Unblutige Stierkampfe in Las Vegas bald ohne Toreros?
Groß wurde es angekündigt. Unblutige Stierkämpfe in den Vereinigten Staaten. Es sollte eines der medialen Ereignisse in der Glamourwelt von Las Vegas werden. VIP-Lounges, Sterne-Menus für 650 Dollar und die normalen Eintrittskarten ab 75 bis 550 Dollar sollten Zuschauer aus Amerika und der ganzen Welt anlocken um die 7.000 Plätze im South Point Hotel and Casino zu füllen.
Erste Reaktionen auf der iberischen Halbinsel belächelten dieses Vorhaben. So ganz nach dem Motto, sollen sie nur mal machen! Ein Freund von mir winkte gleich ab: “Genau, ich gebe da zwei- bis dreitausend Dollar oder mehr aus, um mir mit einem mit Sicherheit nicht fachkundigem Publikum irgendwelche Kerle anzuschauen die sich toreros nennen und auf so komische Matratzen einstechen!”
In einem Punkt irrte sich mein Freund. Nicht vollkommen unbekannte Provinzkerle, sondern die Stars der Stierkampfszene sollten einen Erfolg garantieren. Und in der Tat, waren auf den Ankündigungen große Namen zu lesen. Die Creme de la Creme der aktuellen tauromaquía: Enrique Ponce, Julián López El Juli, El Fandi, Francisco Rivera Ordóñez, José Ortega Cano, Morante de la Puebla, Javier Conde, Pedrito de Portugal, um nur einige zu nennen. Die Presse und die einschlägigen Medien in Spanien hielten sich zu diesem Thema eher bedeckt. Nur in den Reihen der aficionados wollte man es genauer wissen: Was bewegt einen Startorero wie Enrique Ponce sich für so ein Spektakel zur Verfügung zu stellen? Was bringt die Künstlertoreros Morante de la Puebla oder ein Javier Conde dazu? Mit welchen Summen wurden sie wohl gelockt? Gut, ein Ortega Cano, das weiß ganz Spanien, dem fehlt es an finanziellen Mitteln und kann ein jedes Geld ziemlich gut gebrauchen. Nur, was ist eigentlich, wenn in Amerika keiner diese Stars aus der Welt der Stierkämpfe kennt?
Da kam die Stunde der Wahrheit und keiner ging hin!
Die 44 VIP-Tische wurden entfernt, das Menu gestrichen und nicht einmal zu einem Drittel konnten sich die restlichen Zuschauerreihen füllen. 315 bis 450 Dollar für einen Sitzplatz in den ersten acht Reihen, dass ist einfach zu viel! Auch am nächsten Tag sah es nicht anders aus. Weder Touristen noch Amerikaner können sich dafür begeistern, was beim amerikanischen Sender Univisión in spanischer Sprache in der Rubrik “Sport” zu sehen ist: Toros sin sangre!
Stiere ohne Blut?
Beim Internetportal “La Tauromaquía” bringt man es auf den Punkt: “Fliesst bei diesen toros Coca Cola durch die Adern? Korrekt wäre "Toreo sin sangre" Es zeigt auf wie oberflächig und unseriös die Veranstalter mit diesem doch für viele traditionellem Kulturgut umgehen. Zugegeben, in Spanien existiert sehr wohl der Begriff der toros. “Vamos a los toros” ein typischer Ausruf, dass wir jetzt eben nicht nur zu Stieren sondern zu einem Stierkampf gehen. Aber der Begriff löst bei Nichtkennern mit Sicherheit Irritationen aus. Und die von Don Bull erklärte Aufklärung und Annäherung an die Welt der toros findet so mit Sicherheit nicht statt. Noch ein Beispiel:
Ein Stier wird nicht getötet und begnadigt?
Da wird geworben, dass die Stiere weder verwundet noch in der Plaza de toros getötet werden. Mit allem Respekt, wie kann man da einen toro bravo auch noch begnadigen? Passiert da den Tierchen doch etwas hinter den Kulissen? Sofort ab ins Steakhaus? Es ist ganz gewiss nicht so, dass die Stiere nicht getötet werden sollen oder können. An keiner Stelle wird das von Don Bull oder seiner “Produktionsfirma” festgehalten, aber man will es suggerieren, dass den Stieren eben nichts geschieht.
Erkennen wir hier nicht eine Doppelmoral? Ist es nicht so, wenn wir uns einen guten Stier anschauen, viele olés rufen, toros und toreros bewundern, und wissen dabei, dass der Stier in wenigen Minuten sterben wird? Bewegt man sich da nicht in die Richtung eines ethisch-moralischen Zwiespalts? Werden hier Werturteile den momentanen und vor allem optischen Bedürfnissen angepasst und „mit zweierlei Maß“ bewertet sodass man sie publikumswirksam in Szene setzen kann? Der Stierkampf nur noch als ein reines Marketingobjekt?
Und jetzt Toros ohne Blut und ohne Toreros?
Da tönte Don Bull noch vor wenigen Tagen bei der Radiosendung Carrusel Taurino, er sei sehr stolz und befriedigt wie sein Projekt angelaufen sei. Zwar waren die ersten beiden corridas nicht so gut besucht, aber er will weitermachen, auch mit einem neuen Marketingkonzept. Und der US-Bundesstaat Nevada will mithelfen und sich darum sorgen, dass wenigsten 4.000 verbilligte Karten an den Mann gebracht werden können. Doch mal ehrlich, wovon will man dann eigentlich die Torero-Stars bezahlen?
Am besten gar nicht, denn ein Großteil der spanischen Elite hat sich zurückgezogen oder stellt ihren Auftritt in Frage. Nicht nur, weil es ihnen selbst suspekt erscheint, nein, die Kritik aus den Reihen der eigenen afición ist grösser geworden. Und die treuen Anhänger will man natürlich nicht verärgern.
So gesehen hat mein oben zitierter Freund gar nicht mal unrecht! Wer zahlt schon über 200 Euros zum Beispiel für einen Enrique Ponce, El Fandi und Francisco Rivera Ordóñez in Las Vegas, wo allein schon Anreise und Unterkunft ein Vermögen kosten, wenn man dieselben Toreros vor spanischer Kulisse in einer Plaza de toros der ersten Kategorie für 20 bis 65 Euros sehen kann?
Bleiben noch die Amerikaner. Aber, kommt es denen nicht billiger und vor allem authentischer dann nach Mexiko zu reisen?
Man kann es drehen und wenden wie man will. Es entsteht der Eindruck, das Don Bull, in seiner Eigenschaft als Veranstalter weder den toreros und den toros noch dem Publikum den nötigen Respekt gegenüber zeigt. Wahrscheinlich ist wohl auch der Name “Don Bull” nicht richtig gewählt. “Don Bill” würde eher passen, der Herr der Banknoten, derjenige dessen Illusion nur aus vielen, vielen Dollars besteht und nicht in der Befriedigung der afición. Da liegt der entscheidende Unterschied.