Freitag, 21. Dezember 2012

Top Toreros 2012

Wer waren denn nun die Besten in den ruedos der plaza de toros?

Immer zum Jahresende erscheinen verschiedene Statistiken die aber eigentlich wenig über die Wertigkeit eine matadores an Auskunft vermitteln. Da werden die Anzahl der corridas mit trofeos verknüpft und man kann vielleicht erahnen, ob es für den einen oder anderen torero eine gute temporada war oder nicht.

Besonders interessant ist es, wenn man die Zahlen der drei unterschiedlichen Kategorien der plaza de toros vergleicht. Die maestros, die es verstehen vor grossem Publikum wie Las Ventas zu triumphieren, tuen sich in den kleineren plaza de toros der dritten Kategorie durchaus schwerer. Das liegt wohl auch darin, dass der Anspruch dieser kleineren Veranstaltungen mehr dem Vergnügen gewidmet zu sein scheint als der arte de torear.

In den nachfolgenden Listen werden lediglich matadores de toros genannt, die in diesem Jahr an mindestens zehn corridas de toros mit je zwei toros teilgenommen haben. In Prozent wird die Wertigkeit der Trophäen wiedergeben, die die matadores in diesem Jahr mit ihren toros erringen konnten.

Beginnen wir mit der Königsklasse. Den plaza de toros der ersten Kategorie: Madrid, SevillaValencia, Bilbao, ZaragozaMálaga und Barcelona (derzeit von der katalanischen Regierung verboten):


Es folgt die zweite Kategorie, dabei handelt es sich um die plaza de toros in den Provinzhauptstädten, die pro Jahr mindestens 15 festejos taurinos und davon mindestens 10 corridas de toros organisieren.

In der letzten Gruppe befinden sich alle restliche plaza de toros von Spanien:


In der folgenden Tabelle sind alle drei Kategorien zusammengefasst.


Gewiss fehlt hier der Star unter den toreros, José Tomás. Er hat aber in Spanien an nur zwei corridas de toros teilgenommen. Er käme damit aber auf eine hohe Wertung. Mit 5 toros und 40 Prozent würde er in der 2. Kategorie den 2. Platz und in der Auflistung für alle Kategorien den 3. Platz belegen.

Samstag, 3. November 2012

Nobelpreisträger Vargas Llosa

Die toros zu kritisieren ist nur eine Modeerscheinung
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Bekenntnisse von Vargas Llosa


"Den toro bravo gibt es weil es die toros gibt. Ohne sie würde er aussterben. Er ist eine Schöpfung der fiesta taurina. Ein Tier mit Privilegien, mit unermesslicher Liebe überhäuft, auch wenn es die so genannten "Tierfreunde" leugnen."

"Die toros gehören zur kulturellen Manifestation eines Landes und ohne sie würden die Traditionen ziemlich ärmlich aussehen. Spanien trägt als Schlüssel in seinem Herzen zu seinen besten Traditionen die corrida de toros. Im ruedo wird unter Einsatz des Lebens Kunst und Schönheit geschaffen, die das Leben der menschlichen Konditionen symbolisiert."

"Die fiesta nacional ist eine reichhaltige Quelle der Inspirationen für alle spanischen Künste und Geisteswissenschaften."

"Die antitaurinos irren sich. Die Literatur ist voll von guten Beispielen, wie Lorca und Alberti, voller Genieeinfälle die wundervolle Texte über die corrida de toros niedergeschrieben haben, auch die 98ger-Generation, inklusive deren Kontrahenten wie Azorín."

"Zugegeben, die fiesta ist qualvoll, aber es ist doch so, dass das Leben selbst für sich qualvoll ist. Aber wehe, wir wenden Vegetarismus an. Alles was das Leben bietet, die Pflanzenwelt eingeschlossen, sollte respektiert werden, und so würde die Menschheit enden, sich von Batterien zu ernähern."

"Ich habe die toros stets verteidigt weil sie schon immer gewaltiger Angriffe ausgesetzt waren, orchestrale Kampagnen, und in den meisten Fällen mit politischem Hintergrund, denen es eigentlich gar nicht um die Verteidigung der Tiere geht, als vielmehr diese Verbote als politische Instrumente zu benutzen."

"Das Verbot der toros in Katalonien hat mich sehr bekümmert. Ich lebte sehr glücklich in Barcelona und war oft bei den toros. Das Verbot ist pure Politik: Ein Versuch zu zeigen, dass Katalonien nicht Spanien ist!"

