Dienstag, 30. April 2013

Toros im eigenen Garten?

Über Claude Mounic, der seinen Garten in eine plaza de toros umwandelte
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von Philip de Málaga und Ursula de Baden


Toros im eigenen Garten? Zur Zucht könnte man sich gerade mit viel Phantasie vorstellen, aber gleich um mehrere festejos taurinos zu organisieren, fällt schwer zu glauben. Und doch entspricht es der Wahrheit. In der damals etwas grösser als 1.000 Seelengemeinde Salleboeuf bei Bordeaux in Frankreich machte Claude Mounic seinen Traum zur Realität.

Claude Mounic
Er fing an sich für die mundo de los toros zu begeistern und wurde zum leidenschaftlichen aficionado. Doch nur in den tendidos zu sitzen um den corridas beizuwohnen, oder die toros im Fernsehen zu schauen war ihm einfach zu wenig. Er wollte mehr. Er wollte selbst solche novilladas veranstalten. Dass ihm die Rolle eines empresarios in einer plaza de toros verwehrt bliebt hielt ihn aber nicht davon ab, seinen Weg trotzdem zu gehen. Als dann 1970 die plaza de toros von Le Bouscat abgerissen worden ist, blickte er in seinen Garten und stellte fest, dann machen wir es eben hier. Doch die Sache hatte einen Haken, dem Bürgermeister gefiel diese Idee so ganz und gar nicht.

Garten der toros
Claude Mounic war Mitglied des Cercle taurin Goya mit seinen hundertvierzig leidenschaftlichen Anhängern der mundo de los toros. Und als der Franzose seinen Gefährten von der Idee erzählte waren alle hellauf begeistert. Man beschloss das Projekt anzugehen. 1973 reichte man auf offiziellem Wege den Antrag für die Bauerlaubnis ein. Und obwohl diese noch nicht vorlag begannen sie den Garten von Mounic in eine plaza de toros umzuwandeln. Ganze zwei Jahre hat es gedauert, bis eine runde Mauer mit montierten Sitzplätzen erkennen liess um was es sich hier handelt: Ein ruedo für die toros. Die plaza war also fertig, aber eine Erlaubnis vom Rathaus lag immer noch nicht vor.


Roberto Bermejo aus Zaragoza
Es vergingen weitere sieben Jahre und die Herren der öffentlichen Ämter hüllten sich immer noch in Schweigen und so beschloss man Nägel mit Köpfen zu machen, und setzte für den 8. Mai 1982 die erste novillada an. Und richtige toreros gaben sich ein Stell dich ein: Die Franzosen Didier Godin, Tonio Rivas, Gitanillo und der Spanier Roberto Bermejo. Die novillos kamen von der ganadería Amparo de Gajac de Bazas.

Doch bevor die novillada sin picadores beginnen konnte gab es ein anders Problem zu bewältigen. An die fünfzig antitaurinos versuchten zu stören um das festejo taurino zu verhindern. Schliesslich sogar mit der Unterstützung der Gendarmerie. Obwohl es sehr gewalttätig zuging, und der novillero Tonio Rivas schwer verletzt und blutend ins nahe liegende Hospital gebracht, wurde, machten die mehr als sechshundert aficionados unmissverständlich klar, dass sie sich hier nicht davon abringen lassen ihrer pasión nachzugehen. Immerhin sei dieses auch ein Privatgrundstück. Gesagt, getan, die novillada fand statt. 

In den nächsten acht Jahren veranstaltete der Cercle taurin Goya alle zwei Monate eine novillada sin picadores mit fast immer denselben novilleros und preiswerten entradas. Erst 1990 beschloss die Präfektur diesen illegalen corridas ein jähes Ende zu bereiten, und forderte den Verein auf, unverzüglich die festejos taurinos einzustellen. Schweren Herzens folgte der Cercle taurin Goya dem städtischen Anliegen. Die privaten novilladas waren hiermit beendet.

Doch so ganz wollte sich Claude Mounic nicht geschlagen geben. Wenige Jahre später begann er an einer anderen Ecke seines Grundstück ein riesiges Loch, mit einem Durchmesser von fünfzig Metern auszuheben. Rund herum, oben auf der Böschung hatte er Sitzreihen befestigt. 1990 war seine neue plaza de toros fertiggestellt und erneut stellt sich die Präfektur quer. Und so verkauft der resignierte Franzose sein Grundstück.

Doch einen kleinen Wermutstropfen gab es trotzdem. Der Bauträger, der das Grundstück erworben hatte nannte den Platz "Allée des Arénes", in Andenken an die novilladas von Claude Mounic
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SfA bedankt sich bei Ursula de Baden aus Österreich, 
welche mit ihrem Einsatz und ihren Recherchen zu diesem Thema
diese Reportage überhaupt erst ermöglicht hat.

Montag, 29. April 2013

Der User ist der Protagonist von Tentaero





mit Jorge Machuca Charro


Der 46-jährige Madrilene wohnt seit fünfundzwanzig Jahren im andalusischen Puerto de Santa María und dort fühlt er sich mittlerweile auch zuhause. Der lizenzierte Jurist ist seinem erlernten Beruf nie nachgegangen und hat sich im spanischen Wirtschaftsleben integriert. Seit fünfzehn Jahren arbeitete er mit Juan Luis Cabeza an verschiedenen Projekten, bis sie gemeinsam im letzten Sommer die Firma Kurro World S.L. gründeten, aus der heraus das heutige soziale Netzwerk Tentaero entstand. Jorge Machuca Charro stellt sich den Fragen von Philip de Málaga.

