Mittwoch, 29. Juli 2009

Ist Stierkampf Kunst? (1. Teil)



Ein Überblick mit der Frage, kann die Tauromaquia als gestaltende Kulturleistung gesehen werden?

Für die Tierschützer scheint die Antwort eindeutig. Stierkampf ist eine Barbarei, die Akteure Tierquäler, die Zuschauer mit sadistischen Anlagen versehen … nein das habe mit Sicherheit nichts weder mit Kunst noch mit Kultur zu tun.

Gehen wir doch mal ins Detail: Unter Kunst versteht man das Ergebnis einer menschlich kreativen Gestaltung. Auf den Stierkampf übertragen wäre das Ergebnis der Tod des Stieres. Doch dass der Tod selbst als Vollendung künstlerischen Schaffens nicht in Frage kommt, versteht sich von selbst. Es sei denn, Sterne Köche a la Ferran Adriá verwandeln dieses Endprodukt durch molekulare Einflüsse zu einem kulinarischen Kunstwerk. Jedoch findet sich sehr wohl der Tod als ein Mittel zur Kunst, wie es sich in so zahlreichen Kunstwerken reflektiert. Denken wir zum Beispiel an die Guernica.

Unter Kunst verstehen wir aber auch die Entwicklung zum Ergebnis. Den Prozess selber, wie wir ihn auch in der akustischen Darstellung von Musik wiederfinden. Und genau da schafft der Stierkampf, mit seinen Bewegungsabläufen, dem Spiel der Farben, den Effekten durch Licht und der Schatten, der Musik, dem Ambiente und seiner Dramatik viel Freiraum für kreative Gestaltung. Gerade in dieser theatralischen Darstellung mit dem beinahe unabwendbaren Ergebnis des Todes sehen viele Künstler eine Herausforderung. Und so reflektiert sich der Stierkampf in zahlreichen künstlerischen wie kulturellen Gattungen.

In der Malerei:

Der erste bekannte Vertreter dieser Gruppe dürfte wohl Francisco de Goya (1746 – 1828) sein. Seine berühmte „La Tauromaquia“ bestand aus 44 Radierungen (von denen heute noch 40 erhalten sind) und ist zwischen 1814 und 1816 entstanden. Nicht weniger unbedeutend seine Darstellungen des Toreros José Delgado 'Pepe Illo' (1754-1801), vor allem seinen tragischen Tod in der [i}Plaza de toros[/i] von Madrid. Der zweite große Name im Bereich der malerischen Tauromaquia kommt aus Málaga: Pablo Ruiz Picasso (1881 – 1979). Erst ein Besuch einer corrida de toros in dem französischen Arles 1957 inspirierte den Künstler zu einer eindrucksvollen grafischen Umsetzung über die Kunst des Stierkampfes. Erwähnt seien noch großartige Künstler wie Ignacio Zuloaga (1870 – 1945), Eduard Manet (1832 – 1880), Joaquín Sorolla (1863 – 1923), Daniel Vázquez Díaz (1882 – 1969), Eugenio Lucas (1858 – 1918), Roberto Domingo (1883 – 1956), Martinez de León (1895 – 1978) und die Illustrationen von Gustavo Doré (1832 – 1883) und Pharamond Blanchard (1805 – 1873) die wir in den Büchern „Voyage en Espagne“ bzw. in der kurzen Form von „Reise in Andalusien“ von Théophile Gautier finden. Um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

In den Stierkampfplakaten:


Naheliegend ist es wohl, dass sich einige Künstler in der Gestaltung von den carteles übten. Also Plakate die die Stierkämpfe ankündigen. Ohne darauf näher einzugehen hier ein Kuriosum: Sie hat immer in der ersten Reihe gesessen und dabei oft gleich drei Plätze eingenommen - damit sie ihre Malutensilien ausbreiten konnte. Mit Tusche fing die aus Wiesbaden stammende Edith Hultzsch die Bewegungen von toros und toreros ein. 1981 war sie die erste und bisher einzige Deutsche, die den Wettbewerb für das Plakat zu den Fiestas de Sanfermin in Pamplona gewinnen konnte.

