Dienstag, 2. Februar 2016

Der Tag, an dem José Tomás wieder zum Menschen wurde



von Philip de Málaga
(Fotos: mundotoro)


Der mit Spannung erwartete Stierkampf in Mexico
wurde zu einem Tag der Stiere zum Vergessen
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Während in Deutschland die afición im Allgemeinen sich am letzten Wochenende erfreuen konnte, immerhin wurde Deutschland im Handball Europameiste und in Australian gewann mann das Tennis open. Doch die afición a los toros begegnete der Wirklichkeit. Einer Realität mit der kaum einer gerechnet hatte. Vor allem nicht erwarten wollte.

Oder waren die Erwartungen einfach zu hoch geschraubt?  Wollte man ein zweites Nîmes mit elf orejas noch einmal erleben? Träumte man von einer Wiederholung der Apotheose in Südfrankreich aus dem Jahre 2012? (Siehe SfA-Reportage: Apotheose). Und wenn viele ehrlich sind, ja, das haben wir erwartet. Einige sogar haben keine Kosten und Mühen gescheut, aus der ganzen Welt dorthin zu reisen, und viele spanische Printmedien hatten für ihre Montagsausgabe auch schon mal einen Platz auf der Titelseite reserviert. Doch es kam ganz anders.


Die Chronik einer traurigen Nacht, so betitelte das Portal mundotoro seine Berichterstattung, begann vor einer eindrucksvollen Kullisse. Agotado el boletajo, ausverkauft, wie man in México zu sagen pflegt. Und in der La Monumental de México der mexikanischen Hauptstadt sind das immerhin 41.262 Zuschauer in den tendidos.  Die grösste plaza de toros der Welt erwartet "den grössten" torero der Welt. Den Mythos José Tomás.

Vertikal und mit stolzer Brust betrat der matador de toros José Tomás das ruedo
Und da betrat der maestro José Tomás das ruedo, stolz, gerade und fast bewegungslos und von den Rängen wurde er mit stehenden Ovationen empfangen. Was kann ein torero von der afición mehr erwarten? Aber das war es auch schon. Denn der diestro aus Spanien hatte nur eines im Sinn. Sich selbst. Irgendwie schien er vergessen zu haben, dass bei einer corrida de toros, auch die toros im Mittelpunkt steht, und um nicht das aforo zu vergessen, welche teilweise nicht nur viel unternahmen um an die entsprechenden entradas zu kommen, sondern auch etwas erwarteten, wie die Übertragung von emotionalen Momenten und vielleicht gar dem duende. Spontan kommt dem Kenner und aficionado der maestro Enrique Ponce in den Sinn, welcher genau jene Kunst bestens und perfekt beherrscht. Jene Transmision, jene arte de torear welche José Tomás hat hier vermissen lassen.

Eine natural, doch irgendwie wirkt es alles distanziert, trotz der optischen Nähe.
Vor zwanzig Jahren feierte der heute vierzigjährige José Tomas hier in diesem Rund seine alternativa. Seinen Ritterschlag zum matador de toros. Von diesem Moment bescherte er vielen aficionados zu verschiedenen Momenten unvergessliche suertes, ob mit capa oder muleta, auch mit dem estoque verstand er es zu triumphieren.

Mit der capa eine Einheit bilden.
Doch an diesem tarde de toros war alles ganz anders.  Es sei, als ob zwischen Mensch und Stier sich ein Spiegel befände, so berichten spanische Kritiker, und der torero nur sich selbst im Sinne hatte.  Statt dem toro zu begegnen hätte er nur seinen eigenen Schatten im Visier gehabt. Was man zu sehen bekam war Technik, eine verónica, die auch ein Roboter hätte ausführen können. Das war kein toreo, schon gar kein arte del toreo sondern der torero für sich allein. Da kam der maestro vom taurinischen Olymp, hat seinen Mythos vergessen, oder nur diesen im Auge gehabt, und selbst die cogidas zeigten auf, zweimal hat ihn ein toro erwischt und zweimal ist er wieder aufgestanden, José Tomás ist nur ein Mensch, sterblich wie wir alle. Das kann auch die tragische und beinahe todbringende cogida von Aguascalientes vor wenigen Jahren nicht mehr gerade biegen.

José Tomás wird von einem toro erwischt.
Es gab tardes für die Ewigkeit. Dieser wurde für die Vergessenheit geschaffen. Oder der Sprung zurück in die Wirklichkeit? Der Millionen-Dollar-Torero, wie er in der Weltpresse beschrieben wird, nichts anderes als nur ein normaler Mensch? Wie auch immer, für ihn war es ein dunkler Tag, ein Tag zum Vergessen.

Joselito Adame mit einer verónica und einem toro der ganadería Los Encinas.
Aber es kam noch schlimmer. Wollte er hier in México gleich seiner alternativa erneut seinen Mythos bestätigen, welches als Spiegelbild eines leeren Ichs endete, so gelang es mit dem letzten toro dem mexikanischen Kontrahenten, der matador de toros Joselito Adame die fast 42.000 Seelen in den tendidos für diese enttäuschende Leistung zu entschädigen.

Dos orejas für den sich freuenden Sieger des Tages, für Joselito Adame
Und nicht gleich schlecht. Denn immerhin wurde der torero aus México mit dos orejas belohnt. Um nicht zu sagen, er beraubte ihm seines grossen tarde de toros. Und so war es auch in den mexikanischen Medien zu lesen: Joselito Adame triumphiert am Tag des José Tomás. Da schmerzt für einen torero um so mehr, seinen tarde mit pitos zu beenden, umso mehr, dass man in den spanischen Medien sich an die Namen seiner toros noch erinnert:  Bellotero, Platero und Romancero ... gezüchtet für das Vergessen.

Pitos von den Rängen können den maestro José Tomás nicht erfreuen.
Es war nicht sein Tag. In seinem Gesicht spiegelt das ganze Dilemma wieder.
Vom Olymp gekommen, verlässt er als Mensch die plaza de toros.
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Die corrida de toros im Überblick

La Monumental de México
No hay billetes, 41.292 Zuschauer
Toros der ganadería Los Encinas (1/4/6) und Fernando de la Mora, (2/3/5) ein sobrero (5) von Xajay
für die matadores de toros:
José Tomás: oreja (Proteste aus dem Publikum), ovación tras aviso,  pitos nach aviso.
Joselito Adame: ovación tras aviso, silencio, dos orejas