Mittwoch, 31. Oktober 2012

Wenn der Maestro redet

Eine Seele aus Stahl
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Rede von José Tomas


Der matador de toros  José Pedro Prados Martín, bekannt unter dem Künstlernamen El Fundi hat seine Karriere als torero beendet. In seiner Heimatstadt Fuenlabrada (bei Madrid) wurde er für seine Tätigkeit als torero geehrt. Einer der Gratulanten war José Tomás, dessen Worte die afición bewegten:


Guten Abend
Ich muss sagen, obwohl dieses das erste Mal war, wo wir zusammen aufgetreten sind (Anmerkung: JT bezieht sich auf ein festival taurino de becerros in Comenar Viejo, siehe Foto unten)), aber in Wahrheit haben wir in den vergangen Jahren gemeinsam an einigen carteles teilgenommen. Und ich glaube genau das rechtfertigt meine Gegenwart heute hier, und ich denke diese Ehrung, so einfach und emotional wie sie ist, die Dir Deine Nachbarn, Deine Geburtsstadt, Deine Familie, Deine Freunde, Deine Kollegen widmen, um es mit den Worten von Don José Alfredo Jimenez zu sagen, einer der besten Komponisten der Ranchera Musik in der Welt, zumindest für mich, "Man muss nicht der Erste sein, aber man sollte wissen wie man ankommt" 

Applaus durch das Publikum.

Colmenar Viejo: (JT rechts, El Fundi in der Mitte)
Und ausserdem, bist Du über einen Weg angekommen, voller Mut, und vor allem mit vielen Werten. Werte wie der Ehrlichkeit, der Überwindung, der Aufopferung, der Verantwortung, der Feinfühligkeit, wie Du sie uns gerade zeigst . . . und vor allem mit der Loyalität Deinem Beruf gegenüber. Ich glaube, das dies alles Werte sind, die in der tauromaquia sehr gegenwärtig sein sollten, aber nicht alle sind mit ihnen so treu umgegangen wie Du.

Der maestro wischt sich unter der Zustimmung des Publikum die Tränen ab.

Der Weg eines Stierkämpfers, so denke ich, ist für keinen torero einfach. Deiner war es nicht, wie wir bei der Vorstellung Deines beruflichen Werdegangs durch Paco mitfühlen konnten. Aber Du hast uns beispielhaft gezeigt, wie man wächst, vor allem in der künstlerischen Fähigkeit, wie wir in Deinen letzten faenas bestätigt sehen. Und um genau das tun zu können benötigt man viel an Weisheit, noch mehr Geduld und eine Seele aus Stahl.
Als torero und Kamerad, möchte ich Dir heute meinen Respekt, meinen Stolz übermitteln. Meinen Respekt und meine Bewunderung zuerst, wie Du diesen Weg gegangen bist, und meinen Stolz dafür, dass ich ein Teil Deiner Nachmittage sein konnte, wo wir gemeinsam aufgetreten sind. Auf der anderen Seite der barrera zu stehen während ich auf meinen nächsten toro wartete, und dabei Dir beim toreo zuzusehen, war für mich purer Luxus.

Applaus.

Und ich will es gar nicht zu lange machen, das Einzige was ich mir wünsche ist, dass diese Seele aus Stahl, wie die Du sie Dein Eigen nennen kannst, einen neuen Weg finden wird, von welchem sie sich ernähren kann. 

Glückwunsch maestro.

Sonntag, 28. Oktober 2012

Mehr Schein als Sein?

Kann die taurinische Komission dass umsetzen, was man über Jahre hinweg versäumt hat?
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von Philip de Málaga


Seit einer Woche ist die Comisión Taurina del Ministerio de Cultura in Sachen tauromaquia aktiv geworden. Unter Leitung des vorsitzenden Rechtsexperten der Madrider Universität Complutense Don Juan Antonio Gómez Angulo wurden in den letzten Tagen, empresarios, toreros und ganaderos angehört um sich ein Bild von der gegenwärtigen Situation der toros in Spanien zu machen. Zwanzig Persönlichkeiten aus der mundo de los toros gaben sich ein Stelldichein und berichteten über ihre Probleme, ihre Sorgen und gaben ihre Visionen zum Besten. Zum Wochenende hin konnte Gómez Angulo eine durchaus positive Bilanz ziehen: "Wir haben sehr gut die eigentlichen Schwierigkeiten erkennen können und festgestellt, dass fast alle Bereiche der tauromaquia mit den selben Problemen konfrontiert sind. Dies macht die Aufgabe für uns leichter, entsprechende Lösungsansätze zu erarbeiten, damit wir in circa zwei Monaten einen kompletten Abschlussbericht vorlegen könnten."

Gómez Angulo
Zum einen gilt es die Kosten für die festejos taurinos in den Griff zu bekommen. Sie seien definitiv zu undurchsichtig und letztendlich auch zu teuer. Das Ziel muss es sein, dem Endverbraucher die fiesta nacional zu vernünftigen und vertretbaren Preisen anzubieten.

