Dienstag, 26. April 2016

Francis Bacon und seine letzte Faena in Madrid





von Philip de Málaga



Der Stierkampf als letztes Werk von Francis Bacon?
Über seine Prophezeiung des Staubes und sein eigenes Ende
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Wir schreiben den 28 April 1992. Es ist 8:30 Uhr und im Hospital Rüber in der spanischen Hauptstadt Madrid stirbt der irische Maler Francis Bacon im Alter von 82 Jahren an einem Herzinfarkt.

Den taurinischen Kennern der Kunstszene dürfte Bacon vor allem wegen seiner Studie über Stierkampf aus dem Jahr 1969 bekannt sein. Obwohl der Künstler den festejos taurinos, dem bullfight, wie man in seiner Sprache sagt, am Anfang eher distanziert gegenüberstand, hatten diese für ihn trotzdem eine gewisse Faszination. Später, so ab 1976, durch die Freundschaft mit dem surrealistischen Schriftsteller und aficionado de toros Michel Leiris, entwickelte Bacon mehr Leidenschaft, mehr Tiefe für die tauromaquia. Vor allem der Blick in das Zentrum des Geschehens, in das Herz eines ruedos während einer corrida. Was ist es, was genau geschieht in jenem ruedo? Was bekommt man dort zu sehen? Ist es der Kampf auf Leben und Tod, oder reflektiert sich hier gar eine leidenschaftliche Liebe? Mit Sicherheit eine Ambivalenz, welche man in zahlreicher seiner Werke begegnet. Wie der Betrachter es auch bewerten will, hier zeichnet Bacon genau das auf, was im toreo sich widerspiegelt. Nämlich die Tatsache, dass der torero genau das tötet, wozu er ein besonderes Verhältnis der Zuneigung hat, den toro.

Study for a Bullfight No 1 (1969)
In diesem Ölgemälde sind der torero und der toro dazu übergegangen einen gemeinsamen, einen neuen Körper zu bilden, eine Einheit zwischen Mensch und Tier. Ein neues Wesen, welches aber noch von dem Menschen, durch den emporragenden Kopf ohne menschliche Züge im Gesicht, kontrolliert wird.

Das erinnert an die Aussage des matadores de toros Juan Belmonte (1892 bis 1962), der mal sagte: "Wenn ich im ruedo stehe, bilde ich mit dem toro eine Einheit. Wir beide sind eins. Ich bin ganz mit ihm vereint und nehme das Publikum in den tendidos gar nicht wahr. Nur der toro und ich."

Und jetzt, fast fünfzig Jahre später, fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod, taucht ein weiteres Werk Bacons auf, welches sich ebenfalls mit der tauromaquia auseinander setzt. Der Kunsthistoriker Martin Harrison entdeckte durch Zufall in einer ziemlich geheim gehaltenen Privatsammlung noch eine Studie zum Thema der toros.

Study of a bull (1991)
Jenes Gemälde wird eindeutig seiner letzten Phase zugeordnet. Laut Harrison sei es sogar sein letztes künstlerisches Werk gewesen. Aus jener Periode, wo Bacons Werke stets dunkler wurden, das Licht welches er sah immer schwärzer.

"Wenn einer jemals eine corrida gesehen hat" so Bacon," dann vergisst er das nie". Das espectáculo taurino als unvergessliches Ereignis, ganz gleich, wie man dazu steht. Und so scheint es, dass der in Dublin geborene Künstler mit diesem Werk auf seiner Bühne zum letzten Mal Stellung bezieht. Gleich dem toro auf dem Gemälde, welcher zu seiner letzten faena antritt. Der toro kam zum sterben, Bacon betrat das Hospital in Madrid, ebenfalls ohne Hoffnung. Der Alkohol, das Asthma und die Operation, da konnte man nichts Gutes erwarten, und Bacon wusste es.

Der Künstler verwendet bei seinem zwei Meter hohen Werk Staub aus seinem Studio in Kensington, welches er im Bereich des toros einsetzt. Ein Symbol, ein Anzeichen auf den bevorstehenden Tod, so Harrison, und er erinnert sich an Überlegungen von Bacon. "Der Staub ist ewig. Schliesslich werden wir alle wieder zu Staub!"

Ob er wirklich wusste, dass sein persönlicher momento de verdad gekommen war? Der genaue Entstehungszeitpunkt seines letzten Werkes ist unbekannt. Doch seine faena endete wie eine jede. Ohne ein indulto.

Geblieben ist ein Werk eines toros, der das ruedo betritt. Der Beginn einer Dramaturgie nach bestimmten Regeln, mit vorhersehbarem Ende. Nach der Einigung kam der Tod. Bestimmt und sicher, und man endet im Staub.

Doch die erste körperliche Vereinigung zwischen toro und torero aus dem Jahr 1969 wurde am 14. November 2007 bei einer Versteigerung im Hause Sotherby von New York immerhin für die stolze Summe von 22 Millionen Pfund (ca. 28 Millionen Euro) unter den Hammer gebracht. Was wird wohl die jüngste Entdeckung von Harrison bringen?

22 Millionen Pfund bei Sotherby s in New York für ein Bild der tauromaquia
Nachdem der Maler in Madrid verstorben war, wurde sein Leichnam eingeäschert und sein "Staub" in England verstreut.

Ein weiteres Beispiel wie Kunst und Tauromachie ineinander verschlungen sind. Das eine liebt das andere. Begehrt es, sucht und findet die jeweilige Faszination. Francis Bacon suchte die Bewegung des Körpers. Der Maler benutzte dazu seine Hände, der torero seinen Körper. Die Kunst der Figurendarstellung liegt bei beiden Künstlern in den Händen, der eine mit dem Pinsel, der andere mit der muleta. Der Maler wie der lidiador bedienen sich an Bewegungsabläufen, von Sequenzen menschlicher und tierischer Körper, dem Nebeneinander offensichtlich zusammenhängender Körperstellungen, lieb gewonnener Einheiten,  dem Tod oder der Liebe geweiht.

Mit der Bewegung von muleta und Pinsel Kunstwerke erschaffen
Die Künstler bewegen sich wie im Rausch. Die Hand gleitet über die Leinwand und am Körper vorbei streicht der temple. Olé. Der duende erreicht den Betrachter. Die einen vor dem Meisterwerk der Kunst in den Gallerien oder Museen, die anderen in den tendidos der plaza de toros, welche mit strengen Augen das Geschehen im ruedo beobachten. Puerta grande für die artistas.