ley.
Freitag
Der Freitag dann ordentlich mit Sonnenschein und No hay billetes. Tendido alto im tendido 5 (sol), ein ordentlicher Platz mit einem sehr netten Sitznachbarn. Die Tage davor hatte ich mir barreras im tendido 6 und 2a barrera gegönnt. Das tendido alto bei einem soliden revendedor für 50 Euro, anstatt für 19 Euro gekauft. Kann man schon mal machen.
Roca Reys confirmación, padrino Sebastián Castella und testigo Alejandro Talavante. Castella ist schon klasse und hat viel echten Torero-Stil. Roca Rey machte erst einmal mit einem grossartigen quite in seinem toro der confirmación nass. Ein guter padrino der dem Jungen aber ganz klar sagt: das hier ist mein Revier und wir sind ab jetzt Konkurrenten.
Sebastián Castella tritt seinem toro entgegen. |
Roca Rey begann die faena á la Castella mit mehreren pases cambiados, mitten im ruedo. Das Publikum war sehr kühl und das tendido 7 aggressiv. Nada.
Castella wieder klasse, begann seine faena eben nicht mit dem cambiado, wie es jeder erwartet hätte, sondern im tercios mit sechs tollen pases estatuarios. Das hat einfach Stil! Er wird nie mein torero sein, aber ich mag seine vergüenza torera und seinen Ethos.
Alejandro Talavante citando de frente |
Dann passierte bis zum vierten Stier nicht viel und ich befürchtete schon die vielzitierte tarde de expectación, tarde de decepción. (Bachmittag der Enttäuschung). Doch dann kam ein riesiger, hoher, heller Nuñez del Cuvillo Stier, mit sehr langen Beinen - Talavantes zweiter. Der erwischte den banderillero Juan José Trujillo zweimal, ohne ihn zu verletzten. Eine furchtbare embestida descompuesta y brusca (zornig und ruckartig). Den Kopf immer hin- und verwackelnd, keine gerade Linie. So ging es bestimmt fünf Minuten, nadie daba un duro ... (keiner hätte dafür einen Cent gegeben). Dann eine halbwegs gelungene natural aus dem Nichts. Noch eine, noch eine Bessere. Und ja, das ist Madrid. Plötzlich ein ohrenbetäubendes olé!!! Und noch eine Serie, und noch eine. Borrachera de alegría (Trunken vor Freude). Die waren nicht perfekt, die naturales, wie sollten sie auch? Aber Talavante hatte jeden einzelnen dem Stier abgerungen und seinen Angriff korrigiert. Fulminante estocada, die mich an JT`s letzten Auftritt in Barcelona erinnerte. Bam! Und der Stier bricht nach zehn Sekunden spektakulär zusammen. Grossartig und eine oreja aus Granit und purem Gold.
Dann folgte Roca Reys zweiter toro aus dem er alles herausholte. Immer spektakulär, nie sauber aber mit enormen Wissen und Können. Und das mit 19, ca. 8 Monate nach der alternativa. Ebenfalls eine spektakuläre estocada al encuentro und dos orejas. Was für ein torero ...
Andres Roca Rey, "Jetzt komme ich!" |
Mein Nachbar klopfte mir immer wieder herzlich auf die Schulter und sagte: "Me allegro tanto por Usted!" (Ich freue mich sehr für sie!)
Das war mein kleines San Isidro (vier von dreissig corridas) und si Díos quiera, erwarten mich im Sommer Málaga und Bilbao. Vamos a ver (Schauen wir mal).