 In der Bildhauerei:

Wer sich in der Dekorationsabteilung des spanischen Kaufhauses El Corte Inglés umschaut, hat mit Sicherheit schon einmal die metallenden Kopien von dem spanischen Bildhauer Mariano Benlliure (1862 – 1947) gesehen. In seinen Figuren spiegelt sich die gesamte Kraft der toros bravos wieder. Dekorativ für einen jeden aficionado der auch die Möglichkeit hat, diesen dekorativ zur Schau zu stellen.

In der Musik:

Da fällt einem natürlich zuerst einmal der Paso Doble ein. Nicht umsonst kennt man Ohrwürmer wie España cañi von Pascual Marquina Narro (1873 – 1948) oder Valencia von José Padilla (1889 – 1960). Und was wäre die Opernwelt ohne Carmen von Georges Bizet (1838 – 1875), welche erst, nach dem Tod des Komponisten, bei der Wiederaufführung in Wien 1875 zu einem internationalen Erfolg wurde. In Spanien schaffte 1912 El gato montés von Manuel Penella Moreno (1880 – 1939) den Durchbruch.

Auch im Flamenco sorgt der Stierkampf für viel Dramaturgie. Ob Gesang, Gitarre oder beides, in Spanien hat es viele bekannte Namen hervorgebracht, wie unter anderem den Sänger
Pepe Marchena (1903 – 1976) oder den Gitarristen Manolo Sanlúcar (geb. 1943) mit seiner bekannten Tauromagia (man achte auf das „gia“ statt dem „qìua“). Nicht umsonst ersetzen Flamencomusiker bei besonderen Stierkämpfen den Paso Doble. Das sich Literatur mit Musik verbinden kann zeigt hier der Llanto por Ignacio Sánchez Mejías mit dem Text von Federico García Lorca (1898 – 1936) und der Musik von Maurice Ohana (1913 – 1992).

Im Tanz:


Wo Musik ist kann auch getanzt werden. Und da holt uns zunächst der Paso Doble wieder ein. Nichts versinnbildlicht heute mehr den Stierkampf auf der ganzen Welt als dieser Tanz im 2/4 Takt (ursprünglich im 3/4Takt). Seit 1963 gehört er sogar zum Pflichtprogramm der lateinamerikanischen Tänze.

Aber nirgends findet der Stierkampf soviel theatralischen Ausdruck wie beim Flamencotanz. Die ernsthaften bis verzerrten Gesichter, die gespannten Körperhaltungen und die kontrollierten Bewegungen bis hin in das kleinste Detail spiegeln alle Dramatik einer
Corrida de toros wieder. Aktuell und auch in Deutschland zu sehen der aus Sevilla stammende Israel Galván (geb. 1973) mit seinem 2004 entstandenen Programm „Arena“. Hier stellt der Tänzer alles selber dar: Den Toro, den Matador de toros, den Banderillero und auch das Leben und den Tod, und zu der Choreographie ließ er sich durch die Zeichnung „Tauromaquia“ von Goya inspirieren. Von Kunst zu Kunst.

Im Film:


Erstaunlich dass bei soviel Dramaturgie der Stierkampf beim Film nie so den Durchbruch schaffte. Das liegt wohl auch daran, dass mit dem Medium Film eine sehr breite Masse angesprochen wird, und mit der Welt der Stiere eben wohl nicht der angestrebte Gewinn zu finden sei. Hollywood & Co. trauten sich an dieses Thema nicht ran. Doch ein kleiner mexikanischer Junge namens
Leonardo schaffte es 1956 in dem Film „Roter Staub“ tausende von jungen Zuschauern zum Weinen zu bringen, als sein Stier Gitanillo begnadigt worden ist. Und in Spanien? Ein paar Billigproduktionen, oft mit Coplaeinlagen vermischt, für den eigenen Markt – das war es eigentlich auch schon.


