Sonntag, 4. Dezember 2011

Ein Ave Maria für die Antitaurinos

Es war ein herrlicher Sonntag. Blauer Himmel und eine wärmende Sonne trieben ganze Horden von Menschen in die Innenstadt von Málaga. Und wer genau hinschaute konnte sie sehen.  Jene die sich von der Wahlniederlage des letzten Monats noch nicht erholt haben. Die antitaurinos. Kraftvoll wollten sie sich spanienweit in vielen Städten in Szene setzten und für ihre Sache demonstrieren. Für die abolición, ein europaweites Verbot von Stierkämpfen. Tausende, zig tausende sollten es sein, doch wer nachzählte, in Málaga war es gerademal eine Hundertschaft.

Antitaurinos in Málaga
Auf der Plaza de la Constitución, im Herzen der südspanischen Metropole versammelten sie sich, gleich einer Schar schwarz gekleideter Jünger, um einen symbolischen Friedhof aus kleinen weissen Pappgrabsteinen. Dabei riefen sich gegenseitig zu: "abolición ... abolición ... abolición.". In ihren Händen hielten sie Stangen mit schwarzen Wimpeln wie wir sie von den chinesischen Heerscharen kennen, und in leuchtendem Gelb verkündeten diese ihr Kampfwort, abolición. Doch die chinesische Wirkung blieb aus, den es waren keine Schaaren zu sehen.

Andrés ist Anwalt und schaute sich kopfschüttelnd das Geschehen an. Wir gehören zu den anderen,  meinte er schmunzelnd, als man uns einen Handzettel geben wollte und stellte trocken fest, dass das eher an eine gothische Subkultur erinnere als an eine Demonstration. Und so wirkte es auch auf die wenigen Schaulustigen. Ein älteres Touristenpaar aus Portsmouth erkundigte sich höflich, was dass denn solle. Nun, erklärte der Anwalt, nur ein paar Verrückte die Spanien abschaffen wollen.

Ave Maria
Durch ein Megafon ertönte eine krächzende Stimme, lucha con nosotros, kämpfe mit uns! Es ruft der Friedhof der Kuscheltiere. 

Eine Stimme erklang, gar so lieblich und doch verzerrt. Aber die Melodie aus Kadenzen und Septakkorden einer Quetschkommode verriet die Herkunft. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde des Todes. Ein Amen für die abolición. Ergriffen wurde durch das blecherne Megafon verkündet, was für ein emotionaler Moment dieser doch gewesen sei, bestätigt durch bescheidendes in die Hände klatschen einzelner Jünger.
Bravo für ein Ave Maria

Doch wer aufmerksam zuhörte fragte sich, über wen reden die? Wer ist hier eigentlich der Sünder? Für wen wird so andachtsvoll gesungen? Wird nicht gerade die Kirche verflucht, weil sie zum Entsetzen der Stierkampfgegner keine Stellung gegen die tauromaquia bezieht? Oder zeigt sich eine Welle der Toleranz, eine heimliche Akzeptanz für kirchlich geistige Güter? Wohl kaum.

Wie der Zufall es wollte zog ein Prozession der Heiligen Jungfrau der Virgen de los Remedios vorbei. Begleitet von ihrer Bruderschaft, den Anhängern und den geistlichen Vertretern, die liebevoll ihre Jungfrau mit Verehrungshymnen besangen.

Der Blick fiel wieder zurück auf die Gothiktruppe, welche unbeeindruckt das Megafon lauter stellte um den Störenfrieden ja nicht die verbale Machtherrschaft auf dem Platz zu überlassen. Lucha con nosotros. Für wenige Minuten die Stimmen zu senken, um der Prozession mit ihrer Jungfrau den nötigen Respekt zu zollen, das kam ihnen wohl nicht in den Sinn.
Virgen de los Remdios
Singen von Ave Maria, sind ergriffen und wenn dann eine richtige Maria vorbeikommt wollen sie von ihr nichts wissen. Ein respektloser und unerzogener Haufen, polterte der Anwalt los. Ein elegant gekleideter Herr gesellte sich zu uns. Dies alles sehe irgendwie deprimierend aus, meinte er, also ob sie ihre eigenen Ideen zu Grabe tragen.
So sehen nicht überzeugte Demonstranten aus.
Und da standen sie nun, so ziemlich alleine gelassen. Sangen sich gegenseitig an und müssten doch gemerkt haben, dass sich eigentlich kaum einer für sie so richtig interessiert.

Siehe auch: Sympathie oder Mitleid für eine Antitaurina?