Mittwoch, 3. April 2013

Begegnung mit den toros (7. Teil)

Ein Besuch in der Plaza Real del Puerto de Santa María und anderes ...
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von Colin Ernst 


Vor drei Jahren verschlug es mich zum erstenmal nach El Puerto de Santa María, kurz "El Puerto" genannt. Das Objetiv der damaligen Reise, wie immer: Die Welt des Sierkampfes näher kennen zu lernen.

Ganz optimistisch hatte ich mich damals in einer kleinen Pension, nahe der Plaza real del Puerto de Santa María eingemietet, im Januar... Schon am ersten Urlaubstag musste ich feststellen, alles war geschlossen. Die plaza war nicht zu besichtigen, ein museo taurino nicht vorhanden, frustiert drehte ich eine Runde um die imposante Arena, linste durch die Schlüssellöcher, um wenigstens einen winzigen Blick in das Innere zu erhaschen. 

Auf einer der zahlreichen Türen, entdeckte ich das kleine Schildchen "Escuela taurina - La Gallosina". Prima, dachte ich, eine Toreroschule, vielleicht kommt man ja da rein. Aber auch daraus wurde nichts, unter dem Schildchen klebte der Hinweis, bis Mitte Feruar geschlossen. Meine Laune sank auf Tiefpunkt, sollte ich soweit gereist sein, ohne auch nur einen Zipfel taurino zu sehen?


Die nächste Bar an der plaza angesteuert, vielleicht lernt man ja dort aficionados kennen? Ich wurde reich belohnt. Beim vorichtigen hereinlinsen in die Bar mit dem namen "Sol y Sombra", wurde mir klar, das dies genau das richtige Lokal für einen Stierkampffreund ist. Einfach ausgestattet, aber mit reichlich Fotografien und carteles an den Wänden, ein schöner Stierkopf ziert den Eingang. "Tango", lidiado von dem Lokalmatador schlechthin - Jose Luis Galloso. Ich verrenkte mir schier den Hals um die zahlreichen Fotos zu betrachten, viele mit Autogrammen bekannter Größen : Jose Tomás, El Cordobés etc. und natürlich auch von dem maestro puertuense Galloso. Als der Wirt, Antonio Cruz Jamás, mein offenkundiges Interesse bemerkte, forderte er mich auf, mir die Fotos aus der Nähe anzusehen. Ich war beeindruckt, zum einen von seiner Freundlichkeit, zum andern von den Fotos, auf denen auch er ab und an zu sehen ist. Mit keinem Geringeren, als Jose Tomás. Lächelnd erklärte er, mir, dem Greenhorn, das JT der beste torero von allen sei, er ist ein richtiger JT-Fan. Anhand der Bilder, erzählt er die Geschichten, die dahinter stehen. Der letzte Kampf eines maestros, oder der erste eines Newcomers. Die cornada, welcher der abgebildete torero sich nach dem Foto abgeholt hat, wie besonders die faena des Meister an diesem Tag, in der plaza von El Puerto war. Ich war hoch erfreut, einen Mann mit großem Wissen über den mundo taurino, kennen zu lernen. Das "Sol y Sombra" wird mein Stammlokal, dort läuft Stierkampf im TV und das Essen ist sehr gut. Antonio lieh mir die neuste Aplausos (Stierkampfzeitung) und hat mir, nachdem er mein echtes Interesse an allem bestätigt sah, sogar einige uralte Journale vom "El Burladero" zur Verfügung gestellt.


Auch in den Folgejahren, fuhr ich oft von Sanlúcar nach El Puerto, um ihn zu besuchen, sein rabo de toro ist ausgezeichnet und es immer wieder schön, sich mit ihm über die corridas auszutauschen. 

Diesmal erkläre ich ihm den Grund meines Besuches. Neben dem Wunsch, noch mehr Taurinoluft" zu schnappen, habe ich vor die Serie  "Auf den Spuren der toros und toreros" zu schreiben und erzähle ihm von der Webseite STIERKAMPF für ALLE. Er ist erstaunt, das es tatsächlich noch mehr "locos por los toros" in Deutschland gibt. Er ist von der alten Garde, das Internet hat ihn noch nicht erreicht, wohl aber seinen Sohn, der sich die Web kurz auf seinen Handy anschaut. "Doch, sieht gut aus", so sein Komentar, wohl wissend, das Antonio sich freut, das ein Foto von "seinem" JT auf der Startseite ist. Meine Fotos finden sie auch gut, besonders weil mein Konterfei neben der Skulptur von Paquirri zu sehen ist, welche hinter der plaza von El Puerto steht. Schade nur, das der Text in deutsch ist, aber man ist der Sache geneigt, ich darf Fotos machen und erzählen.