Adrian Brody als Manolete
Nur der spanische Regisseur Pedro Almodóvar (geb. 1951) wagte den Sprung mit der Thematik des Stierkampfs auf die internationale Bühne. Und mit Erfolg: „Matador“ aus dem Jahre 1986 mit Antonio Banderas. 2002 gab es sogar einen Oskar für den vielgerühmten Film „Sprich mit ihr“, wo eine Stierkämpferin im Zentrum des Geschehens steht. Dann war wieder Stille. Und erst jetzt wird die internationale Filmgemeinde gleich mit zwei Stierkampfproduktionen überfallen: Im November 2008 wurde in den Vereinigten Staaten der Dokumentarspielfilm „The matador“ mit einem „echten“ Matador de toros, dem populären David Fandila „El Fandi“ aufgeführt. Vorraussichtlich noch in diesem Jahr dürfen sich die Filmfans freuen auf Oscarpreisträger Adrian Brody der den legendären Torero Manolete verkörpert, welcher 1947 von dem Miura-Stier Islero in Linares getötet worden ist, sowie der spanischen Schauspielerin Penélope Cruz als seine große Liebe.

In der Photographie:


Ähnlich wie sich Fotografen zum Beispiel auf gewisse Sportbereiche spezialisiert haben, verhält es sich auch hier beim Stierkampf. Aktuelle Fotos, nahe am Geschehen mit gesellschaftlichen Blickwinkel und privater Sphäre, das ist in erster Linie gefragt. Momentaufnahmen journalistischer Darstellung des Lebens durch den Tod in der
Plaza de toros. Der erste bekannte Vertreter dieser Gruppe dürfte wohl der Franzose Juan Laurent y Minier (1816 – 1886) sein. Es folgte eine Menge an Stierkampffotografen, doch nur einer schaffte es mit seiner seiner weißen Kappe und der schon legendären Unterschrift an die wirkliche Spitze. Wer seinen Namen hört, bringt automatisch gleich den tragischen Tod von Manolete mit ihm in Verbindung: Francisco Cano Lorenzo (geb. 1912).

In der Literatur:

Nach den Romanciers wie Lord Byron (1788 . 1824) oder Thèophile Gautier (1811 - 1872) war es wohl Ernest Hemingway (1899 -1961) der dem spanischen Stierkampf zu internationalem Weltruhm verhalf. Neben seinen Büchern „Fiesta“ (1926) und „Tod am Nachmittag“ (1932) sorgten zahlreiche Depeschen für die Popularität der Tauromaquia. Der nach seinem Tod erst 1985 veröffentlichter Roman "Gefährlicher Sommer" gilt als das beste Werk, welches der amerikanische Schriftsteller über Stierkampf geschrieben haben soll. Viele folgten seinem Beispiel, James. A. Michener (1907 - 1997), Norman Mailor (1923 - 2007), John Steinbeck (1902 - 1968), Sidney Franklin (1893 - 1972) und so weiter, es wäre müßig sie jetzt alle aufzuzählen. Ein Buch soll aber nicht unerwähnt bleiben: „… oder du wirst Trauer tragen“ von Larry Collins (1929 - 2005) und Dominique Lapierre (1931). Hier wird auf brillante Weise der Werdegang von "El Cordobés" vor der Kulisse des spanischen Bürgerkrieges in die Diktatur hinein beschreiben.

Und im spanischen Sprachraum? Der "Stierkampfbrockhaus"
Cossío widmet dem Thema "Literatur und Journalismaus" ganze 700 Seiten. Das lässt erahnen, dass der Stierkampf auf der Iberischen Halbinsel zum literarischen Tagesgeschäft gehört. Dabei fallen große Namen wie Rafael Alberti (1902 - 1999), Juan Ramón Jiménez (1881 - 1858), Salvador Rueda (1857 - 1933), José Zorilla y Moral (1817 - 1893), Octavio Paz (1914 - 1998), Pablo Neruda (1904 - 1973), Vicente Alexandre (1998 - 1994), Camilo José Cela (1916 - 2002), José Ortega y Gasset (1883 - 1955), Federico García Lorca (1998 - 1936), um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

Jährlich über 25.000 Artikel in der spanischen Presse ergänzen das literarische Angebot.

Fortsetzung folgt: Ist Stierkampf Kunst? (2. Teil)