Mittwoch, 27. März 2013

Ein Manager aus Andalusien





SfA mit Carmelo García



Carmelo García ist empresario der plaza de toros von Sanlúcar de Barrameda, einer 68 tausend Seelengemeinde in der andalusischen Provinz Cádiz. Der coso der dritten Kategorie fasst 6.000 Zuschauer und wurde schon am 1. Juli 1900 mit den matadores de toros Machaquito und Largatijo Chico und den legendären toros der ganadería Miura eingeweiht. Der empresario stellt sich den Fragen von Colin Ernst:


Schon im letzten Jahr, hatte ich Gelegenheit, den empresario der plaza de toros von Sanlúcar de Barrameda, die Hand zu schütteln. Denn Carmelo García hielt mich irrtümlich für einen angekündigten und auch prominenten Besucher. In diesem Jahr war er meine erste Adresse, um mehr über die Arbeit eines Arena-Managers zu erfahren. Mehrfach mussten wir unser Gespräch verschieben, die Verlegung des festejos, das Wetter, Renovierungen und auch meine anderen Termine, verschoben das geplante Interview auf die letzten Tage meiner Reise. 

Heute morgen, bei schönstem Wetter, bespricht er mit einigen Handwerkern, die Verbesserungsarbeiten, welche vor der nächsten corrida anstehen, ausführen sollen. Er kennt jeden Nagel, jede Schraube, jedes Brett dieser plaza, die, wie ich später erfahre, sein Leben bestimmt hat. Um alles kümmert er sich persönlich. Nichts überlässt er Dritten, er ist mit Leib und Seele impressario dieser plaza und ich muss sagen er macht seine Sache verdammt gut - ich habe schon andere Plaza-Manager gesehen, die ihre Arenen nicht so in Ordnung halten und nur auf das Geld schielen, welches ihnen die corridas bringen.

Ich folge dem wichtigsten Mann der Taurinowelt von Sanlúcar in die Katakomben, wo er ein bescheidenes Büro hat. Kein Pomp, keine Selbstdarstellung, ganz im Gegenteil - die Fotos , welche die gelben Wände zieren, zeigen die Protagonisten. Vom Foto des jüngsten novillero, bis zu den carteles in Kleinformat, ein paar Trophäen, ein einfacher Schreibtisch und ein paar Klappstühle, sind das spartanische Imobiliar. Er selbst, nicht in Anzug und Kravatte, sondern in praktischer Jeans und Pullover, steht mir Rede und Antwort.

Meine erste Frage ist, wie er überhaupt dazu kam, empresario vom Coso del Pino zu werden...

Jesulin de Ubrique
(Foto: mundotoro)
Er sei im Häuserblock, direkt gegenüber aufgewachsen, und so wurde die plaza sein zweites Zuhause. Er selbst hat es zum torero gebracht, auch wenn er letztendlich als banderillero arbeitete. Letztes Jahr hat er zu seinem 25 Jahrestag seiner alternativa, eine corrida veranstaltet und alle Freunde der plaza eingeladen. Sein letzter matador, also Arbeitgeber, war kein Geringerer, als Jesulin de Ubrique, den er jahrelang begleitete. Nach dessen Rücktrit, dem sogenannten "cortar de coleta" (Anschneiden des Zopfes), beschloss er, die plaza in Sanlúcar zu lancieren, seiner Heimatstadt.

Ich frage ihn, ob er auch als apoderado (also als ein Manager für einen torero) tätig ist, wie viele andere empresarios.

Nein, das will er nicht. Er hat es versucht, aber schnell gemerkt, das sich da die ureigenen Interessen kreuzen. 

Eine kluge Entscheidung, denn sonst müsste er ständig "seine" toreros in seiner plaza auftreten lassen, und das Publikum will vielleicht ganz andere matadores sehen. Ich schaue mir die carteles der letzten Jahre an, dies hat er klug gelöst. Die corridas hier lassen wirklich nichts zu wünschen übrig - alles was Rang und Namen hat, war hier - PonceManzanaresMorante de la Puebla, die besten ganaderías und trotzdem hat er immer wieder novilleros oder matadores seiner Heimatstadt, wie Antonio José Blanco oder Álvaro Sanlúcar in irgendeiner Veranstaltung berücksichtigt. Für mich genau die richtige Mischung, die es für einheimische aficionados und angereistes Publikum, interessant macht, seine Events zu besuchen. 

Nun möchte ich wissen, wie das Szenario abläuft, wenn er eine corrida plant...