SfA: Wie ist die Idee eines sozialen Netzwerkes für die mundo de los toros enstanden?

Das Logo des neuen sozialen Netzwerkes
Jorge Machuca: Die Entstehung von Tentaero ist eigentlich recht kurios. Mein Geschäftspartner Juan Luis Cabeza und ich hatten damals ein Projekt begonnen, was überhaupt nichts mit den toros gemeinsam hatte, bis wir José Manuel Molina, von der Firma Pages (Real Maestranza de Sevilla) trafen. Er war es, der uns darüber informierte, dass die mundo de los toros eigentlich eine Plattform benötigte, wo sich die aficionados untereinander frei austauschen konnten, die Möglichkeit haben ihre Gefühle auszudrücken und ihrer Pasion nachzugehen, ohne ständig von antitaurinos bedroht und beleidigt zu werden. Nach den entsprechenden Marktstudien beschlossen wir, uns auf dieses "Heilige Abenteuer" einzulassen.

SfA: Wie kam es zu dem Namen?

Jorge Machuca: Das ist ganz einfach. Dabei handelt es sich um einen taurinischen Begriff, tentadero, aber eben nur andalusisch ausgesprochen. Wir rühmen uns der andalusischen Wurzeln und wollen den Namen unserer Erde auf diese Weise in die Welt tragen.
Jorge Machuca
nämlich

SfA: Was ist das Hauptziel von Tentaero?

Jorge Machuca: Unser Hauptanliegen ist die Verteidigung, die Förderung und die Verbreitung der wesentlichen Werte der mundo de los toros. Dabei ist unserer wichtigste Anliegen, dass der User der wichtigste Protagonist von Tentaero sein soll. Er ist derjenige, der letztendlich den Inhalt des Portals bestimmt, der die Erlebnisse, die Gefühle, die Eindrücke beschreibt, Kommentare erfasst, Bilder einstellt ...

Die Aufgabe von Tentaero ist es, die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, wie zum Beispiel "Tentaero TV", "Tentaero Radio" etc. Ein weiteres und wichtiges Ziel unseres Netzwerkes ist es, zur Förderung und wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen, was bedeutet, auf unserer Webseite Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die im Interesse der User liegen und einfach zu handhaben sind.

SfA: Wie lange hat es gedauert, bis dieses Portal fertiggestellt worden ist?

Jorge Machuca: Sechs Informatik-Ingenieure haben daran sieben Monate gearbeitet.

SfA: Wie setzt sich das Team von Tentaero derzeit zusammen?

Jorge Machuca: Unser Team besteht derzeit aus elf Mitarbeitern: Informatik-Ingenieure, Anwälte, Werbefachleute, Experten für soziale Netzwerke, Wirtschaftskräfte, Leute für Öffentlichkeitsarbeit ...


Wir alle arbeiten hart daran, damit unser Traum Wirklichkeit wird.

SfA: Wie finanziert sich Tentaero?

Jorge Machuca: Bis jetzt stehen hinter den Investitionen lediglich mein Partner und ich. Aber seit einiger Zeit bekommen wir immer mehr Anfragen von Unternehmen, die mit bei uns einsteigen wollen. Jedoch behalten wir uns vor dieses alles erst einmal ausführlich zu studieren, denn die Philosophie von Tentaero steht immer im Vordergrund und die Interessenten sollten dabei zwei Voraussetzungen erfüllen: Ihren Beitrag zur Technologie und der vollkommene Respekt gegenüber der mundo de los toros.

SfA: Wie sieht die Zukunft für Tentaero aus?
Jorge Machuca

Jorge Machuca: Wie Tentaero zum Anfang aufgenommen worden ist hat unsere optimistischsten Erwartungen weit übertroffen. Zahlreiche positive Zuschriften erreichten uns, auch aus verschiedenen Ländern (Frankreich, Portugal, México, Venezuela, Kolumbien, Peru, etc.). Unser Projekt wurde herzlichst von taurinos wie aficionados aus der ganzen mundo de los toros angenommen. Und so sehen wir ziemlich optimistisch eingestellt in die Zukunft.

SfA: Wo will Tentaero hinkommen?

Jorge Machuca: Natürlich ist es unser Ziel zum führenden sozialen Netzwerk der mundo de los toros zu werden. Da wollen wir aber mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben, denn schliesslich erkennen wir sehr wohl, dass es die User sind, die im Mittelpunkt von Tentaero stehen.

SfA: In welcher Beziehung stehen sie zu den toros, ausser natürlich mit Tentaero.

Jorge Machuca: Als wir mit diesem Projekt begonnen hatten, weder ich noch mein Partner Juan Luis hatten irgendwelche Beziehungen zur mundo de los toros. Und wie ich schon Eingangs erzählt habe, es war José Manuel Molina der uns geradezu dazu verdonnerte mit diesem Abenteuer zu beginnen ... und geheiligt sei die Stunde in der er es tat.