Auf der anderen Seite sei es angesagt, für einen taurinischen Zusammenhalt zu sorgen. Alle Beteiligten, sollten auf professionelle Weise am selben Strang ziehen, damit in erster Linie wieder die tauromaquia im Vordergrund stehe. Die Interessen einzelner Personen oder Verbände sollten sich im Hintergrund halten.

So weit so gut. Das klingt auch alles recht vielversprechend. Doch wie sieht es in der Realität aus? Sind solche Vorhaben überhaupt umsetzbar?

Auffallend ist, dass bei dieser Debatte die antitaurinos so gar keine Rolle spielen. Sie melden sich nicht mal zu Wort. Dafür wurden die Stimmen der aficionados lauter. Ob bei twitter oder Facebook, ob bei burladero oder mundotoro, nicht alle aficionados trauen dieser Komission eine positive Umsetzung zu. Dabei sehen sie ein mögliches Versagen gar nicht mal in der Unfähigkeit der Komission. sondern vielmehr in der steinzeitlichen Mentalität professioneller taurinos. Allen voran die der apoderados, der ganaderos und der empresarios. Was die hinter verschlossen Türen vereinbaren und absprechen, davon bekommt die afición, die Politik und schon gar nicht das Finanzamt irgend etwas mit. Die berühmten gefüllten Briefumschläge stehen noch immer auf der Tagesordnung. 

Und genau dieses Denken zu ändern liegt nicht in erster Linie in der Hand der Komission, sondern es sind die Hauptakteure selbst, die matadores, die darauf Einfluss nehmen sollten. Die Zukunft der tauromaquia sollte nicht mehr nur in geheimen Absprachen geplant werden, Manager sollten nicht mehr das alleinige Sagen haben, sondern die toreros selbst sollten mehr ihr eigenes Schicksal mitbestimmen und Einfluss auf die Zukunft der toros nehmen. Erst wenn es der Komission gelingt, die Zunft der toreros davon zu überzeugen, dass es in ihrer Hand liegt, wie es um die tauromaquia in den nächsten Jahren stehen wird, dann stehen die Chancen wirklich gross, dass die tauromaquia als Teil der spanischen Tradition aus der kulturellen Landschaft Spanien nicht mehr weg zu denken ist.

Und sehr wohl gibt es schon Licht im Tunnel. Denn bekannte matadores de toros wie El Juli, Talavante, Cayetano und José María Manzanares vertreten ihre Zunft nicht nur auf medialer und gesellschaftlicher Ebene sondern sind auch auf politischem Parkett präsent.

Samstag, 20. Oktober 2012

Bonhoeffer und die Stiere

Ein lutherischer Theologe und die mundo de los toros
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von Philip de Málaga


Es war ein besinnlicher, ein literarischer Nachmittag und ich selbst war vertieft in die Biografie über den Theologen Dietrich Bonhoeffer. Als von seiner Reise nach Spanien erzählt wurde stieg, was man wohl nachvollziehen kann, mein Interesse. Und als ich schliesslich auf Seite 30 folgende Zeilen lass, "Dem Stierkampf und seinem Ritus gewann er mehr ab, ...". hielt ich für einen Moment inne, bin ich hier im richtigen Buch? Bonhoeffer und die Stiere?

Ich forschte nach. Und schon gleich entdeckte ich in einer Buchkritik von Martin Dorenkamp: "Der vielfach distanziert und kalt wirkende Bonhoeffer mit seiner Leidenschaft für die frommen Verse von Matthias Claudius, der Begeisterung für den Stierkampf, dem Eintreten für die schwarzen Christen Amerikas und dann wieder dem Hang zur geistlichen Zucht." Bonhoeffer und die Stiere, da scheint wirklich etwas dran zu sein.

Im Februar 1928 reist Dietrich Bonhoeffer im Alter von zweiundzwanzig Jahren nach Katalonien, um dort einen Posten als Vikar in der ausländischen und vorwiegend kaufmännisch orientierten Gemeinde in Barcelona anzutreten. Und obwohl er sich hauptsächlich dem Vereinsleben der deutschen Kolonie widmete, fand er auch Interesse an dem Anderen. Den Weltenbummlern, den Vagabunden, Fremdenlegionären und sogar Tierbändigern, die dem Zirkus Krone auf der Spanienreise verloren gegangen sind. Schon zu Beginn seines Aufenhaltes in Barcelona begegnet er der mundo de los toros. Obwohl es bei seinem ersten Stierkampf zu diesem Zeitpunkt noch viel blutiger zuging als heute, denn damals trugen die Pferde der picadores noch keinen peto, war Bonhoeffer von diesem Spektakel gleich von Beginn an fasziniert. Eine Faszination die sein ganzes Leben anhalten sollte.
Eine Postkarte aus Barcelona: "Mit Matadorengruss"
Am Ostersonntag 1928 nahm ihn und seinen Bruder Klaus ein Lehrer der deutschen Schule mit zu einer corrida de toros. "Ich hatte schon vorher mal eine gesehen und kann eigentlich nicht sagen, dass ich von der Sache so abgeschreckt wäre, wie viele Leute meinen, es ihrer mitteleuropäischen Zivilisation schuldig sein müssen. Es ist doch eine grosse Sache wilde ungehemmte Kraft und blinde Wut gegen disziplinierte Courage, Geistesgegenwart und Geschicklichkeit ankämpfen und unterliegen zu sehen. Der Moment der Grausamkeit spielt doch nur eine geringe Rolle, zumal im vergangenen Stierkampf zum ersten Mal die Pferde Bauchschutz hatten, sodass die entsetzlichen Bilder der ersten corrida fehlten," schrieb Bonhoeffer im April 1928 an seine Eltern.