"Die toros werden wieder nach Katalonien zurückkehren, es wird wieder katalanische toreros geben und die afición wird wieder die plazas füllen."

"Die toros zu kritisieren ist nichts anderes als eine Modeerscheinung!"

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Über den Verfasser

MARIO VARGAS LLOSA

1936 in Arequipa (Peru) geboren, gehört Vargas Llosa wohl zu den führenden Schriftstellern aus Lateinamerika. Er studierte Gestes- und Rechtswissenschaften in Lima und Madrid. Seinen ersten Roman "Die Stadt und die Hunde" erschien 1963. Er ist Ehrendoktor an zahlreichen Universitäten und hielt regelmässig Vorträge unter anderem in Harvard oder OxfordZahlreiche Auszeichnungen begleiten ihn auf seinem literarischen Weg. So erhielt er unter anderem 1995 den Jerusalempreis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft, 1996 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2010 den Nobelpreis für Literatur.


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Quellennachweise:
Eröffnung der Ausstellung "Arte y Cultura de Las Ventas", Madrid Mai 2012
Preisverleihung "Las Majas de Goyas", Madrid Oktober 2012

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Wenn der Maestro redet

Eine Seele aus Stahl
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Rede von José Tomas


Der matador de toros  José Pedro Prados Martín, bekannt unter dem Künstlernamen El Fundi hat seine Karriere als torero beendet. In seiner Heimatstadt Fuenlabrada (bei Madrid) wurde er für seine Tätigkeit als torero geehrt. Einer der Gratulanten war José Tomás, dessen Worte die afición bewegten:


Guten Abend
Ich muss sagen, obwohl dieses das erste Mal war, wo wir zusammen aufgetreten sind (Anmerkung: JT bezieht sich auf ein festival taurino de becerros in Comenar Viejo, siehe Foto unten)), aber in Wahrheit haben wir in den vergangen Jahren gemeinsam an einigen carteles teilgenommen. Und ich glaube genau das rechtfertigt meine Gegenwart heute hier, und ich denke diese Ehrung, so einfach und emotional wie sie ist, die Dir Deine Nachbarn, Deine Geburtsstadt, Deine Familie, Deine Freunde, Deine Kollegen widmen, um es mit den Worten von Don José Alfredo Jimenez zu sagen, einer der besten Komponisten der Ranchera Musik in der Welt, zumindest für mich, "Man muss nicht der Erste sein, aber man sollte wissen wie man ankommt" 

Applaus durch das Publikum.

Colmenar Viejo: (JT rechts, El Fundi in der Mitte)
Und ausserdem, bist Du über einen Weg angekommen, voller Mut, und vor allem mit vielen Werten. Werte wie der Ehrlichkeit, der Überwindung, der Aufopferung, der Verantwortung, der Feinfühligkeit, wie Du sie uns gerade zeigst . . . und vor allem mit der Loyalität Deinem Beruf gegenüber. Ich glaube, das dies alles Werte sind, die in der tauromaquia sehr gegenwärtig sein sollten, aber nicht alle sind mit ihnen so treu umgegangen wie Du.

Der maestro wischt sich unter der Zustimmung des Publikum die Tränen ab.

Der Weg eines Stierkämpfers, so denke ich, ist für keinen torero einfach. Deiner war es nicht, wie wir bei der Vorstellung Deines beruflichen Werdegangs durch Paco mitfühlen konnten. Aber Du hast uns beispielhaft gezeigt, wie man wächst, vor allem in der künstlerischen Fähigkeit, wie wir in Deinen letzten faenas bestätigt sehen. Und um genau das tun zu können benötigt man viel an Weisheit, noch mehr Geduld und eine Seele aus Stahl.
Als torero und Kamerad, möchte ich Dir heute meinen Respekt, meinen Stolz übermitteln. Meinen Respekt und meine Bewunderung zuerst, wie Du diesen Weg gegangen bist, und meinen Stolz dafür, dass ich ein Teil Deiner Nachmittage sein konnte, wo wir gemeinsam aufgetreten sind. Auf der anderen Seite der barrera zu stehen während ich auf meinen nächsten toro wartete, und dabei Dir beim toreo zuzusehen, war für mich purer Luxus.

Applaus.

Und ich will es gar nicht zu lange machen, das Einzige was ich mir wünsche ist, dass diese Seele aus Stahl, wie die Du sie Dein Eigen nennen kannst, einen neuen Weg finden wird, von welchem sie sich ernähren kann. 

Glückwunsch maestro.

Sonntag, 28. Oktober 2012

Mehr Schein als Sein?