SfA: Vielen Dank für das Interview.

Jorge Machuca Carro
Jorge Machuca: Ich würde gerne noch die Gelegenheit wahrnehmen und herzliche Grüsse nach Deutschland schicken und alle einladen über Tentaero zu erkennen, dass die mundo de los toros Kultur ist, sie dem Schutz der Umwelt dient, als ein Motor der wirtschaftlichen Entwicklung aktiv ist, und vor allem sind die toros KUNST und PASSION. Schon bald werden wir in der Lage sein uns an sie in Ihrer Sprache zu wenden, denn in Zukunft soll Tentaero in deutscher, englischer, französischer, portugiesischer und chinesischer Sprache zugänglich sein.

Das Team von  SfA wünscht Tentaero viel Erfolg für die Zukunft.

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Anmerkungen:

LINK: www.tentaero.com

Siehe auch: Tentaero, das soziale Netzwerk des Stierkampfs

Sonntag, 28. April 2013

Tentaero - das soziale Netzwerk des Stierkampfs




von Philip de Málaga


Seit letzten Donnerstag ist es online, das taurinische Netzwerk aus Andalusien
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Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit bis es dazu kam. Die Idee dazu hatten schon viele. Doch zur Umsetzung kam es erst jetzt. Am letzten Donnerstag ging das erste taurinische Netzwerk online.

Der Name ist eine leichte Abwandlung von tentadero. Eigentlich nicht mal eine Abwandlung, sondern lediglich andalusisch ausgesprochen.

Die Stiere im Netz, so richtig neu ist es eigentlich  nicht. Aber im Netz und unter sich, das ist die neue Idee. Antitaurinos versuchen schon seit langem in Deutschland und Europa mit persönlichen Beleidigungen interessierte Personen von der mundo de los toros fern zu halten. Auch in Foren, wie zum Beispiel dem Spanienforum, wurden die taurinos schlimmsten Rufkampagnen ausgesetzt, ohne das die Moderatoren eingegriffen haben. Doch SfA hat sich dagegen gewehrt, und zwar dürfen derzeit die Leser in den Foren nichts mehr über die Wahrheit der toros erfahren, aber  wer interessiert ist, hat zum einen die Möglichkeit sich bei SfA zu informieren und, das ist neu, bei Tentaero sich mit Gleichgesonnenen auszutauschen.


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Keine Pro & Kontra Plattform, denn hier geht es um die toros. Hier schreiben diejenigen mit, die auch etwas davon verstehen. Kein öffentliches Forum. Wer mitreden bzw. mitlesen will, muss sich erst einmal anmelden.

Und wer eingeloggt ist, dem öffnet sich die mundo de los toros. Für all diejenigen, die von der afición gepackt sind, und sich auch in der Welt der Stiere auskennen.

¡Bienvenidos al mundo de los toros! Willkommen in der Welt der Stiere! Endlich können sich alle weltweit austauschen, die da mitreden wollen und vor allem deswegen, weil sie über einen entsprechenden Erfahrungsschatz verfügen. Sie kennen sich aus, sie haben es erlebt. Sie wissen, was es bedeutet einem toro gegenüber zu stehen, sie haben den duende erfahren, sie kennen toreros, empresarios, ganaderos, aficionados .... sie können definitiv dazu beitragen, damit Neulinge der tauromaquia beginnen zu verstehen um was es hier eigentlich geht.

Und selbstverständlich ist SfA auch dabei. Gleich in der ersten Reihe. Und alle aficionados von SfA sind herzlichst eingeladen sich nicht nur bei Tentaero zu registrieren, sondern sich auch der Gruppe von SfA - la afición de Alemania anzuschliessen:
Dann haben Sie auch die Möglichkeit sich gegenseitig auszutauschen. Darüber zu sprechen wer denn nun der beste matador der Gegenwart ist, welche suerte am meisten beeindruckt, welche toros so richtig gefährlich daher kommen, und, und, und ....

Das alles haben wir einem Mann zu verdanken. Don Jorge Machuca Charro. Gründer und Geschäftsführer der Plattform Tentaero. Grund genug ihn und seine Vision mal im TAUROTALK vorzustellen. Demnächst hier bei SfA. Pronto en SfA.


Samstag, 27. April 2013

Ein Leben für die Stiere (2. Teil)





mit Miguel Sánchez


Der matador de novillos stellt sich den Fragen von Philip de Málaga

Miguel Sánchez: Mein ganzes Leben habe ich den toros gewidmet. Und als ehemaliger Bankmann ist es verständlich dass ich versuche es in Zahlen auszudrücken.
Wenn man das jetzt alles zusammenzählt, stellt man fest, der ist schon 100 Jahre alt.

SfA: Wie ist Deine Erfahrung als asesor artístico mit den Präsidenten einer corrida?

Miguel Sánchez: Vieles was man als asesor artistico sagt hören die Präsidenten zwar, nehmen es aber nicht wahr. Entscheiden letztendlich wie sie wollen. Sie haben manchmal den selben Einfluss wie schlechte Schiedsrichter beim Fussball und keiner kann dagegen etwas machen. Mir gefällt vor allem nicht, wenn die Mehrheit des Publikums ein oreja fordert und der Präsident dieses einfach ignoriert, obwohl er laut dem reglamento taurino dazu verpflichtet ist, diese Auszeichnung dem matador zu zugestehen.