El Juli
(Foto: mundotoro)
Hier kommt seine jahrelange Erfahrung ins Spiel, der Mann kennt sich aus, im mundo taurino. Er kennt die matadores, genauso wie die ganaderías. Er weiß, welcher torero in welchen Zuchtstätten trainieren, also welche Züchter sie bevorzugen. Nun fährt er also zu der ganadería, wo, sagen wir mal maestro El Juli und andere namhafte figuras praktizieren. Dort sucht er sich die Stiere aus. Dank seiner jahrelangen Erfahrung, seines guten Auges für die toros, kann er das schon Monate vor der eigentlichen Veranstaltung machen. Zehn novillos oder toros fallen in die engere Wahl. Nun ruft er die entsprechenden toreros, wie zum Beispiel den matador de toros El Juli an, oder auch dessen apoderado, um zu sehen, ob er am Tag X noch Zeit für eine corrida in der plaza von Sanlúcar hat. Die matadores kommen gerne, denn sie wissen, die erwählten toros werden ihren Ansprüchen gerecht. Hier liegt nämlich der Teufel im Detail.... Carmelo, kauft nicht einfach ein paar toros, nein, er selektiert gewissenhaft. Mehrmals fährt er beim Züchter vorbei, schaut sich seine Auslese an. Sind sie gut im Futter, wie bewegen sie sich, ist ein Stier bei einer pelea verletzt worden? Da kommen viele Faktoren zusammen und dank seiner jahrelangen Erfahrung als torero, weiß er, was er will und was gefragt ist. Er selbst, bezeichnet sich als "pesado", als jemand, der dem Züchter auf den Geist geht, mit seinen vielen Besuchen, aber es ist ihm egal, er will für seine Stadt, für die Stierkampfliebhaber, für die toreros, egal ob berühmt oder nicht, nur das Beste. Und er versteht sein Handwerk! In den vier Wochen, die ich den "Spuren der toreros" folgte, habe ich viel gesehen, aber die novillos, die in Sanlúcar im Rampenicht standen, waren die besten Stiere von allen. Tapfer, agil, angriffslustig und fast ohne Fehl und Tadel. Da können sich andere empresarios noch eine dicke Scheiben von abschneiden, wie man so schön sagt. 

Was muss ein empresario alles bereitstellen, frage ich Carmelo.

Das fängt an mit den Leuten, die das ruedo säubern, den Mulis, welche die Stiere aus der Arena ziehen, der Druckerei für die entradas, und vor allem, der Arzt und der Notarztwagen. Der coso hat zwar eine enfermería, aber diese muss am Tag der corrida auch ausgestattet sein, es muss ein Arzt da sein, und die ambulancia, für die hoffentlich nicht eintretenden Notfälle. Umsichtig hat er alles geplant, kontraktiert und bei dem Benefiz-Festival selbst die Kosten getragen.

Wie steht er zu ausländischen Medien die über die tauromaquia berichten?

Ich zeige ihm den Webauftritt von "STIERKAMPF für ALLE", damit er sieht, das sich tatsächlich auch deutsche aficionados für die fiesta brava einsetzen. Das scheint ihm zu gefallen und auch mein Projekt, dort, in der Zukunft novilleros vorzustellen, findet er gut und wichtig. Er will dies unterstützen und sucht mir einen anderen Link heraus, wo sich ein Franzose der gleichen Sache annimmt - sehr hilfreich! Zu meinem Erstaunen, bittet er mich, ihm meine Fotos von der plaza und dem Event zu schicken und die entsprechenden Links zu der Seite (SfA) muss ich ihm auch aufschreiben. 

Mein persönlicher Eindruck

Er ist ein Mann der Tat. Kein eleganter Schreibtischtäter, sondern einer, der mit "corazón y alma" (Herz und Seele) bei der Sache ist. Also jemand, den man wirklich unterstützen sollte. Das Telefon hat mehrmals Sturm geklingelt und als er nun doch den Anruf annimmt, wird ihm bewusst, dass er sein TV Interview für den regionalen Sender Canal Sur, über unsere Plauderei fast vergessen hätte. Höflich entschuldigt er sich bei mir, dass er nicht mehr Zeit hat, aber eine letzte Frage stelle ich ihm, während wir unsere Sachen packen: Wieso hat Sanlúcar keine Waage? Auch diesmal nimmt er sich die Zeit, mir zu erklären, das es für plazas der dritten Kathegorie nicht obligatorisch ist, eine zu besitzen. Die Zücher haben eine, wo die Stiere vor dem Transport gewogen werden.

Nachtrag

Heute Nacht, einen Tag nach dem Interview, zappe ich auf Canal Sur, wo ich zufällig sein Interview mit dem Sender verfolgen kann. Ich bin beeindrukt, nach Abzug der Sozialabgaben, der 21 Prozent Steuern, bleiben noch 12.600 Euro für die Unterstützung der Behinderten übrig. Eine stolze Summe, für so eine kleine plaza de toros. Er betont, das weder das Orchester, noch die toreros, nicht die Helfer und die Kartenverkäufer, nichtmal der Notarzt einen Cent genommen haben... alle haben sich in den Dienst der guten Sache gestellt. Und das er stolz darauf ist, das sein "pueblo", dies so unterstützt hat. Mit Recht, wie ich denke, denn es steckt jede Menge Arbeit dahinter, von allen Beteidigten. Ich ziehe meinen, nicht vorhandenen Hut, vor soviel Initiatve und kann auch nur sagen : Gracias Carmelo, y gracias a los Sanluqueños! In zwei Tagen ist mein Abenteuer hier vorbei, "pero mi corazón queda en Sanlúcar de Barrameda" (aber mein Herz bleibt in Sanlúcar de Barrameda).


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