Kann die taurinische Komission dass umsetzen, was man über Jahre hinweg versäumt hat?
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von Philip de Málaga


Seit einer Woche ist die Comisión Taurina del Ministerio de Cultura in Sachen tauromaquia aktiv geworden. Unter Leitung des vorsitzenden Rechtsexperten der Madrider Universität Complutense Don Juan Antonio Gómez Angulo wurden in den letzten Tagen, empresarios, toreros und ganaderos angehört um sich ein Bild von der gegenwärtigen Situation der toros in Spanien zu machen. Zwanzig Persönlichkeiten aus der mundo de los toros gaben sich ein Stelldichein und berichteten über ihre Probleme, ihre Sorgen und gaben ihre Visionen zum Besten. Zum Wochenende hin konnte Gómez Angulo eine durchaus positive Bilanz ziehen: "Wir haben sehr gut die eigentlichen Schwierigkeiten erkennen können und festgestellt, dass fast alle Bereiche der tauromaquia mit den selben Problemen konfrontiert sind. Dies macht die Aufgabe für uns leichter, entsprechende Lösungsansätze zu erarbeiten, damit wir in circa zwei Monaten einen kompletten Abschlussbericht vorlegen könnten."

Gómez Angulo
Zum einen gilt es die Kosten für die festejos taurinos in den Griff zu bekommen. Sie seien definitiv zu undurchsichtig und letztendlich auch zu teuer. Das Ziel muss es sein, dem Endverbraucher die fiesta nacional zu vernünftigen und vertretbaren Preisen anzubieten.

Auf der anderen Seite sei es angesagt, für einen taurinischen Zusammenhalt zu sorgen. Alle Beteiligten, sollten auf professionelle Weise am selben Strang ziehen, damit in erster Linie wieder die tauromaquia im Vordergrund stehe. Die Interessen einzelner Personen oder Verbände sollten sich im Hintergrund halten.

So weit so gut. Das klingt auch alles recht vielversprechend. Doch wie sieht es in der Realität aus? Sind solche Vorhaben überhaupt umsetzbar?

Auffallend ist, dass bei dieser Debatte die antitaurinos so gar keine Rolle spielen. Sie melden sich nicht mal zu Wort. Dafür wurden die Stimmen der aficionados lauter. Ob bei twitter oder Facebook, ob bei burladero oder mundotoro, nicht alle aficionados trauen dieser Komission eine positive Umsetzung zu. Dabei sehen sie ein mögliches Versagen gar nicht mal in der Unfähigkeit der Komission. sondern vielmehr in der steinzeitlichen Mentalität professioneller taurinos. Allen voran die der apoderados, der ganaderos und der empresarios. Was die hinter verschlossen Türen vereinbaren und absprechen, davon bekommt die afición, die Politik und schon gar nicht das Finanzamt irgend etwas mit. Die berühmten gefüllten Briefumschläge stehen noch immer auf der Tagesordnung. 

Und genau dieses Denken zu ändern liegt nicht in erster Linie in der Hand der Komission, sondern es sind die Hauptakteure selbst, die matadores, die darauf Einfluss nehmen sollten. Die Zukunft der tauromaquia sollte nicht mehr nur in geheimen Absprachen geplant werden, Manager sollten nicht mehr das alleinige Sagen haben, sondern die toreros selbst sollten mehr ihr eigenes Schicksal mitbestimmen und Einfluss auf die Zukunft der toros nehmen. Erst wenn es der Komission gelingt, die Zunft der toreros davon zu überzeugen, dass es in ihrer Hand liegt, wie es um die tauromaquia in den nächsten Jahren stehen wird, dann stehen die Chancen wirklich gross, dass die tauromaquia als Teil der spanischen Tradition aus der kulturellen Landschaft Spanien nicht mehr weg zu denken ist.

Und sehr wohl gibt es schon Licht im Tunnel. Denn bekannte matadores de toros wie El Juli, Talavante, Cayetano und José María Manzanares vertreten ihre Zunft nicht nur auf medialer und gesellschaftlicher Ebene sondern sind auch auf politischem Parkett präsent.

Samstag, 20. Oktober 2012

Bonhoeffer und die Stiere

Ein lutherischer Theologe und die mundo de los toros
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von Philip de Málaga


Es war ein besinnlicher, ein literarischer Nachmittag und ich selbst war vertieft in die Biografie über den Theologen Dietrich Bonhoeffer. Als von seiner Reise nach Spanien erzählt wurde stieg, was man wohl nachvollziehen kann, mein Interesse. Und als ich schliesslich auf Seite 30 folgende Zeilen lass, "Dem Stierkampf und seinem Ritus gewann er mehr ab, ...". hielt ich für einen Moment inne, bin ich hier im richtigen Buch? Bonhoeffer und die Stiere?