SfA: Was ist für dich das toreo? Was bedeutet es für dich?

Miguel Sánchez: Beim toreo kann ich nur meine eigene Erfahrung sprechen lassen. Die toros und die dazugehörige afición sind nicht frei von Widersprüchen. Eigentlich habe ich keine Daseinsberechtigung. Ich will mich erklären. Als mich mein Vater mit sieben Jahren das erste Mal mitgenommen hatte, keine Frage ich war fasziniert, doch ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, selbst einmal im ruedo zu stehen. Und trotzdem kam es dazu. Ein unheimlich starkes Gefühl überkam mich. Und von da an begann ich mit was auch immer, einem Handtuch oder Ähnlichem und versuchte nachzuahmen was ich in der plaza de toros gesehen hatte. Das zu vermitteln ist nicht einfach, diese Erfahrung muss man selber machen. 

SfA: Wie siehst Du die Zukunft der toros?

Miguel Sánchez: Ich denke mit allen Schwierigkeiten welche derzeit nicht nur die fiesta zu kämpfen hat, bin ich sehr optimistisch eingestellt. In meinen Augen wird sie nie ihr Ende finden. Solange es Menschen gibt, die sich trauen einem toro entgegenzutreten und dabei auch noch unvergleichbare arte schaffen, wie zum Beispiel MoranteRafael de PaulaAntonio Ordoñez oder Curro Romero, brauch sich die fiesta keine Sorgen machen. Meint, mit  toreros und solchen Charakteren wird die fiesta nacional ewig bestehen.

Und wer ist eigentlich dagegen. Da verkaufen sich innerhalb von zwei Stunden gut 20.000 entradas um José Tomás zu sehen. Und vor der corrida kommt eine Handvoll Menschen, sie nennen sich antitaurinos, und beschimpfen diejenigen die es wagen, in die plaza de toros zu gehen. Es kann doch nicht sein, dass ich zu einer vollkommen legalen Veranstaltung gehe und von irgendwelchen Leuten lautstark als Mörder beschimpft werde. Wir taurinos verlangen ja nicht, dass sie sich ändern, sondern dass sie unseren Standpunkt und unsere Ideologie anerkennen, genauso wie wir ihre Haltung respektieren.

SfA:  Wo siehst Du die wirklichen Gegner der fiesta

Miguel Sánchez: Meistens finden sich die wahren Gegner der fiesta innerhalb der fiesta, sozusagen in den eigenen Reihen. Vor allem den empresarios fehlt es am notwendigen Weitblick. Sie denken alle in erster Linie an das schnelle Geldverdienen. Ich habe noch keinen empresario gehört, der kein Geld verloren hat. Alle haben Geld verloren, sagen sie. Dabei stimmt das gar nicht. Sie haben nur weniger verdient. Und was sie weniger verdient haben deklarieren sie öffentlich als Verlust. Ein Beispiel. Ein empresa möchte mit einer vollen plaza de toros fünf Millionen Peseten (ich rechne noch in Peseten) verdienen. Jedoch sind die corridas nur zu drei Viertel besucht und jetzt verdient man nur zweieinhalb Millionen Peseten. Doch statt vom Gewinn zu reden spricht man von zweieinhalb Millionen Peseten Verlust. Alle verlieren nur Geld. Wenn dann aber eine plaza de toros für die nächste temporada ausgeschrieben wird, stehen sie Schlange, manchmal bis zu zwölf Bewerbungen. Ist doch komisch, wo sie gar nichts verdienen.

SfA: Als torero, welche waren deine bevorzugten suertes?

Miguel Sánchez: Mit der muleta. Nicht so sehr mit dem capote. Im meinem Geist hatte ich immer Antonio Ordoñez. Ich habe ihn kopiert, und wenn ich mich dann im Nachhinein mich auf den Fotos gesehen habe, ich war selber überrascht. Dieselbe Haltung, das hat mich gefreut und stolz gemacht.  In sofern bildeten die Manöver mit der muleta den Kern meiner Arbeit. Vor allem die natural und derechazo.

SfA: Und die banderillas?

Miguel Sánchez: Nie, nicht mal beim Training.

SfA: Hast du auch Nachts heimlich unter Mondschein auf der Weide geübt?

Miguel Sánchez: Nie. Dazu bin ich viel zu legal. Und ausserdem war und ist mir bewusst, dass ich damit meine compañeros, die am nächsten Morgen antreten in Lebensgefahr bringe. Nein, das kam für mich wirklich nie in Frage.
Mijas ... Stierkampf für Touristen
Für Miguel Sánchez ein Alptraum

SfA: Was denkst du über die ausländische afición?

Miguel Sánchez: Wunderbar. Aber leider werden die Touristen, besonders hier an der Costa del Sol in Ortschaften wie MijasBenalmádenaTorremolinos und früher auch Fuengirola geradezu ausgebeutet. Die Eintrittspreise sind nicht selten exorbitant! Aber das ist nicht nur die Schuld der empresarios  sondern auch der Behörden, welche diesem Vorgehen keinen Einhalt gebieten.