Im ersten Jahr meines Besuches in El Puerto und bei Antonio, erfuhr ich viel über die Zeit, wo noch nicht alles so professionell war, und Spanien grade anfing, sich von seiner Vergangenheit zu erholen. Und so lernte ich auch einen anderen Zeitzeugen aus dieser Epoche kennen, Pepe. Bei meiner "Beschwerde", weder plaza noch das museo taurino zu sehen zu bekommen, meinte Antonio, er wolle mal mit Pepe reden.... 

Nach ein paar Minuten Telefonat, verkündete er zufrieden, das es ein Museum gäbe, das ich besuchen könnte, ein privates. Es sei das private museo taurino des maestros Jose Luis Galloso. Eigendlich sei es über Winter stetz geschlossen, aber sein Freund Pepe hätte den Schlüssel und würde uns rumfühen. Das Museum befindet sich in der Bodega "El Cortijo", an der Straße, die am Hafen längst geht, kurz vor der Brücke, die nach Cádiz führt. Dort erwartete uns Pepe, ein liebenswerter Mensch, mit blitzenden blauen Augen, die immer strahlen, wenn es um Stierkampf geht. Er bereitete damals grade eine Gala vor, eine Preisverleihung, die im El Cortijo stattfinden sollte. Ausgezeichnet würden bekannte toreros und novilleros, für ihre gute faena in der Saison in der plaza von El Puerto. Aha...!? Damals wusste ich noch nicht, das viele Fanclubs, so genannte peñas, jedes Jahr, Auszeichnungen vergeben. Ähnlich wie beim Fussball, für das schönste Tor, gibt es Auszeichnungen für : Die beste Arbeit mit der capa oder der muleta, die beste, den besten toro oder novillo, den besten novillero, den besten picador und noch vieles mehr, was man so ehren kann. Pepe nahm sich viel Zeit, um uns das Museum und dessen kompletten Inhalt zu zeigen. Auch er ist mit Herz und Seele dabei, merkte ich beim aufmerksamen Zuhören. Das außergewöhnliche museo taurino zeigt ein ganzes Toreroleben. Das des maestros Galloso. Bilder von den mageren Jungs beim Üben, alte Schwarzweissfotos, vergilbte carteles, novillerocapas, banderillas, und Paradecapas, hinter Glaskästen  Trophäen, Degen, der Reisealtar und mein Lieblingsobjekt, ein alter Koffer, aus Leder, mit dem Namen des maestros und die Degentasche. Bestimmt 2 Stunden, wenn nicht mehr, verbrachten wir in diesen Räumen. Am Ende kauften wir dort ein Buch mit dem Titel Inedito - mundo del toro, das unsere wichtigste Lektüre wurde, für die nächsten 2 Jahre. Denn dieses Buch enthält soviele alte Fotos, von allem was mit der mundo de los toros zusammenhängt, das man auch ohne viel spanisch zu sprechen, viel davon hat.

José Luis Galloso
So hatten wir also noch einen Menschen gefunden, der uns die afición näher brachte. Es sind ganz besondere Menschen, bodenständig, herzlich und wenn es um maestro Galloso geht, schwingt ein neidloser Stolz in ihrer Stimme mit. Sie sind mit einander aufgewachsen, Antonio, Jose Luis, und Pepe. Zusammen haben sie, in einer Gruppe von circa zehn "Bengels" angefangen, auf der Strasse torero zu spielen. Damals war das, in Spanien, so wie bei den Deutschen, Fussballspielen auf der Strasse. Matadore waren ihre Idole, und denen eiferten sie nach. Ich fragte Antonio, wie es weiterging, warum er kein torero geworden sei. Seine Antwort ist sowas von ehrlich - jeder andere hätte Ausreden benutzt. Er musste mit dreizehn bis vierzehn Jahren arbeiten, da blieb kein Platz mehr für Spielchen und auch würden es in Zukunft keine Kälbchen mehr sein, denen man gegenüberstehe. Und dann hat man ja auch eine "novia" (Freundin)... - ein verschmitztes Lächeln zeigt sich da... Auch Pepe ging es ähnlich, aber er hatte doch etwas mehr Zeit, seinen Freund José Luis zu folgen. Er hat seinen Freund auf vielen Wegen begleitet.