Ich forschte nach. Und schon gleich entdeckte ich in einer Buchkritik von Martin Dorenkamp: "Der vielfach distanziert und kalt wirkende Bonhoeffer mit seiner Leidenschaft für die frommen Verse von Matthias Claudius, der Begeisterung für den Stierkampf, dem Eintreten für die schwarzen Christen Amerikas und dann wieder dem Hang zur geistlichen Zucht." Bonhoeffer und die Stiere, da scheint wirklich etwas dran zu sein.

Im Februar 1928 reist Dietrich Bonhoeffer im Alter von zweiundzwanzig Jahren nach Katalonien, um dort einen Posten als Vikar in der ausländischen und vorwiegend kaufmännisch orientierten Gemeinde in Barcelona anzutreten. Und obwohl er sich hauptsächlich dem Vereinsleben der deutschen Kolonie widmete, fand er auch Interesse an dem Anderen. Den Weltenbummlern, den Vagabunden, Fremdenlegionären und sogar Tierbändigern, die dem Zirkus Krone auf der Spanienreise verloren gegangen sind. Schon zu Beginn seines Aufenhaltes in Barcelona begegnet er der mundo de los toros. Obwohl es bei seinem ersten Stierkampf zu diesem Zeitpunkt noch viel blutiger zuging als heute, denn damals trugen die Pferde der picadores noch keinen peto, war Bonhoeffer von diesem Spektakel gleich von Beginn an fasziniert. Eine Faszination die sein ganzes Leben anhalten sollte.
Eine Postkarte aus Barcelona: "Mit Matadorengruss"
Am Ostersonntag 1928 nahm ihn und seinen Bruder Klaus ein Lehrer der deutschen Schule mit zu einer corrida de toros. "Ich hatte schon vorher mal eine gesehen und kann eigentlich nicht sagen, dass ich von der Sache so abgeschreckt wäre, wie viele Leute meinen, es ihrer mitteleuropäischen Zivilisation schuldig sein müssen. Es ist doch eine grosse Sache wilde ungehemmte Kraft und blinde Wut gegen disziplinierte Courage, Geistesgegenwart und Geschicklichkeit ankämpfen und unterliegen zu sehen. Der Moment der Grausamkeit spielt doch nur eine geringe Rolle, zumal im vergangenen Stierkampf zum ersten Mal die Pferde Bauchschutz hatten, sodass die entsetzlichen Bilder der ersten corrida fehlten," schrieb Bonhoeffer im April 1928 an seine Eltern.

Es wäre wohl übertrieben Bonhoeffer als einen aficionado de toros zu titulieren. Trotzdem liess er mit seinem Bruder Klaus keine Möglichkeit aus, wo auch immer sie waren, eine corrida zu besuchen. Seine Zwillingsschwester Sabine lehnte die toros dagegen ab: "Nicht einmal geschenkt werde sie sich so etwas ansehen!"

Allein in der Erkenntnis, dass ein lutherischer Theologe sich für die toros begeistern kann, sehen sicherlich nicht wenige einen gewissen Widerspruch. Oder gerade deswegen gerechtfertigt? Schon ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die mundo de los toros sehr mit der katholischen Konkurrenz verbunden war und ist. Mehr noch. Im 16. Jahrhundert, begann mit der Verehrung des Jungfrauenkultes und den Heiligenentdeckungen zu den Stierfesten eine regelrechte Katholisierung der toros. Schliesslich setzte man den Stierkampf auch als ein deutliches Zeichen gegen die protestantischen Bewegungen aus dem Norden ein.

Doch Bonhoeffer sah es vollkommen anders. Nicht mit der Kirche sondern wegen der Kirche. Er sieht in der corrida das Pedant zur sonntäglichen Messe.
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"Ich denke, es ist kein Zufall, 
das im Lande des düsteren und schroffsten Katholizismus 
gerade der Stierkampf unausrottbar festsitzt." 

Dietrich Bonhoeffer
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Wieder zurück in Deutschland verliert er nichts an seiner Faszination für die toros. Seinen Schülern in Frankenfelde erzählte er nicht nur über die mundo de los toros, sondern er zeigte ihnen sogar die Manöver mit der capa und der muleta und demonstrierte Ihnen wie man den estoque führt, als ob der embrujo die lutheranische Theologie im alemannischen Gefilde erreicht hat.


