Dienstag, 7. Mai 2013

Indulto - wenn ein Stier begnadigt wird

Im Gegensatz zu den antitoristas haben zahlreiche matadores 
vielen Stieren das Leben geschenkt.
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von Colin Ernst 


Ein begnadigter Stier: toro indultado
(Foto: mundotoro)
Das größte Glück für einen torero ist es, einen toro zu begnadigen. Das heißt, der Stier verlässt die plaza de toros nach der corrida lebend und kehrt, zur Freude seines Züchters, auf seine heimischen Weiden zurück. Im Fachjargon ist dieses Tier nun ein indultado. Der toro hat seine Tapferkeit, sein Durchhaltevermögen und seine Kampfeslust unter Beweiss gestellt. Wer sich näher mit Stieren befasst, weiß um ihre Gefährlichkeit. Er ist gut bewaffnet, mit seinen spitzen Hörnern und er weiss sie zu gebrauchen. Schon auf der finca hat er sie benutzt, um seine Ranghöhe in der Herde von Jungstieren zu sichern. Nicht selten findet der Züchter morgens einen verletzten oder verblutenden Stier vor, der sich bei den nächtlichen peleas, eine tötliche Hornwunde, cornada, zuzog. 

Der matador de toros El Cid begnadigt einen toro
der Zucht Fuente Ymbro
(Foto: mundotoro)
Die Hörner dienen nicht nur zum Kampf oder Verteidigung, mit ihnen kann er sich auch hervorragend das Fell kratzen oder Erde aufwühlen. Das Horn ist keine tote Materie, im Inneren befinden sich Blutbahnen und Nerven, dadurch kann er mit dem Horn fühlen. Führt man sich all dies vor Augen, addiert noch 500 bis 600 Kilo Kampfgewicht hinzu, erkennt man, das der torero einem handfesten Gegner, in der Arena , gegenüber steht. Was ist nun gefährlicher? Das 70 Kilo schwere Männchen, eben der torero, bewaffnet mit einem roten Tuch, das von einer Holzleiste (palillo) gehalten wird und einem Trainingsdegen aus Holz oder Aluminium, welcher keineswegs zum Töten geeignet ist...? Der Degen aus Stahl, kommt nur im Moment der estocada zum Einsatz. Oder was ist mit dem flinken Kerlchen, das ihm mit zwei angespitzten Holzstöckchen gegenübertritt und dessen Überleben nur von seinem Geschick und seiner Schnelligkeit abhängt... Auch mit dem picador und seinem Pferd würde der Stier schnell fertig, wenn letzteres nicht durch den peto geschützt wäre. Den Reiter würde der Stier gleich mit erledigen, denn mit seinem rechten Bein in einem Eisenschuh, ist er nicht grade beweglich. Wie kann es also sein, das ein paar Männer, mit nicht grade tauglichen Waffen, mit diesen gut bestückten 600 Kilo Tier, welches eine Antrittsgeschwindigkeit von ca. dreissig Stundenkilometer hat, fertig werden? 

Der matador de toros Enrique Ponce begnadigt einen toro
der Zucht Juan Pedro Domecq
(Foto: mundotoro)
Der toro hat, auf Grund der, seitlich am Kopf stehenden Augen, einen beschränkten Blickwinkel. Dies hat der torero gelernt zu nutzen. Mit dem Tuch, dessen äußerer Zipfel vor dem äußeren Auge des Tieres, bewegt wird, gaukelt man ihm den Gegner vor. Eine falsche Bewegung mit der muleta entscheidet über Leben und Tod. Die Kunst, die sich daraus ergibt, das der torero mit dem toro einen wahrhaften Tanz vollführt, sieht man nicht immer. Denn ein Stier lernt schnell. Besonders die Miura-Stiere sind deswegen gefürchtet. Sie scheinen recht schnell zu merken, das hinter dem Tuch kein fester Gegner steht und beginnen ihn mit den Hörnern regelrecht zu suchen. Grade bei novilladas landen die noch unerfahrenen, jungen toreros oft mit einer cornada im Krankenhaus. Aber auch erfahrene matadores werden oft schwerst verletzt, wie letztlich El Juli, oder El Nico

Der matador de toros Enrique Ponce begnadigt einen toro
und führt die estocada ohne den estoque aus
(Foto: mundotoro)
Wie zu Anfang erwähnt, ist ein indulto für den Züchter, sowie für den torero das höchste Ziel. Es ist die Kunst des toreros  den Stier an sich zu binden, ihm durchweg vorzugaukeln, das dieser Tuchzipfel sein Wunschziel ist. Er muss ihn aus seiner querencia, seinem bevorzugten Platz in im ruedo herauslocken und ihn dann mit den schönsten pases präsentieren. Wer schon mehrmals corrida gesehen hat, hatte vielleicht das Glück, einen guten torero mit einem guten toro verschmelzen zu sehen, das Ganze unter den Klängen eines paso doble. Ein harmonisches Schauspiel unter dem Aspekt seiner Gefährlichkeit. Der Zuschauer hält den Atem an, fasziniert ergibt er sich dem "duende", mitunter reißt es ihn von seinem Sitz, unbemerkt hat sich ein "Olé" aus seiner Kehle geschlichen - ein Schauspiel, von dem man nicht möchte das es zu Ende geht. Das Publikum fordert die Begnadigung - Zuschauer, Züchter und torero halten den Atem an, alle Augen sind auf den Präsidenten gerichtet man wartet auf das orangene Tuch, mit welchen dies gewährt wird. Für den matador ist dies zugleich der gefährlichste Moment. Mit der muleta in der linken Hand, dirigiert er den Stier in die gleiche Stellung, wie sonst im letzten Akt. In der rechten Hand hat er keinen Degen, sondern er wird dem Stier, unbewaffnet wie er nun ist, in der gleichen Art wie er sonst den Degenstoß ausführt, mit der bloßen Hand die Stelle berühren, wo sonst der Degen eindringt. Zwischen den Hörnern durch, in die Mitte der Schulterblätter. Der Degenstoß im letzten Akt, ist schon oft Grund für den Aufenthalt des toreros in der enfermería gewesen... Der Jubel in der plaza bei solchen, seltenen Schauspielen, wo die faena exzellent, der Stier einen überdurchschnittlichen Kampf geliefert hat, ist unbeschreiblich. Die Freude des Publikums, des ganaderos und des toreros mit seiner cuadrilla, ist fühlbar, die plaza de toros vibriert. Der Name des toros geht in die Geschichte ein, angesichts seinen Nachkommen wird man sich seiner erinnern, an den gloreichen Tag, an dem er die höchste Prüfung, die Mensch und Tier miteinander bestreiten können, mit Bravur bestanden hat.
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Anmerkung von SfA:

Das indulto ist ebenfalls im reglamento taurino, also dem Regelwerk für Stierkämpfe, festgelegt. Dieses sollte nur dann gewährt werden, wenn der toro allen Manövern ohne zu zögern gefolgt ist und der matador wie auch der ganadero bzw. der verantwortliche mayoral einem indulto zustimmen.