Dieser Jose Luis Galloso muss aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt sein, denke ich. Antonio bestätigt dies. Viele von den Jungs, mit denen man auf der Strasse trainiert hatte wären nach und nach verschwunden. Nachts hätten sie sich tatsächlich auf die Weiden der ganaderias geschlichen, um sich einer Kuh, oder einem Jungstier zu nähern. Und eine Anekdote finde ich besonders nett, nämlich als er mir erzählt, wie Galloso sie beinahe mit seiner Besessenheit zur Weissglut gebracht hat. Im August, die Temperaturen in Andalusien, kochen einen bei über vierzig Grad, wartete José Luis vor dem Arbeitsplatz von Antonio. 15 Uhr mittags... Der Junge war froh, in die Siesta zu kommen und sein Freund fordert ihn auf, mit ihm zu trainieren.... "Von wegen, ich geh schwimmen, abkühlen, du bist doch verrückt, - trainieren bei dieser Hitze." Ich kann sie mir vorstellen, die beiden, wie sie auf dem Weg zum Meer diskutieren "vamos hombre" (gehen wir) ... Auch hätten sie ihn mehrfach "auf die Hörner genommen", beim Training, damit er vielleicht etwas die Lust verlöre, aber vonwegen, Galloso hätte nie nachgelassen. "Von uns allen hat es nur Einer geschafft , mit seiner Besessenheit", erklärt er beim Interview. Und eine andere Anekdote kommt durch Antonio ans Licht. "Als ich entschloss mit dem toreo aufzuhören, hatte ich eine capa, noch ganz neu. Die habe ich dann an ihn verkauft und mit dieser hat er seine erste novillada bestritten." Stolz schwingt in seinen Worten mit.

Auch beim diesmaligen Besuch, ist Pepe mit einer Gala beschäftigt, einer Buchpräsentation. Unser Freund Pepe ist nämlich der Präsident der peña taurina Galloso und der museo taurino. Er ist stolz darauf, wenn bekannte matadores "sein " museo taurino besuchen und bemerken, das es bei der Sammlung, der Qualität und Presentation, eines der reichhaltigsten und gepflegtesten in Spanien ist. Ich kann dies nur bestätigen. Kein Staubkorn ist zu finden, in den riesigen Hallen der Bodega, wo die Sammlung ausgestellt ist. Die ausgestopften Stierköpfe glänzen im Fell, wie am Tag der lidia. Die Messingschilder darunter sind auf Hochglanz poliert, die Scheiben der zahlreichen Vitrinen und Bilder sind mehr als durchsichtig. In einem seperaten Raum hängen auch die pañuelos, welche der Präsident, je nach Bedarf über seine Balkonbrüstung legt... Das Beste, das orangene, für den indulto eines toros, das blaue für den vuelta al ruedo für den toro, das rote (heutzutage micht mehr verwendete) für die banderillas negras oder banderillas de castigo, das güne Tuch, wenn ein Stier wegen Verletzung oder Unbrauchbarkeit mit den zahmen Ochsen aus der Arena geholt werden soll und das weiße, mit welchem er die corrida leitet und gegebenenfalls die trofeos für die matadores gewährt.

Natürlich sind hier noch mehr Fotos zu bewundern und im ersten Stock laufen die Vorbereitungen, eine Biblothek einzurichten. Weltklasse, da schließe ich mich dann ein! Pepe lacht, sein Mitstreiter, ein Cousin des maestros stimmt ein. Pepe hat noch eine ordentliche Sammlung zu Hause, auch über 2000 Videos sind dabei. Ich kann mir vorstellen, wie das aussieht..., seine arme Gattin in mitten von Taurinohistorias (Geschichten der tauromaquia), kaum Platz, den Besen oder den Kochlöffel zu schwingen. Naja, mein Schlafzimmer schrumpft ja auch mittlerweile und im Salon hängen schon die ersten Fotos (man will die Gäste nicht erschrecken). Wie dem auch sei, Pepe ist schwer beschäftigt und hat mir seine Hilfe zugesagt, falls ich etwas brauche, mein Novilleroprojet findet er gut und erzählt, das in Gallosos escuela taurina eine chica, ein Mädchen dabei sei, die dem maestro sehr viel Spass macht.

