Sonntag, 28. Oktober 2018

Wieviel (S)Tier ist der Mensch?

Spontane Eindrücke vom ersten Stierkampf (1. Teil)
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von Stephan Billinger

Der gebürtige Schweizer Stephan Billinger ist in Frankreich aufgewachsen und trotzdem nie der tauromaquia so richtig begegnet. Gehört und gelesen hat er viel davon, aber eher als neutraler und interessierter Beobachter. Doch in diesem Jahr sollte die Begegnung mit der mundo de los toros stattfinden. Nicht nur auf dem Papier oder am Bildschirm, sondern es auch in einer Plaza de Toros in Andalucía miterleben. Das erste Mal in seinem Leben, wo er dem vorgeführten wie ausgeführten Tod selbst begegnet.

Seine Wahl fiel auf Fuengirola, westlich der südspanischen Metropole Málaga. Diese 65.000 Seelen-Gemeinde versteht sich als sehr taurino, kommen von und leben dort viel toreros, wie die der Clan der rejoneadores und ganaderos Galan, der bekannte matador de toros Miguel Márquez oder aktuell der ehemalige espadaaktuell der Direktor der escuela taurina von der La MalaguetaFernando Cámera. An einem recht heissen tarde de toros traten vor 4.000 Zuschauern im coso von Fuengirola zur letzten grossen corrida de toros in der laufenden temporada in der Provinz Málaga, die maestros Finito de Córdoba (silencio, palmas), Juan José Padilla (dos orejas, oreja) und El Fandi (dos orejasoreja) an. Für den Piraten, Juan José Padilla, war es der vorletzte Auftritt in Spanien in seiner temporada de despedida, wo er sich hiermit auch von der südandalusischen afición verabschiedete.
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Es ist schon erstaunlich, dass ich es während meiner ganzen Zeit, immerhin schon über fünf Jahre, in Frankreich nicht schaffte einmal zu den toros zu gehen. Na ja, nicht schaffen wollte, denn das hatte allerdings einen Grund. Obwohl es ja corridas nur in einigen Städten im Süden gibt, soll es aber laut den Medien in Frankreich mehr aficionados a los toros geben als im spanischen Nachbarland. Trotzdem konnte ich mich nicht damit anfreunden, wohl wegen der Sprache, denn sich auf Französisch über die toros zu unterhalten passte irgendwie nicht in meine Vorstellung von Stierkampf. So musste mein erster Besuch einer corrida de toros bis zu meiner nächsten Spanienreise warten. Jedoch bekam ich einiges im TV zu sehen, und Toros para Todos (👍) war jeden Sonntag natürlich Pflichtprogramm. Auch SfA hat viel dazu beigetragen, mein Wissen zu vergrössern. Vielen Dank dafür.
Plaza de Toros in Fuengirola (Málaga
Und nun war es soweit. Bei einer Andalusien-Rundreise bekamen wir die Möglichkeit in Fuengirola nicht nur irgendeine corrida zu sehen, sondern ein cartel, das es in sich hatte. Vor allem wohl wegen der Abschiedsvorstellung von dem Piraten, wie sie den matador Juan José Padilla nennen, weil er auf tragische Weise bei einem Stierkampf ein Auge verloren hatte, und statt sich zurückzuziehen mutig sich weiterhin und noch mutiger den toros stellt. Irgendwo hatte ich gelesen, dass sich der wahre Mut eines toreros erst nach seiner ersten schweren Verwundung durch einen Stier zeigt.

Erstaunlicherweise war die corrida nicht ganz ausverkauft, trotz des Auftrittes des Piraten, aber eine unheimlich freundschaftliche Stimmung erwartete uns in der Plaza de Toros. Wir leisteten uns für 90 Euro sehr gute Plätze, denn beim Erwerb fragten wir nach der ersten Reihe, also barrera, und zwar dort im sombra, dort wo sich die toreros im Zwischengang aufhalten. Die neben uns sassen gaben uns aus ihrer bota einen köstlichen Tropfen süssen Weins aus Málaga zu trinken, und erklärten den "Neueinsteigern", also uns, ein wenig über den Ablauf einer corrida de toros und über den Piraten.