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Quellennachweise:
EBERHARD RUGE, Dietrich BOnhoeffer, Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbeck 1976
WOLF DIETER ZIMMERMANN. Wir nannten ihn Bruder, Wichern Verlag, Berlin 2004
FERDINAND SCHLINGENSIEPEN, Dietrich Bonhoeffer 1906 -1945, Verlag C.H. Beck, München 2005
PHILIP DE MÁLAGA, Der katholische Stier, Juli 2012

Montag, 1. Oktober 2012

Seine letzten Worte


García Lorca über die mundo de los toros
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von Philip de Málaga


Wir schreiben den 10. Juni 1936. Das Jahr in dem Franco die Macht übernommen hatte. Doch vorher, an jenem Mittwoch veröffentlichte die Tageszeitung Diarios El Sol das letzte Interview mit dem spanischen Schriftsteller und Dichter Federico García Lorca. Im "Dialog mit García Lorca" (so der Titel) stand er mit seinem katalanischen Freund und Karikaturisten Luis Bagaría. Selbstredend ging es um Kunst, um arte, um Poesie, um das Glücklich sein, um Optimismus und eben auch um die mundo de los toros

Für García Lorca gäbe es in Spanien zwei Dinge von ausserordentlichem Wert: Der Gesang der Zigeuner und die toros.

"Der toreo ist höchstwahrscheinlich der größte poetische und vitale Reichtum Spaniens, der viel zu wenig Beachtung in der Literatur und der Kunst finde, welches sich mit einer falschen Erziehung erklären lässt, die uns zuteil geworden ist."
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"Ich glaube dass die toros heutzutage 
das kultivierteste Fest der Welt sind."

Federico García Lorca
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"Es ist ein pures Drama, wo der Spanier seine wertvollsten Tränen vergiesst, und dabei Gift und Galle speit. Es ist der einzige Ort wo man dem Tod begegnen kann umgeben von blendender Schönheit."

Zwei Monate später wurde Federico García Lorca als homosexueller Republikaner schuldig gesprochen und in Viznar in der Provinz Granada am 19. August 1936 hingerichtet.
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Quellennachweis:
Diarios El Sol, Diálogo con García Lorca, 10.06.1936

Freitag, 28. September 2012

José Tomás

Ein zeitloses Geschenk aus jener Stunde in Mexiko
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Poesie von Dominik Sachsenheimer 


Die Hände schwingen langsam
Als wäre dies ein Spiel

Der Kopf senkt sich, tief, trauernd
Der Welt Schmerz wiegt so viel.
In rosa gelbem Taumel
Erhebt man sich im Rund.
Der kleine Mann im Sande
Geht allem auf den Grund.

Man setzt sich und das rote
Tuch liebkost den Wind
Als wollt’ es die umgarnen
Die ausgezogen sind
Sich tanzend zu vermählen
In einem Schrei nach Zeit
Der jäh erschallt 
und träg verhallt
In Tod und Ewigkeit.

Wer hier das Biest ist 
Weiss man nicht
Denn beiden Tänzern stehen
Angst und Irsinn 
im Gesicht
Wenn sie sich vorwärts lehnen

Mann und Mythos schnauben leise.
Die Masse schaudert still.
Ein jeder weint auf seine Weise
Weil niemand enden sehen will
Was allzu selten man erlebt:
Das Hirn verstummt, 
die Lunge bebt
Das Herz holt Luft, 
die Seele schwebt.

Und später, Wochen später,
Der Degen längst versenkt,
Gedenkt man jener Stunde,
Die Zeitloses geschenkt.

Mexiko, den 4. November 2007
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Über den Autoren:
DOMINIK SACHSENHEIMER

Taurinische Biografie
  • 1989 - Erste novillada in Ondara (Valencia).
  • 1990 - José Maria Manzanares  in Dax (Frankreich) - "Live changing experience", wie der Spanier sagt.
  • Seit 1991 - aficionado de toros
  • Bis 2004 -  Pilgerfahrten zu corridas in Sevilla, Bilbao, Madrid, Pamplona, Santander, Burgos, Vitoria, Azpeita, Barcelona, Cordoba, Écija, Huelva, El Puerto, Málaga, Dax, Mont-de Marsan, Arles, Nimés und Beziers.
  • Seit 2004 - im amerikanischen Exil mit Ausflügen nach México D.F.,  Aguascalientes, León und Irapuato.
Besonders geschätzte toreros:
  • José María Manzanares (padre)
  • José Miguel Arroyo "Joselito"
  • Enrique Ponce
  • Luis Francisco Esplá
  • José Pedro Prados "El Fundi"
  • José Tomás
  • Morante de la Puebla
Bevorzugte ganadería:
  • Samuel Flores
Kommentar:
  • Alle Versuche als aficionado práctico grandios fehlgeschlagen. Aber man lernt ja schliesslich fürs Leben!



