Dienstag, 27. Oktober 2009

Armut wegen Stierkampf?

Subventionen auf dem falschen Weg? So sehen es die Tierschützer

Es scheint nur verständlich, dass Tierschützer auch mit menschlichen Argumenten versuchen zu punkten. So reden sie häufig von einer Stierkampf-Mafia die Millionen verdient, oft auch wegen der Subventionen, und dass man mit diesem Geld wohl viel nützlichere Dinge anstellen könnte. Gerade in der letzten Woche wurde im Beitrag Der grosse Irrglaube: Stierkampf sei für den Tourismus! ein Kommentar darüber geschrieben: “Die Subventionen in Millionenhöhe für die Tauromaquia sollten besser dem spanischen Bürger zufliessen und nicht einigen wenigen Bonzen der Tauromafia”. Und weiter heisst es: “Mit all diesem Geld könnte man in Spanien Krankenhäuser modernisieren oder neu bauen, man könnte genügend ärztliches Fachpersonal bezahlen.” Von Klaus M. aus Bocholt erhielt ich ein Mail mit unter anderem folgendem Inhalt: “Es scheint mir unerträglich, dass es in diesen Zeiten in Europa immer noch so viel Armut gibt. Und statt die Gelder in solche modernen Gladiatorenspiele der Neuzeit, wie den spanischen Stierkampf zu verschwenden, sollte man sich um die Bedürftigen kümmern”. Öffentliche Gelder für Stierkämpfe, dass erzürnt wohl einige Gemüter.

Ungerechtfertigte Gehälter?

Die Zweifel, dass ein José Tomás bei seinem letzten Auftritt angeblich 400.000 Euros erhalten haben soll habe ich ja schon im Beitrag Wenn Wohltätigkeit weh tut! dargestellt. Aber wenn es so gewesen wäre, ist nicht nachzuvollziehen, warum dieses als “nicht vertretbar” interpretiert wird.

Ein berühmter matador de toros verdient im Verhältnis zu anderen Stars aus Sport und Showgeschäft relativ wenig. Es sind vielleicht gerade mal an die zehn toreros, wenn überhaupt, die da pro Auftritt 100.000 Euros oder mehr verdienen. So ein Stierkämpfer muss, gleichwie ein Fussballer, seinen möglichen Triumpf über Jahre hart erarbeiten. Und nur sehr wenige haben es auch wirklich geschafft.

Prioritäten oder schlechtes Gewissen?

Den Übel dabei sehen die Tierschützer wohl im Publikum. Würden diese nämlich ihre Gelder nicht zu den plaza de toros bringen, würde man der so genannten Stierkampflobby die Fundamente entziehen. Also will man den Besuchern, oder möglichen Besuchern ins Gewissen reden, sie informieren, welche Armut es auf der iberischen Halbinsel gibt. Sollte man das wirklich tun?

Jüngst sass ich mit Geschäftspartnern in einem gehobenen Lokal. Die Speisen waren köstlich genauso wie die Rechnung: Fast zweihundert Euros. Schließlich meinte Don Pedro: “Mit dem Geld hätten wir auch für ein halbes Jahr die Patenschaft von einem Kind oder von sechs Kindern für einen Monat übernehmen können”. Ein anderer rechnete weiter: “Und wenn man das umrechnet wären es insgesamt so zwischen 400 und 600 Speisen”. Wir stimmten zu und diskutierten über diese Thematik. Ist es nicht so, dass fast alles was wir machen, so wie wir leben, auch bei aller Bescheidenheit, im Vergleich zu restlichen Welt purer Luxus ist? Da könnte man hinterfragen, nur weil es so viel Elend gibt, sollte man zum Beispiel die besseren Lokale meiden? Nicht mehr bei Hermés einkaufen gehen oder BMW fahren? Darf man seinen kulturellen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden? Sicherlich nicht. Es sollte einem jedem selbst überlassen sein, nach ethischen oder religiösen Werten seine eigenen Prioritäten zu setzen, und sich nicht von Bestimmungen durch Dritte bevormunden zu lassen. Wohlgemerkt, in unseren Breitengraden jedoch unter Anerkennung demokratischer Werte und gesetzlichen Vorgaben.

Was sagt die Wirtschaft dazu?

Nicht alle Stierkampfarenen fahren kostendeckend oder gar gewinnbringend. Zum Beispiel Barcelona, Córdoba und Granada. Hier geht es in erster Linie um die Erhaltung der Tradition der tauromaquia.

Das trifft auch für Stierkämpfer zu. Ein Grund warum sich unter den banderilleros, den so genannten Hilfsstierkämpfern, zahlreiche gescheiterte matadores de toros oder novilleros befinden. Wie oben schon beschrieben, nur wenige schaffen den finanziellen Durchbruch und das gilt auch für viele empresarios.

Aber trotzdem ist der Stierkampf ein gewinnbringendes Geschäft. Direkt wie indirekt werden in Spanien Millionen an Euros umgesetzt. Und in Zeiten der Krise, die natürlich auch die tauromaquia eingeholt hat, scheint es nicht sehr sinnvoll, gerade jetzt einen funktionierenden kompletten Wirtschaftszweig einzustampfen.