Manchmal ist es richtig peinlich. Sie nennen es corrida de toros aber in Wahrheit es ist eine becerrada. Wenn überhaupt. Vor gar nicht so langer Zeit sah ich eine solche Veranstaltung. Die Tiere brachten nicht einmal achtzig Kilo auf die Wage, und die Kerlchen die sich dort übten standen wohl das erste Mal vor solch einem res.

SfA: Wer sind für dich die grossen figuras der Gegenwart?

Enrique Ponce, für Miguel Sánchez
einer der besten toreros der Gegenwart.
(Foto: mundotoro)
Miguel SánchezEnrique Ponce. Seit dreiundzwanzig Jahren nach seiner alternativa ist er immer noch ein regelrechter Computer, gekleidet in traje de luces. Er verfügt über  eine privilegierte Mentalität. Er ist ein torero der für den toro da ist. Er kennt sich mit den Stieren aus wie kein anderer. Was er mit den toros macht ist einfach nur unglaublich. Der toro steht für ihn im Mittelpunkt. Hier in Málaga hat er im Jahr 2000 ein indulto erreicht. Das einzige indulto welches es in der hundertfünzigjährigen Geschichte der plaza de toros in Málaga gegeben hat. Aber der toro aus der Zucht Buenavista war nicht nichts Besonderes, nicht mal erwähnenswert, sondern erst durch Enrique Ponces Arbeit mit der muleta wuchs der toro über sich hinaus, bis das Publikum das indulto forderte. Ponce setzt sich halt für die Gutmütigkeit seiner toros ein, wie kein anderer.

Dann wären da noch ManzanaresEl JuliTalavanteMiguel Angel Perrera und natürlich Morante und José Tomás.  

SfA: Was denkest du über Frauen im ruedo?

Cristina Sánchez
Miguel Sánchez: Da gibt es einige die mit viel Mut an die Sache gehen. Frauen treten nun mal mit geringeren Konditionen an als ihre männlichen Kolegen. Aber das bringt auch Vorteile, vor allem wenn es ihnen gelingt diese gegenüber dem Publikum auszuspielen. Frauen versuchen mehr zu wirken als mit dem toro zu agieren. Das ist auch einer der Gründe, warum männliche matadores de toros nicht so gerne mit matadoras antreten.

SfA: Und Cristina Sánchez?

Miguel Sánchez: Sie war ohne Frage sehr mutig, in Madrid gab es sogar dos orejas, in Amerika war sie erfolgreich, und sie ist gegen richtig grosse und gefährliche toros angetreten, stimmt alles, aber mich selbst hat sie in meinem Inneren nie so richtig ansprechen können.

SfA: Wie siehst du die Kontinuität eines toreros? Wie flexibel dürfen sie sein?

Miguel Sánchez mit Curro Romero
Miguel Sánchez: Ein kreatives toreo mit arte kann man einfach nicht dauerhaft erwarten, wie zum Beispiel die Arbeit eines Maurermeisters. Der torero muss den Moment abwarten, in der entsprechenden Verfassung sein und vor allem die Möglichkeit haben, das zu tun, was ihm auch am meisten liegt. Ich habe zum Beispiel überhaupt kein Problem damit, wenn Morante statt der üblichen fünfzehn bis zwanzig Manöver mit der capa eben vierzig capotazos und mehr vorführt, und dementsprechend die faena ein wenig kürzer gestaltet. Wozu braucht man die muleta wenn die tollen Momente beim capeo liegen? Einer der danach handelte war Curro Romero. Ich habe gehört, dass er bei einem toro nur den capote verwendete. Schau mal, hier ein Foto mit Curro Romero, und wir hatten uns gerade darüber unterhalten.

Philip de Málaga
und Miguel Sánchez
Morante hat ja diesbezüglich auch schon Interesse gezeigt, und wenn er dieses Jahr in Ronda mit den sechs toros antritt, würde es mich nicht wundern Ähnliches zu sehen zu bekommen. Aber nur wenn er als unico espada antritt.

SfA: Vielen Dank für das Interview.

Miguel Sánchez: Die Ehre liegt ganz bei mir und ich freue mich schon darauf noch viele deutsche aficionados hier in der Malagueta begrüssen zu können.

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Das museo taurino von Málaga ist Montag bis Freitags von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr geöffnet. Feiertags geschlossen.

Freitag, 26. April 2013

Und sie sagen keiner geht mehr zu den Stierkämpfen

(Foto: mundotoro)
Madrid, heute morgen: Grosser Andrang an den taquillas um die ersten abonos, Dauerkarten für die festejos taurinos San Isidro in Las Ventas in der spanischen Hauptstadt zu erwerben. Ab Montag den 29. April hat man die Möglichkeit die entradas zu den corridas einzeln zu erwerben.

(Foto: mundotoro)

Ein Leben für die Stiere (1. Teil)





mit Miguel Sánchez

Der ex-torero ist am 25. Juni 1940 in Málaga geboren. Als gelernter Bankmann ging er auch seinem Beruf nach. Wohlgemerkt, seinem Beruf. Schliesslich wollte sein kostspieliges Hobby finanziert werden. Denn seine wahre Leidenschaft galt, so lange er denken kann, den toros. Schon als Siebenjähriger übte er das Schwingen der capa mit einem Handtuch. Neun Jahre lang praktizierte er die Arbeit eines torerosHeute ist er der Direktor des museo taurino in Málaga. Miguel Sánchez stellt sich den Fragen von Philip de Málaga.