Und dann ging es los. Die Fanfaren ertönten. Ich beobachtete die toreros wie sie gespannt an der hölzernen Wand in das Rund schauten und auf den Stier warteten. Was sie wohl dachten? Wie fühlt man sich, gleich der Gefahr zu begegnen? Hat man Angst? Auch ich hatte ein mulmiges Gefühl, saß ich doch gleich neben dem ruedo an der barrera. Die toreros kaum von uns entfernt. Unser Blick folgte dem ihren, direkt zum Tor, wo der Stier das Geschehen betreten sollte. Hoffentlich bleibt der Stier auch im Rund und springt nicht zu uns in das Publikum. 

Und noch etwas ging mir durch den Kopf. Es war jetzt das erste Mal in meinem Leben, wo ich bewusst dem Tod begegnete. Vor meinen, unseren Augen soll getötet werden. Wer wen auch immer, ob der torero den toro oder vielleicht sogar umgekehrt. Man nimmt Blut in Kauf. Mitleid kommt auf, oder auch nur schlechtes Gewissen, weil man die Tiere noch lebend sieht, was man vielleicht später auf dem Teller hat. Will man das wirklich sehen? Warum? Lieber doch aufstehen und gehen? Oder ... 
Der erste toro betritt die Bühne.
... keine Zeit, schon rast ein vierbeiniges Koloss von fast einer halben Tonne durch ein kleines Tor ins ruedo. Auf den ersten zwanzig Metern soll ein Stier schneller sein, als ein Rennpferd und schon kracht der toro ins burladero, der hölzernen Umrundung der Stierkampfarena. Holzsplitter fliegen durch die Luft, keine fünf Meter von uns entfernt. Und schon ist es verschwunden, das Mitgefühl für den Stier. Man empfindet keine Reue mehr hier zu sein, eher denkt man an das eigene heile Davonkommen und an den torero, der jetzt seinen ganzen Mut aufbringen muß, um sich vor die hölzerne Wand zu begeben um sich dem Stier zu stellen. 

Der erste matador, Finito de Córdoba, hatte wohl Pech mit seinen Stieren, und kam über ein aplausos nicht hinaus. Aber dann kam er, der Pirat, Juan José Padilla. Mit Augenklappe und schwarzer Kopfbinde eines Piraten. Alle im Publikum kamen hauptsächlich wegen ihm und genau ihn wollten alle triumphieren sehen. 
Erst wartet das Publikum auf den Piraten, dann wartet der Pirat auf den Stier.
Und wie zu erwarten, konnte Padilla mit seinem Stier glänzen. Obwohl der toro eher etwas schwächlich wirkte, wirbelte der torero wie ein nicht zu bremsender Tornado durch das ruedo und es gelang ihm den Stier zum Angriff zu bewegen. Man sah, der Pirat wollte etwas erreichen, er wollte Beute, koste es was es wolle. "Que lío está formando!" (Was für ein Chaos er da anrichtet!) sagte lachend unser Nachar. Und das Chaos gefiel dem Publikum. Padilla setzte selbst unter tosendem Applaus die banderillas und als er dann zum letzten Drittel überschritt schien er sich selbst zu übertreffen. 
Der matador de toros, der Pirat, Juan José Padilla mit einem derechazo.
Furchtlos stand er in der Mitte des Platzes, forderte den Stier auf und wich selbst dem angreifenden Stier keinen Zentimeter aus. Eleganz, Kunst und Mut in einem. Eine perfekt inszenierter Todesstoss mit dem Degen sorgte für einen krönenden Abschluss, rauschenden Beifall, viele weißen geschwenkte Taschentücher und dos orejas.