Dienstag, 25. September 2012

Apotheose

Rückblick auf den Jour de Gloire - José Tomás in Nimés
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von Torodora Gorges

Foto HJD
13.500 Menschen, die am vergangenen Sonntag im Colosseum von Nimes waren, stehen sicher noch genau wie ich unter dem Eindruck dessen, was sie als Augenzeugen miterleben konnten.  Im Internet (ein unverzichtbarer Segen für die aficionados, die nicht dabei sein konnten) sammeln sich zahllose enthusiastische  Kommentare zu diesem magischen Sonntagvormittag, in Wort und Bild. Wir können die einmaligen, unbeschreiblichen  Momente  in Fotos und Videos abrufen und nacherleben. Wer das Glück hatte dabei zu sein, wird diese Stunden für immer in der Erinnerung festgeschrieben erhalten. Unvergesslich, unwiederholbar ist der Tag; Einigkeit in der Begeisterung innerhalb der spanischen und französischen Presse.
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"Und wenn ich noch hundert Jahre leben könnte, 
würde sich so etwas Vergleichbares nie wiederholen."

Ein Journalist
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"Apotheose" und "Apocalypse now dans arénes de Nimes" titelt die Tageszeitung La Marseillaise, assoziiert Seligsprechung mit seiner Person: "Tomás beatifié".

Auch die Sportzeitungen erweisen dem torero und Fußballanhänger José Tomás (kurz JT) Referenz; mir gefällt besonders der kundige Beitrag in der MARCA: "Como un emperador en el Coliseo".

Während der Rückreise nach Deutschland im TGV sammelte und notierte ich meine Gedanken zu dem großartigen Ereignis der matinée des Vortags. Auf den Besuch der corrida am Sonntagnachmittag, die den Abschluss der Feria de Vendimia bildete, verzichtete ich. Ich hätte mich nicht auf El Juli und Sebastian Castella konzentrieren können. Ich hätte ihre Leistung nicht würdigen können und ihnen Unrecht getan, weil JT meine Fantasie und Gedankenwelt besetzt hielt.

Auch die zuvor besuchten corridas der Feria waren verblasst im Glanz des jetzt schon als historisch bewerteten Auftritts von 

José Tomás - el torero de este siglo.

Hier meine spontanen Notizen dazu:

¡JT, 6 toros 6 en solitario!
1 6 .    S e p t e m b e r    2 0 1 2
(11 orejas, 1 rabo symbólico)

Dank des heftigen Mistrals, der in den vergangenen Tagen geweht und den toreros die Arbeit mit den Tüchern erschwert hatte, war das Wetter am Sonntagvormittag von kristalliner Brillanz, das Colosseum sonnenbeschienen; der Sand glänzte goldfarben. Die ideale Kulisse für den Auftritt des toreros, den ich seit der corrida des Abschieds von der PlazaMonumental in Barcelona vor fast genau einem Jahr nicht mehr gesehen hatte. Mein Platz: Toril Bas B, Rang 3.

Große Aufregung, Unruhe, freudige Erwartung, Zeichen vorauseilender Nervosität in den Gesichtern der Besucher um mich herum, die während der drei vergangenen Nachmittage sympathische Nachbarn waren. Sie gehörten zur Internationale der afición a los toros, es wurde nicht nur Französisch oder Spanisch gesprochen. - Mit meinem freundlichen Sitznachbarn aus Norwegen, der obsessiv fotografierte, tauschte ich mich noch über die corrida des Vortags aus. Morante hatte es wieder einmal geschafft, ein ihm gewogenes Publikum zu brüskieren. Die Enttäuschung hatte sich in gewaltiger bronca entladen. Dennoch waren  die überzeugten, "wahren" Morantistas (wie ich und mein Freundin und der norwegische aficionado) der Meinung, dass er mit den Details, die er zeigen konnte, viel Glanz in die Feria gebracht hatte. 
  
Nun rückte der Zeiger der Uhr voran, es wurde stiller. Alle Blicke waren auf das Tor gerichtet, aus dem gleich JT und seine cuadrilla treten würde. "Corrida de expectación - corrida de decepción?!" flüsterte mir meine Freundin U. zu. Wir erhofften den guten Ausgang. Der große Uhrzeiger sprang auf die sechs - 11 Uhr 30 - das weiße Taschentuch des Präsidenten hing über der Brüstung.