SfA: Kommst du aus einer taurinischen Familie? 

Miguel Sánchez: Mein Vater war ein grosser aficionado

SfA: Aber du wolltest ein wenig mehr werden als nur ein aficionado.

Miguel Sánchez: Genau. Ich habe 43 Jahre in einer Bank gearbeitet. Es war mein Beruf, aber nicht meine Berufung. Ich habe die Bank benötigt, denn ich konnte mich nicht auf das Abenteuer toros einlassen ohne dabei auch mein Leben zu finanzieren. Während meiner neun Jahre, die ich als torero aktiv war, bestand mein Leben aus zwei Teilen. Die Bank und die Stiere. Meine gesamte Freizeit investierte ich in die Stiere.

SfA: Wie sah denn so ein typischer Arbeitstag aus?

Miguel Sánchez: Jeden Morgen stand ich um sechs Uhr auf um auf der plaza zu trainieren. Meine Mittagspause verbrachte ich in einem Sportstudio und abends nach der Arbeit joggte ich meistens rauf auf den Gibralfaro und hinten rum wieder zurück. Es war mir wichtig in guter Form zu sein.

Meine Ferien nahm ich nie im Sommer, wie fast alle meine Kollegen, sondern im Januar und im Februar. Da fuhr ich dann aufs campo, zum Beispiel nach Jerez um dort während der fünfundzwanzig Tage das Leben eines toreros beziehungsweise eines Anwärters zu erfahren.

SfA: Wann hattest du deine erste Begegnung mit den toros.

Miguel Sánchez: Das war 1949 bei einem tentadero, wo ich mich das erste Mal mit becerras versuchen durfte. Und man kann sagen, dass meine erste Vorstellung wohl übermässig beeindruckend gewesen sein muss. Nicht weil ich so gut mit der becerra gearbeitet habe, vielmehr müssen mein Bewegungsablauf und meine Haltung beeindruckt haben. Keiner glaubte mir, dass ich das erste Mal vor einer becerra stand. Man muss wissen, zu meiner Zeit gab es keine escuelas taurinas, ich musste mir alles selbst beibringen und schaute mir die Techniken anderer professioneller matadores ab. Alles was ich konnte, habe ich mir im toreo de salon beigebracht. Und dieses habe ich mit einer solchen Vorstellungskraft betrieben, so dass ich im Geiste den toro immer vor mir sah. Und ich versuchte an Terrain zu gewinnen. In meiner Vorstellung nahm ich wahr wie gross der toro war, wie er angriff, mit welchem Horn er attackierte, wie er zurückwich, wie er wendete ...

Miguel versucht sitzend eine Bewegung mit der muleta vorzuführen, um das Gefühl zu vermitteln, wenn ein toro passiert, dabei streift seine Hand die Tischplatte und er erhebt sich um einen derechazo in der Mitte seines Raumes zu erklären.


Miguel Sánchez: Wir müssen dem toro immer einen Schritt voraus sein, auf ihn zugehen, einen paso gewinnen. Nicht verlieren, gewinnen!

Miguel Sánchez mit zwanzig Jahren
Nach meiner Lernphase hatte ich 1955 meine erste novillada sin picadores. Am 12. Oktober 1963 bestritt ich meine erste novillada con picadores. Es folgten zwanzig novilladas bis man mich aufforderte meine alternativa zu absolvieren, was ich aber ablehnte. Das hatte verschiedene Gründe. Zum einen war es in meiner Epoche üblich gegenüber dem escalafón, einen gewissen Respekt zu zeigen, also eine Wertschätzung den besten matadores de toros gegenüber.

Es begann im Sommer 1964. Bei einer novillada erkämpfte ich mir tres orejas. Am 12. Oktober sollte es in der Malagueta eine corrida de toros geben. Doch die Veranstaltung wurde suspendiert. Die toros schickte man aufs campo und holte sie dann wieder zu einer novillada zurück. Dort trat ich an und es gelang mir tres orejas und einen rabo als Trophäen zu erlangen. Aus der puerta grande wurde ich auf hombros hinausgetragen. Ein unvergesslicher Moment. Nur wenige Tage später, am 24. Oktober gab es eine corrida de toros mit den matadores Antonio de Jesus, Antonio León und Amador Ordoñez. Aber Amador holte sich, bei der Vorbereitung für jene corrida, mit einer becerra auf dem campo, eine cornada und konnte nicht antreten. Und da haben sie sich an mich erinnert, schliesslich hatte ich gerade eine salida por la puerta grande und es war den aficionados noch frisch im Gedächtnis. Da kam die empresa auf die Idee, mir einen Tag vor der corrida die alternativa anzubieten. Pepe Ordoñez, der Bruder von Antonio Ordoñez, beriet mich und wir beschlossen, dass es besser wäre keine alternativa anzutreten. Es wäre in meinem derzeit erfolgreichem Stadium eher kontraproduktiv. Zu schnell und unüberlegt. Und könnte sogar meine Erfolge als novillero in den Schatten stellen.