Und wenn man nun die ersten beiden Auftritte vergleicht, erkennt man die Gegensätze. Beim ersten mit Finito de Córdoba waren wenige Emotionen im Spiel. Wir fragten uns im Laufe der Darbietung, ob dieses Spektakel seine Rechtfertigung finden könnte. War das einen Eintritt von neunzig Euro wert? Mehr noch, war es dafür gerechtfertigt, dass ein Tier leiden musste. Denn das es in einer gewissen Form leidet, davon bin ich überzeugt, aber ich empfand es nicht als Tierquälerei. Ich sah darin ehe eine  provozierende, das Tier ärgernde Aktivität. Den Umgang mit den Instinkten. Und genau das beeindruckte mich. 

Als schließlich dann der Pirat kam, war alles anders. Da mischten sich lautstarke Ränge ins Spiel mit ein. Stimmungen, Emotionen, Olé-Rufe, Gefühlsaufwallungen der Zuschauer, unser Nachbar rief nach jedem Manöver "Bién",und Empfindungen, welcher der torero in die tendidos übertragen konnte. Das überzeugte und bestätigte, dass es eine gute Idee war hier und jetzt eine corrida de toros zu besuchen.

Fortsetzung folgt
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Quellennachweise:

Fotos: mundotoro, Vocento, Andres López 

Sonntag, 21. Oktober 2018

Vorbild für Goya?

Die Ikonographie von Jean-Baptiste Boudard
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 von Hans-Gerd T.

Von Hans-Gerd T. aus Leverkusen hat SfA diese Tage folgende Mail erhalten, wo sich der Verfasser auf den Beitrag Goyas Humanisierung der Stierkämpfe vom 17. Oktober 2018 bezieht:
"Mit Interesse habe ich den Beitrag von der Humanisierung von Stierkämpfen durch Goya gelesen. Diesem kann ich durch und durch nur zustimmen. Vor allem in den Bewegungsabläufen findet sich viel Parallelität zum offensichtlich normalen Leben wieder. Nicht umsonst vergleichen, auch viele Gegner von Stierkämpfen, die toreros nicht selten mit Balletttänzern oder Ballerinen. Mit Sicherheit eine Kunst für sich aber ohne Stiere. Oder in den Strassen sehen wir Damen eines jeden Alters mit den typischen Schuhen eines Stierkämpfers, welche auch den Namen eines sehr berühmten Toreros tragen: Manoletinas. 

Vor ein paar Tagen entdeckte ich einem dicken Band eines Freundes von mir zahlreiche Radierungen von Goya und eine Ikonographie von Jean-Baptiste Boudard aus dem Jahr 1759. Auch diese erinnert an Stierkampfs, so wie ein Torero eine muleta halten und führen könnte. 

Also haben wohl im 18. Jahrhundert auch andere Künstler Bewegungen aus dem Stierkampf in ihren Werken refklektieren lassen. Oder haben es sich die Toreros von der Umwelt abgeschaut und diese in der Plaza de Toros vor den Stieren spielerisch wieder dargestellt?"

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ANMERKUNG von SfA:


Der Bildhauer Jean Baptiste Boudard (1710 - 1778) soll, laut dem spanischen Philosophen und Kunsthistoriker Valeriano Bozal Fernández, in der Tat mit seiner Ikonographie "Effort avec trompete" dem spanischen Maler als Grundschema für die Disparates (Torheiten) von Francisco José de Goya gedient haben.

Mittwoch, 17. Oktober 2018

Goyas Humanisierung der Stierkämpfe

Goyas Verbindung zwischen der Welt der Stiere
und der theatralischen Darstellung des menschlichen Lebens
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von Philip de Málaga

Während der antitaurinismo dazu neigt die tauromaquia unter dem Aspekt der antropomorfización zu betrachten, also in der corrida de toros ein grausames Opferritual zu erkennen vermag, sehen vor allem aficionados de toros intelectuales es mit anderen Augen. 

Der Träger zahlreicher Ehrenauszeichnungen für Wissenschaft, Kunst und Kultur, Dr. phil. Rainer Bischof, sieht im Ablauf einer corrida die Darstellung des Lebens im Tode und die Notwendigkeit des Todes im Leben. Mehr noch, es ist die umfassendste Darstellung des Lebens im Sinne des Theaters. Für ein jeden aficionado geschieht dieses auf dem Boden der Kunst - es un arte de torear. Die corrida ist somit auch eine Entwicklung und Resultat in Richtung Humanisierung und Ästhetisierung theatralischer Lebensumstände der Menschen durch ein Opferritual. 