Es wäre wohl übertrieben Bonhoeffer als einen aficionado de toros zu titulieren. Trotzdem liess er mit seinem Bruder Klaus keine Möglichkeit aus, wo auch immer sie waren, eine corrida zu besuchen. Seine Zwillingsschwester Sabine lehnte die toros dagegen ab: "Nicht einmal geschenkt werde sie sich so etwas ansehen!"

Allein in der Erkenntnis, dass ein lutherischer Theologe sich für die toros begeistern kann, sehen sicherlich nicht wenige einen gewissen Widerspruch. Oder gerade deswegen gerechtfertigt? Schon ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die mundo de los toros sehr mit der katholischen Konkurrenz verbunden war und ist. Mehr noch. Im 16. Jahrhundert, begann mit der Verehrung des Jungfrauenkultes und den Heiligenentdeckungen zu den Stierfesten eine regelrechte Katholisierung der toros. Schliesslich setzte man den Stierkampf auch als ein deutliches Zeichen gegen die protestantischen Bewegungen aus dem Norden ein.

Doch Bonhoeffer sah es vollkommen anders. Nicht mit der Kirche sondern wegen der Kirche. Er sieht in der corrida das Pedant zur sonntäglichen Messe.
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"Ich denke, es ist kein Zufall, 
das im Lande des düsteren und schroffsten Katholizismus 
gerade der Stierkampf unausrottbar festsitzt." 

Dietrich Bonhoeffer
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Wieder zurück in Deutschland verliert er nichts an seiner Faszination für die toros. Seinen Schülern in Frankenfelde erzählte er nicht nur über die mundo de los toros, sondern er zeigte ihnen sogar die Manöver mit der capa und der muleta und demonstrierte Ihnen wie man den estoque führt, als ob der embrujo die lutheranische Theologie im alemannischen Gefilde erreicht hat.


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Quellennachweise:
EBERHARD RUGE, Dietrich BOnhoeffer, Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbeck 1976
WOLF DIETER ZIMMERMANN. Wir nannten ihn Bruder, Wichern Verlag, Berlin 2004
FERDINAND SCHLINGENSIEPEN, Dietrich Bonhoeffer 1906 -1945, Verlag C.H. Beck, München 2005
PHILIP DE MÁLAGA, Der katholische Stier, Juli 2012

Montag, 1. Oktober 2012

Seine letzten Worte


García Lorca über die mundo de los toros
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von Philip de Málaga


Wir schreiben den 10. Juni 1936. Das Jahr in dem Franco die Macht übernommen hatte. Doch vorher, an jenem Mittwoch veröffentlichte die Tageszeitung Diarios El Sol das letzte Interview mit dem spanischen Schriftsteller und Dichter Federico García Lorca. Im "Dialog mit García Lorca" (so der Titel) stand er mit seinem katalanischen Freund und Karikaturisten Luis Bagaría. Selbstredend ging es um Kunst, um arte, um Poesie, um das Glücklich sein, um Optimismus und eben auch um die mundo de los toros

Für García Lorca gäbe es in Spanien zwei Dinge von ausserordentlichem Wert: Der Gesang der Zigeuner und die toros.

"Der toreo ist höchstwahrscheinlich der größte poetische und vitale Reichtum Spaniens, der viel zu wenig Beachtung in der Literatur und der Kunst finde, welches sich mit einer falschen Erziehung erklären lässt, die uns zuteil geworden ist."
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"Ich glaube dass die toros heutzutage 
das kultivierteste Fest der Welt sind."

Federico García Lorca
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"Es ist ein pures Drama, wo der Spanier seine wertvollsten Tränen vergiesst, und dabei Gift und Galle speit. Es ist der einzige Ort wo man dem Tod begegnen kann umgeben von blendender Schönheit."

Zwei Monate später wurde Federico García Lorca als homosexueller Republikaner schuldig gesprochen und in Viznar in der Provinz Granada am 19. August 1936 hingerichtet.
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Quellennachweis:
Diarios El Sol, Diálogo con García Lorca, 10.06.1936