12. Oktober 1964: Miguel Sánchez in Málaga: tres orejas und rabo, Salida por la puerta grande
Ein Jahr später gab es in Marbella ein festival taurino mit Antonio Bienvenida, Antonio Ordoñez, Manolo VazquezJaime Ostos, Gregorius Sánchez und dem rejoneador Fermín Bohórquez (padre). Genau wie in Málaga sind wieder einen Tag vorher zwei toreros ausgefallen, Manolo Vazquez und Jaime Ostos. Und so rief mich Pepe Ordoñez an und wir, Monaguillo und ich, sind eingesprungen. Auch hier gelang es mir zu überzeugen und verdiente mir dos orejas. Und das in Gegenwart der grossen maestros wie Antonio Bienvenida, Antonio Ordoñez und Gregorius Sánchez.

Antonio Ordoñez, Monaguillo, Miguel Sánchez, Gregorius Sánchez und Antonio Bienvenida
1967 beendete ich meine Karriere als matador de novillos. Das war schlimm für mich und kostete mich viele Tränen. Obwohl ich das Potential hatte gelang es mir nicht den Weg nach vorne zu finden. Der richtige Start wollte sich einfach nicht einstellen. Aber die mundo de los toros blieb mir erhalten. Ich konnte nicht ohne sie leben. Als ich in Rente ging, dass Letzte was mir vorschwebte war, als Hausmann zuhause zu sitzen, Fernsehen zu schauen, Füsse auf dem Tisch liegend meiner Frau beim Hausputz zu beobachten oder einkaufen zu gehen. Und so begann ich hier dieses Museum aufzubauen. Das war vor vierzehn Jahren.

Fortsetzung folgt.

Donnerstag, 25. April 2013

Ein grosser Irrtum




Richard Ford (1796 - 1858)

"Es ist ein weiterverbreiteter und grosser Irrtum, anzunehmen, 
dass die Stierkämpfe in Spanien so häufig stattfinden, 
wie Bettler an den Strassenrändern zu sehen sind. 

Im Gegenteil, 
man sieht im Stierkampf den Gipfel des ästhetischen Genusses, 
genauso wie die italienische Oper in England. 

Und beide sind ziemlich kostspielige Vergnügen."

Richard Ford (1946)

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Anmerkungen:

GATHERINGS FROM SPAIN, Richard Ford, 11. Kapitel, London 1846
Richard Ford war 1945 einer der ersten britischen Schriftsteller die mit der tauromaquia von Pedro Romero in Berührung kam. Vier Jahre lang bereiste er die iberische Halbinsel worüber er zwei Bücher geschrieben hatte.

Mittwoch, 24. April 2013

Wenn der Moment zur Ekstase wird




von Philip de Málaga


Morante und die capa:
Eine Kostprobe, gleich einem Tropfen edelstem Wein für das Publikum in Sevilla
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Sevilla, die andalusische Hauptstadt ist anders. Nicht wegen ihrer Bauten, den Mauern und der Geschichte, vielmehr sind es die Menschen, welche die Geschicke dieser mediterranen Metropole lenken und formen. "Así soy, así somos. Sevillanos. ¿Por qué? Sevilla nos eligió, para ser sus paisanos" (Ich bin, wir sind. Sevillaner. Warum? Sevilla hat uns ausgesucht, um die Bewohner zu sein), so lesen wir in einer Poesie von Manuel Lamprera. Sevilla ist anders, weil die Sevillaner es anders sehen. La mirada, der Blick, die daraus entstehende Erkenntnis, dass unterscheidet sie von den Nicht-Sevillanern. La mirada, der andere Blick, das gilt auch für die toros.


La Real Maestranza de la Caballería de Sevilla, sie ist nicht etwa nur eine plaza de toros, sondern viel mehr, das taurinische Herz von Andalusien. Das Wimbledon des toreo. Denn das Publikum sucht den Moment der Wahrheit schon vor der estocada. Nicht waghalsige Manöver sind gefragt, keine hektischen Aktionen werden gesucht, so wie eine a porta gayola, ohne Frage ein mutiges Manöver, aber mit einer eher unruhigen Ausführung schafft sie damit nicht den Weg zum duende. Wenn die Gänsehaut wie eine ola (Welle) durch die tendidos schweift, könnte es dem matador gelingen hier zu triumphieren um das ruedo durch die puerta grande zu verlassen. Damit gehört er zu den ganz grossen toreros dieser Welt. Und wer erst einmal die puerta del príncipe öffnet, dem ebnet sich der Weg in den Olymp der tauromaquia.

Eine Woche nach der semana santa beginnt die berühmte feria taurina von Sevilla. Die berühmtesten matadores der mundo de los toros geben sich ein Stelldichein um die Gunst des sevillanischen Publikums zu erringen. Keine leichte Aufgabe, denn es liegt nicht nur an dem maestro selbst sondern das Ergebnis erschliesst sich aus dem Zusammenspiel zwischen toro und torero. Das Wetter und die Laune des Publikum tragen ebenfalls ihren Teil dazu bei.

Auf dem Weg in den TAURO OLYMP: El Juli
(Foto: mundotoro)
Die feria taurina 2013 von Sevilla gehört nun der Vergangenheit an und die Sieger stehen fest.