Auch der spanische Maler Francisco José de Goya y Lucientes (1746 - 1828) hat sich sein ganzes Lebens mit den toros auseinandergesetzt. Auch wegen seiner doch sehr genauen Kenntnisse über den Ablauf einer corrida de toros und seiner intensiven Emotionen im Umgang mit diesem Thema, rechtfertigen wohl die Erkenntnis, ihn als einen authentischen aficionado de toros jener Epoche zu bezeichnen. 

Obwohl Goya erst mit 70 Jahren, also 1816 seine berühmte Serie mit 33 Radierungen zum Thema Stierkampf unter dem Titel La Tauromaquia in der Tageszeitung Diario de Madrid veröffentlichte, beschäftigte er sich schon seit seiner Kindheit mit den toros. So stellte er schon im Jahr 1779 auf einem Teppichkarton, "La Novellada", einen torero mit eigenen menschlichen Charakterzügen dar.
"La Novellada" (1779)
1815-1817 entstand die Radierung Disparate de Bestia (Tierische Torheit). Dort stehen vier Personen aus dem Orient in einer leeren Arena, welche eine Plaza de Toros symbolisieren soll, einem Elefanten gegenüber. 
"Disparate de Bestia" (1815-1817)
Einer der Orientalen trägt ein grosses Buch, wohl ein Gesetzbuch, und ein anderer hält ein Halsband mit Glocken. An der Haltung dieser kleinen Gruppe lässt sich  pure Angst vor dem doch recht grossen Tier vermuten. Schliesslich macht der  kontrastreiche hell gezogene Bogen in der Arena den Grenzbereich von der Gefährlichkeit dieser Begegnung zwischen Mensch und Tier deutlich. Genauso wie die barrera-Abgrenzung im ruedo einer Plaza de Toros. Es gibt Interpretationen zu dieser Radierung, welche andeuten, dass Goya mit dem Elefanten auf die Masse des spanischen Volkes, und mit dem orientalischen Grüppchen auf die kleine herrschende macht und die wenigen Intellektuellen anspielen könnte.

Ein weiteres Werk, welches an Elemente aus der tauromaquia erinnert ist Disparate cruel (Grausame Torheit). 
"Disparate Cruel" (1815)
Bei diesem Werk scheiden sich jedoch die Geister um eine passende Bedeutung, eine Erklärung für das Gesehene zu finden. Eine optische Parallele findet man zum tercio de varas einer corrida, wo ein picador mit seiner pica seiner Aufgabe nachgeht. Für Diskrepanz bei diesem Bild sorgen der zornige Ausdruck und das gewaltsame Vorgehen des Mannes mit der vara und die doch eher distanzierte Haltung der sich abwendenden Zuschauer. Übrigens als Mann und Frau, worin ein einige einen gewissen sexuellen Scham drin erkennen wollen. Wie auch immer, ein Bezug zur tauromaquia ist festzustellen, allein schon wenn man einen Blick auf die anderen Radierungen von Goya wirft.
Goya hat sich viel mit dem tercio de varas auseinandergesetzt.
Einer der Motive, warum Goya in seiner La Tauromaquia die Radierungen ohne Untertitel und erklärende Texte zeigte (es gab lediglich ein Beiblatt mit der Aufzählung und kurzen fachlichen Beschreibungen der Grafiken), war zum einen, dass er wohl allgemeine Kenntnisse der Vorgänge bei den toros voraussetzte, und zum anderen wollte er den Blick des Betrachters nicht auf einzelne mögliche Darstellungen lenken, um damit die Illustrationen in ihrer eigenständigen, aber geschlossenen Gesamtheit zu zeigen. Sie sollten auf den Betrachter wirken. So kam es, dass die intellektuelle Betrachtungsweise ins Spiel kam, politische Gegebenheiten angedeutet wurden und der historische Prozess im Ablauf zu erahnen ist:

  • -->  Der freie Auseinandersetzung mit den toros durch die Landbevölkerung.
  • --> Psychische wie physische Überlegenheit durch die Mauren im Umgang mit den toros.
  • -->  Die Übernahme der toros durch den spanischen Adel. Neben den Turnieren übten sich auch die Ritter zu Pferde im Umgang mit der pica. Die mundo taurino wurde zum Spielplatz politischer Machtspielereien.
  • --> Der Übergang der tauromaquia zum spanischen Volk. Ein Privileg, welches die Bürger nicht mehr abgeben wollten.
So kann man durchaus von einer taurinischen Evolution im ruedo wie ausserhalb der Plaza de Toros sprechen. Mehrere Ereignisse parallel erlebt und dargestellt. Und ein jeder mit seinem Anliegen in dieser Thematik: Das Königshaus achtend auf Regentschaft und Staatsgewalt, die Kirche mit Einfluss und Macht, der Adel greifend nach Geld und Landbesitz, das Volk kämpft ums Überleben und die taurinos widmen sich eben ihren toros

Der Stier stirbt so oder so. Meistens um auf unseren Tellern zu landen. Aber auch beim Töten der toros bei den festejos taurinos hat es eine Humanisierung gegeben. Mit der gezielten estocada ist sie "humaner" geworden. Hat man nicht damals auch die Guillotine als eine humanitäre Tötungsart gesehen? So spiegeln sich in dem Bewusstsein solche historischen Ereignisse in einer anderen, eben humanitärer erscheinenden Dimension ab.

Und so erkennen die aficionados de toros intelectuales in der tauromaquia ein Spiegelbild der iberischen Evolution. 
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Quellennachweise:

Heilige Hochzeit, Rainer Bischof, Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar, 2006
Francisco Goya - Leben und Werk, Pierre Gassier, Juliet Wilson, Propyläen Verlag, Berlin 1987
Goya, Valeriano Bozal, Jutta Held, Eleanor A Sayre, Städtische Galerie im Städtischen Kunstinstitut, Frankfurt 1981
El Mundo de Goya en sus dibujos, Enrique Lafuente-Ferrari, Urbion, Madrid 1979
La Tauromaquia, Diario de Madrid, Madrid 1816

Freitag, 12. Oktober 2018

Man muss sich nicht für den Stierkampf entschuldigen

Ein englischer Lord verteidigt die Tradition der Tauromachie
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von Lord Garel-Jones


Der konservative Politiker William Armand Thomas Tristan Lord Garel-Jones ist 1941 geboren und lebte von 1948 bis 1971 in der spanischen Hauptstadt Madrid, wo es ihn immer wieder hinzieht. 1966 heiratete er die aus Madrid stammende Catalina Garrigùes, was ihn immer mehr mit Spanien verband. Mit neun Jahren sah er in Las Ventas seine erste corrida de toros und war von dem espectáculo taurino und dem ganzen Umfeld, der mundo taurino, so fasziniert und begeistert, das er sich in den über zwanzig Jahren auf der Iberischen Halbinsel zum puren aficionado de toros entwickelte. Im April des Jahres 2012 war er sogar der Eröffnungsredner beim pregón taurino der berühmtem Feria de Abril in der andalusischen Hauptstadt Sevilla. Im selben Monat wurde Lord Garel-Jones von der Tageszeitung ABC (Ausgabe Sevilla) mit dem IV Premio Periodístico Taurino ausgezeichnet, welchen im Vorjahr der peruanische Schriftsteller Vargas Llosa und davor der französische Philosoph Francis Wolff erhalten hatten. Für den britischen Politiker gehört die mundo de los toros zur europäischen Kultur. Und es ist für ihn in keinster Weise gerechtfertigt, dass sich Länder wie das Vereinte Königreich in die spanischen Kulturen wie die tauromaquia einmischt, statt den Problemen im eigenen Land Priorität zu geben. Lord Garen-Jones ist Unterstützer und Förderer der Human UK, einer Vereinigung zur Verweltlichung und Förderung des Humanismus.
Der spanischen matador de toros Curro Romero und
der britische Politiker Lord Garet-Jones in Sevilla im April 2012.
"Spanien sollte aufhören sich für die fiesta ständig zu entschuldigen und mit Stolz dahinter stehen, wofür sich der Minister für Kultur, José Ignacio Wert einsetzt." 