Der Einzug von José Tomás löste gewaltig anschwellenden Begrüßungsapplaus aus. Dieser Mann wird verehrt und bewundert wie kein zweiter derzeit lebender torero; egal, was heute passiert, er hat schon jetzt den Rang eines Toreros de Epoca. Dass er die tödliche Verletzung in Mexiko überlebt hat, grenzte  an ein Wunder. Dass es ihm gelang, so weit zu gesunden, dass er sich der heutigen Herausforderung stellen konnte, empfand ich als großes Glück.  (Welche Arbeit, wieviel Liebe wurde dafür eingesetzt!?) Diese und ähnliche Gedanken löste der paseillo in mir aus. 

Was in JT vorgeht, was die messianischen Erwartungen seines Publikums in ihm auslösen, darüber erfährt man nichts. Zu keiner Zeit. Er redet in der Öffentlichkeit nicht. - Er nimmt die Ovationen mit Ernst, ohne Lächeln an. Ein Arzt (in Las Ventas oder einer anderen plaza?) verriet einmal, dass José Tomás selbst unmittelbar nach einer schweren Verletzung keinen erhöhten Blutdruck habe. Ob das seine Gelassenheit unterstützt?
Wir jedenfalls, das Publikum, zeigten unsere Aufregung, richteten unsere Aufmerksamkeit auf den toril, aus dem der erste Stier aus der ganadería Victoriano del Río rannte. Es war ein Vergnügen,  den Maestro bei seiner Capa-Arbeit zu beobachten. Die capa glänzte auffallend,  sie war mit Seide bespannt; wie später zu erfahren war, eine Sonderanfertigung für JT. - Die cuadrilla war in fantastischer Form, bestens aufeinander bezogen in allen Phasen. Eine ästhetische Choreographie! - Der Stier wurde dem Nimenser Publikum gewidmet, die montera fiel auf die "glückverheißende" Seite - dankbarer Jubel.
Der Stier läuft, José Tomás steht in gelassener Ruhe und lenkt ihn. Leichtigkeit, eine Art von Zärtlichkeit zwischen torero und Stier. Der Tod durch den Degen - auch der ohne forcierte Gewaltsamkeit und dennoch effektiv gesetzt - geschieht  ohne Qual und Leiden. Einen Todesstoß dieser Manier haben wir an diesem Vormittag noch bei vier anderen Stieren erlebt: gnädig, ohne brutale Anmutung! So könnte der Tod am Ende eines Lebens willkommen sein?!? In einer Tageszeitung bezeichnete man JT als "sacerdote"; ein Opferpriester, warum nicht?
José Tomás beeindruckte durch sein unerschöpfliches Repertoire und seine kreative Empathie! Für jeden der unterschiedlichen Stiere "erfand" er eine eigene Form des Umgangs. Der dritte toro z.B. protestierte mit lautem, herzzereißenden Muhen gegen die Behandlung durch die picadores und banderilleros, ließ sich dann aber durch JTmuleta in den Bann ziehen und zum Angreifen provozieren und konnte seine Klasse zeigen.

Integrato

Indulto für Integrato 
Der vierte Stier landete einen eigenen Überraschungscoup: Blitzschnell, die meisten Fotografen  konnten  nicht schnell genug ihr Objektiv darauf richten, sprang er in den callejón und erschreckte  die Menschen dort und in den Rängen. Ein Tor wurde geöffnet, er  fand den Weg hinaus in das Rondell, niemand war verletzt worden. - "Ingrato" aus der Zucht der Domeq (Parladé) erwies sich als ein echt wilder Stier, er "rang" mit seinem torero, vergeblich, um die Herrschaft über die seidene capote. Er zeigte bravura und Angriffslust und lief immer wieder in die muleta nach der Regie des Meisters. - Ingrato gefiel mir, er kämpfte. José Tomás erhob den Degen zum Todesstoß, er verharrte länger in dieser Stellung. Man hörte den Ruf "indulto". Man sah die ersten Taschentücher in den Rängen. JT setzte seine Pases mit dem Stier fort, schien einverstanden  mit dem Wunsch der Zuschauer, die immer heftiger nach Begnadigung des Stiers verlangten. Der zunächst unnachgibige Präsident willigte ein, als die bronca gegen ihn Orkanausmaße anzunehmen begann: das gelbe Tuch wurde über die Brüstung gelegt. - Erlöster Jubel und danach der simulierte Todesstoß, JT begleitete Ingrato zum toril. Freudentaumel des Publikums. - Ich dachte an den Herbst 2008, den indulto von Idilico in Barcelona, mein erstes Erlebnis der Begnadigung eines Stiers durch JT. Es hatte mich damals stärker ergriffen, erschien mir einzigartiger.  Über den heutigen indulto wurde auch nachträglich polemisiert! Dennoch: Ich freute mich, dass dieser wild-tapfere Stier von José Tomás ein zweites Leben geschenkt bekam.