Bester matador: El Juli
Beste faena: El Juli und Manolo Escribano
Bester rejoneador: Diego Ventura
Bester banderillero: Juan José Trujillo (cuadrilla: José María Manzanares) und David Adalid (cuadrilla: Javier Castaño)
Bester picador: José Antonio Flor  (cuadrilla: Antonio Nazaré)
Beste ganadería: Miura

Und, fehlt da nicht irgend jemand?

Stimmt, zwar nur einige wenige Sekunden, aber man es es gesehen, es war spürbar. Sozusagen eine Momentaufnahme. Ein kurzer Moment. Aber dem sevillanischen Publikum ist diese kurzweilige emotionale Spannung nicht entgangen. Ein Manöver, ein halbes Manöver, eine media veronica  und die Gefühlswelt der tendidos vibrierte.

Morante de la Puebla, der Bohéme
(Foto: mundotoro)
Wer macht denn schon so etwas? Die Frage scheint nicht ungerechtfertigt. Doch wer Sevilla kennt wird gleich vermuten, das kann nur einer sein. Der Bohème der tauromaquia. Obwohl noch aktiv, schon eine Legende unter den toreros artistas, der Künstler aus einem Dorf bei Sevilla. Wir sprechen von Morante de la Puebla.

Was ist geschehen? Eigentlich war es ein irgendwie ein bedeutungsloser tarde de toros. Drei matadores, fünf ovaciónes und ein silencio. Das klingt nicht vielversprechend. Auch das Genie, wie er hier und da gelegentlich beschrieben wird, man kann nicht gerade behaupten dass er sich überarbeitet hätte. Mehr routinemässig spielt er sein Programm runter, wobei er natürlich es versteht mit der capa zu überzeugen. Das ist sein Metier, sein Können, sein embrujo.

Media veronica
von Morante de la Puebla
(Foto: mundotoro)
Wir sind im ersten tercio. Morante führt eine quite durch, dass heisst er dirigiert den toro vom picador weg. Und in der Tat geschah nicht mehr als dies, er führte seinen toro einfach nur, die capa mit runden Bewegungen schwingend, weg vom picador. Mit dem Rücken zur barrera bleibt er plötzlich stehen, und fordert den Stier heraus. Der toro zögert nicht anzugreifen und Morante führt die capa, nein, er befiehlt ihr mit aller Langsamkeit um seinen Körper herum zu gleiten. Gleich einem fliegenden Teppich schwingt sich mit temple die capa um ihn herum. Der toro passiert ihn auf der linken Seite und die capa wirkt wie ein Bindeglied zwischen Mensch und Tier, zwischen torero und toro. Der angeborene Zusammenhalt, die symbolische Darstellung der Zugehörigkeit. Ein Moment der Einheit. Die capa verschwindet hinter dem Rücken von Morante, der toro rennt ins Leere, dreht sich um neunzig Grad nach links und bleibt stehen.

Gerade mal drei oder vier Sekunden sind vergangen, das pure duende erreichte in einem Bruchteil einer Sekunde die tendidos. Der Moment war da. Man hat ihn gesehen, gespürt, die Luft blieb für drei Sekunden einfach stehen, ein Augenblick auf den man den ganzen Nachmittag schon gewartet hatte. Kein Geschnörkel, keine Eile, ein Manöver mit aller Kunst der Langsamkeit durchgeführt, so sicher, als ob nichts einfacher wäre als dies. Das Eis war gebrochen, und der maestro wollte zeigen, wie man sie vorführt, die veronicas, doch leider schien der toro andere Pläne zu haben.


Auch die spanischen Medien haben ihn mitbekommen, jenen magischen Moment der Apotheose. In El Mundo schrieb man, dass ihm diese media veronica mit grosser Sicherheit die Tür zur corrida goyesca in Ronda geöffnet hätte. Morante in Ronda alleine gegen toros 6. Mehr als ein Gerücht? Da spricht einiges dafür. Zum Beispiel, dass Morante den Stier in Sevilla dem empresario und ex-matador de toros Francisco Rivera Ordoñez gewidmet hatte.

Morante widmet einen Stier Fran Rivera Ordoñez
(Foto: mundotoro)
Auch die Tatsache, dass die letzte corrida goyesca mehr oder weniger ein Reinfall war und kaum noch wahre aficionados im September dorthin pilgerten. Keine Frage, keiner scheint besser geeignet für eine solche goyesca wie Morante. Kaum ein torero vermag jene künstlerischen und auch ein wenig anderen Dingen so zu vermitteln wie er. Der Bohème in Ronda, ein no hay billetes scheint wieder gesichert zu sein ... wenn es denn was wird.

 Morantistas können sich vielleicht auf Ronda freuen, wenn sie denn an entradas kommen
Zurück zu Sevilla. Morante de la Puebla hat die afición an seinem Können schnuppern lassen. Von der Flasche des köstlichen Weins, des edlen Tropfens der tauromaquia, ihnen nur einen kleinen Schluck spendiert. Man solle ja geniessen, nicht nur alles einfach aufsaugen, sondern die wahren Momente der Ehrlichkeit, des duende, der Vibration erfahren und schätzen lernen.

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Torodora Gorges, Books in Demand GmbH, Frankfurt am Main, 2010 
ISBN 978-3-8391-5692-6