"Die tauromaquia ist eine universelle Kunst, die es auf der ganzen Welt zu verteidigen gilt." 

Ich war stets gegen antropomorfización engagiert, welche Tieren menschliche Gefühle zuschreibt. Denn das ist falsch, kein Zweifel. Aber ich bin natürlich total gegen die Misshandlung von Tieren und Pflanzen (ehrlich, denn ich bin unter anderem Mitglied in einer Gesellschaft zum Schutz von Vogelarten). Aber es muss eindeutig klar sein, ein Tier ist definitiv kein Mensch!" 

"Anstatt zu denken dass man sich im Mittelpunkt des Universums befindet sollte Großbritannien erst einmal im Wesentlichen seine eigenen Hausaufgaben erledigen statt das Augenmerk auf den Schutz der Tiere zu richten." 
Der britische Politiker Lord Garel-Jones
erhält für seinen unermüdlichen Einsatz für die tauromaquia
in Sevilla eine Auszeichnung der Tageszeitung ABC.
"Durch die tauromaquia sollen wir nicht in Verlegenheit gebracht werden. Im Gegenteil. Sie ist einer der grundlegenden Fundamente der spanischen Kultur. Eine Welt in der man nur die englische Sprache spricht und die unter dem erdrückenden Gewicht einer nordamerikanischen Kultur leidet, das kann es doch nicht sein. Die toros und die hispanische Kultur haben viel der Welt zu bieten." 

"Weil ich die toros verteidige werde ich oft als Barbar oder als ein Rohling bezeichnet. Aber es ist doch gar nicht schlecht ein Wilder zu sein, stehe ich doch mit meiner Gesinnung neben Leuten wie Goya, Picasso, Ortega y Gasset oder García Lorca." 

"Bezüglich der fiesta sei ein jeder daran erinnert, das er sich auf dem Weg des Lebens zum Tod befindet. Und diesen müsse man, eben wie ein torero, mit Würde gehen."
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Quellennachweise:

Lord Garet-Jones: España tiene que dejar pedir perdón por los toros!, La Vanguardia, 3.4.2014
Entender la gran cultura Europea, Sol y Sombra, 6.4.2012
Tristan Garet-Jones pregonará la Fería de Abril de toros, ABC Sevilla, 17.2.2012
Un ingles como aficionado de toros en Sevilla, SUR Málaga, 23.1.2012
Late Spanish Election Result, The Spectator, 27.3.2004

Dienstag, 9. Oktober 2018

Momente vor der Gefahr

Wenn die Toreros vor der Begegnung mit dem Stier
in sich gehen ...
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von Philip de Málaga


Son las cinco de la tarde. Fünf Uhr Nachmittags. Die corrida de toros gehören zu den wenigen Dingen in Spanien, neben den kirchlichen Messen, welche stets auch pünktlich beginnen. Nach dem paseillo, dem von dem Publikum bejubelten Einmarsch der toreros, tauschen die Helden des ruedos den capote de paseo gegen eine capa de brega aus, vollführen mit viel temple noch einige suertes, und das festejo taurino kann beginnen. 

Ein nachdenklicher Belmonte.
beim Ankleiden für die toros.
Schon seit dem Hotel, wo sich die toreros langsam die traje de luces anziehen, ein durchaus etwas längerer Prozess, tauchen sie tief in ihr Inneres. In Gedanken sind sie schon bei ihrem toro im ruedo. Arme und Beine bereiten sich mental auf die suertes vor und man fragt, was wird dieser tarde de toros wohl bringen? Was muss man geben um zu triumphieren. Werden diese toros überhaupt zulassen das man die Plaza de Toros durch die puerta grande a hombros mit zahlreichen trofeos verlassen kann? Oder wird man mit silencios, einem broncazo, einer cornada oder gar dem muerte abgestraft? 