Seit vier Jahren hecheln wir einem Besuch in der plaza de toros von El Puerto hinterher. Immer war sie geschlossen. Naja, es war immer im Januar, diesmal ist es März. Das Wetter, welches uns viele Ausflüge verleidet hat, ist weiterhin launisch. So ziehen wir also los, mit Regenschirm und Regencape in der Tasche. Natürlich sind wir in unserem Eifer, mit deutscher Pünktlichkeit, zu früh dran. Die Tür ist zu, um fünf vor zehn. Natürlich drehen wir die obligatorische Runde um die plaza. 1880 erbaut, ist der coso ein schönes, imposantes Bauwerk. Details, wie die Kacheln an den Eingängen, das schöne Portal und die riesige Stierskulptur davor, so richtig was fürs Auge. Ich habe Fotos gesehen, aus der Zeit, wo noch keine Hochhäuser gebaut wurden, die Bodegas stehen weiter entfernt, heute ist jede Lücke gefüllt. Wir betreten die Arena durch den Haupteingang, die puerta grande. Der erste Eindruck ist vielversprechend. Schöne Stierköpfe ziehen den Eingangsbereich, man schaut ins geöffnete ruedo. Ich nehme den Schirm runter, die Brille ab - was schimmert da  im ruedo so grün, wo es doch eigentlich gelb sein sollte? Die plaza hat dank des Regens anscheinend einen Golfrasen bekommen. An einer Seitentür steht der Aufseher, auch ein aficionado, der hier die Aufgabe hat, Gäste im Auge zu behalten. Wir dürfen die plaza betreten. Trotz der großen Pfützen, kann ich es nicht lassen, bis in die Mitte zu gehen und einmal aussen rum, bis zum Knöchel im Schlamm. Im Vergleich mit Sanlúcar einfach nur riesig. Wie imposant sie ist, mit ihren Balkonen, im sol y sombra. Aber man sieht auch den Zahn der Zeit, der stetig nagt. Eine Vernachlässigung seitens des empresario. Jemand hat ihm wohl im letzten Jahr die Leviten gelesen, denn es sind Renovierungsarbeiten in Gange. Sie sind dringend nötig, nicht nur der Putz bröckelt. Im Eingang befindet sich auch das so genannte museo taurino, über das ich kein Wort verliere, nachdem ich das private von José Luis Galloso gesehen habe. In einem Teil der vernachlässigten Katakomben, befindet sich die private escuela taurina La Gallosina. - wie anders ist es doch in Sanlúcar, denke ich mir im Stillen.
                                                                                                   
Nun ist er mal wieder da, der Abschied. Ein letztes Mal, schauen wir in der Bar "Sol y Sombra" den Fernsehsender Canal Plus Toros, bewundern erneut die carteles und die Fotos, ein brindis, mit unserem Tinto auf Tango und die unzähligen toreros, die wir auf den Bildern sehen. Eine herzliche Umarmung und Schulterklopfen, ein letztes "suerte" was in diesem Fall Glück bedeutet, dann ziehen wir unseres Weges weiter, auf den Spuren der toros und toreros
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Anmerkung von SfA
Die plaza de toros von El Puerto de Santa María in der andalusischen Provinz Cádiz gehört zu den wenigen cosos der zweiten Kategorie, obwohl es sich bei diesem Ort nicht um eine Provinzhauptstadt handelt. Der Durchmesser der ruedos beträgt 58 Meter und sie bietet Platz für 12.687 Zuschauer. Sie wurde am 5. Juni 1880 mit den maestros Gordito, Rafael Molino und dem berühmten Largatijo eingeweiht.  Bekannt ist diese plaza de toros vor allem auch wegen dem Ausspruch des matador de toros José Gómez Ortega "Joselito" (1888 bis 1920) der seinerzeit mit Belmonte (1892 - 1962) zu den besten toreros gehörte: "Wer noch keine Stiere in El Puerto gesehen hat, weiss nicht was ein Tag mit den Stieren bedeutet."