Um mich herum sah ich Leute, die hüpften und tanzten und glücklich lachten und sich dessen versicherten, dass sie in ihrer Begeisterung nicht allein waren.

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"Johann Sebastian Bachs Kantate `Jauchzet - frohlocket!´
ging mir durch den Kopf"

Torodora Gorges
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Mein norwegischer Nachbar fürchtete, er könnte einem Herzinfarkt erliegen. Ich sollte ihn gegebenenfalls retten. Mon Dieu! Keine Frage! - Ich konnte seine Emotionen nachvollziehen!
Welchen Reichtum an Ideen entfaltete JT, um Schönheit und Würde "seiner" Stiere zu unterstreichen?!  - Wieder aufs Neue erlebte ich, dass er auf die begleitenden Pasodobles zu verzichten in der Lage ist. "La música callada del toreo" (José Bergamín) - und "concha y flamenca" mit einem Klarinettensolo - was unterstreicht den toreo puro mehr in der aktuellen Situation?

"Mu-si-ca" wird gefordert! JT braucht sie nicht, das weiß man schon lange. ER singt mit leiser Stimme - der eines Knaben - sein "to-rooo"!  Er bannt das Tier mit seinem liebevollen Singsang - in kleiner Terz: "To - rooo"!
"Leise zieht durch mein Gemüt liebliches Geläute". Dass dieses deutsche Lied Assoziationen zu  JT und der Fiesta de Toros beinhaltet, lässt sich kaum glauben.

Auch das Publikum im Coloseum von Nimes ließ sich zur Ruhe zähmen. José Tomás mit der fragilen Figur einer Statuette von Giacometti, bannt alle mit seiner mäßigenden Autorität zu einvernehmlicher Stille.

Dann der letzte - sechste - Stier, aus der Zucht Victoriano del Río, drahtig, widerspenstig, "hässlich". JT handhabte die muleta so riskant, dass wir uns an die Zeiten erinnerten, wo er uns regelmäßig in Furcht und Schrecken versetzt hatte mit jeder seiner actuaciones. Heftige Stiche der Angst erlebte ich, gegen die ich mich wehrte. Es raubte mir den Atem. Ich verstand dennoch, dass er diesen Stier nicht  "einfach so" gehen lassen konnte.  - Der Stier war extrem schwierig. Bisher waren wir im Colosseum der Tauro-Magie des JT vertrauensvoll gefolgt. "Kurzen Prozess" zu machen, war nicht seine Art. Er wählte seinen Weg, indem er den Stier auf sanfte Art bezwang. In Anmut!  - Killing him softly!


José Tomás lächelte. Er hatte uns während jeder Ehrenrunde ab dem  dritten Stier sein Lächeln geschenkt.  JT -   lächelt!
Foto HJD
Glück, Erlösung, Dankbarkeit - selige Fröhlichkeit - im Coloseum, in der ganzen Stadt Nimes!!
Foto HJD
Gracias, José Tomás!


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Über die Autorin
TORODORA GORGES

Die deutsche Autorin lebt in Frankfurt am Main wo sie als Psychotherapeutin tätig ist. Sie ist die erste deutsche Schriftstellerin, die eine Biografie über einen spanischen matador de toros geschrieben hat. Als leidenschaftliche morantista hat sie ihre Gedanken und ihre Passion über "ihren" torero Morante de la Puebla in Worte gefasst. Dabei ist es ihr gelungen den embrujo von Morante übers Papier nach Deutschland zu tragen. Ihr Portrait eines spanischen Künstlers wurde 2010 in Deutschland und 2011 in Spanien veröffentlicht.

In dieser Lektüre begegnet der Leser erneut José Tomás, wo sie von dem oben erwähnten indulto in der Monumental von Barcelona aus dem Jahr 2008 erzählt.

Auch auf ihrer Internetpräsenz torodoro versteht sie es den embrujo dem Besucher zu übermitteln, wo besonders der Tod des toreros Ignacio Sánchez Mejías im Mittelpunkt steht.