Wie geht man mit der Angst um? Ohne Frage sie ist da, präsent bis man vor seinem toro steht. Das Gefühl das man einer Situation begegnen wird, welche man als bedrohlich, gar als gefährlich empfindet. Angst, eine Aufforderung zu Disziplin, eine Anweisung zur Vorsicht. Angst ist wichtig, nicht nur überlebenswichtig, sie steht auch für den Respekt dem toro gegenüber. Ein toro bravo ist nun mal ein gefährliches Wesen. Im ruedo sieht er sich bedroht und wird alles und jeden angreifen was ihm im Weg steht. Und nicht zu langsam, denn ein toro beschleunigt schneller als ein Rennpferd. "Ich liebe den toro wie den Mond, je weiter weg, umso besser", erkannte schon der spanische Schriftsteller Federico García Lorca. Vor die Hörner eines toro bravos sollte man sich erst begeben, wenn man die Kunst des toreos auch beherrscht.

Der berühmte matador de toros José Miguel Arroyo "Joselito" bekannte mit 45 Jahren, vor seiner vorerst letzten corrida de toros in Istres (Südfrankreich): "Ich hatte stets ein wenig Angst wenn es zur patio de cuadrillas ging und ich wusste nicht, was mich erwarten wird. Nur eine Illusion oder so überwältigt dass ich nicht einmal atmen kann."
Der maestro "Joselito" hat seinen espada gegen einen Montblanc
ausgetauscht um sein pensamiento taurino schriftlich zu erfassen.
"Ich weiss auch nicht, ob ich dem entspannt entgegensehen kann oder ob es gar eine Bedrohung werden könnte. Diese Menschenmenge die da auf einen einstürmt, zahlreiche Glückwünsche sind zu hören, und ich frage mich, was reden die da, bin ich doch in diesem Moment halb tot vor Angst".

Einer der wohl berühmtesten toreros des letzten Jahrhunderts war der aus dem andalusischen Sevilla stammende Juan Belmonte García (1892 - 1962). Mehr noch, für viele aficionados gilt er selbst heute als der beste wie populärste torero der Geschichte der tauromaquia. Aber trotz seiner Popularität nahm der maestro an einem tarde de toros sein Publikum kaum wahr: "Von dem Moment  an wo ich mir die traje de luces anlege bis zum Ende der letzten espada bin ich alleine. Meine Gedanken und mein Handeln gehören nur dem toro. Im ruedo sehe ich kein Publikum; als ob eine gewaltige Käseglocke über uns steht, sehe und höre ich nichts anderes als den toro".
Der matador de toros Juan Belmonte, "alleine" in einer Plaza de Toros.
"Wenn der toro passiert, geschieht es. Aus zwei wird eins. Toro und torero werden zu einem Kunstwerk von verschieden pases, einer Harmonie von Mensch und Tier, etwas was diejenigen die man nicht sieht in Ekstase bringen soll".

Der aus dem Baskenland kommende matador Iván Fandiño (1980 - 2017) wurde im Juni 2017 im Alter von 36 Jahren von dem toro Provechito in der Plaza de Toros in Air-sur-l`Adour getötet. 
Der matador de toros Iván Fandiño im callejón.
Der Baske fixierte seine komplette mentale Konzentration auf die Arbeit mit dem toro dem er gleich gegenüberstehen würde. Es galt auf jeden Fall die Leute in den tendidos bei Laune zu halten: "Ich bin ein torero des Volkes. Und das Volk will Helden und Heldentaten! Es will unterhalten werden. Ich habe eine Verabredung mit der Geschichte, und wenn ich sterbe, sterbe ich frei. Denn für mich ist die Freiheit kein Abkommen, keine Abmachung, sondern eine tägliche Rebellion. Ich bin der Eigentümer meines Zieles, der Kapitän meiner Seele. Und meine Seele sucht die Einsamkeit und die Stille".

Der Franzose Sebastian Castella (Jahrgang 1983) steht im aktuellen escalafón an siebter Stelle. Ein torero der mit viel Ruhe nahe an den Hörnern arbeitet. Er war der erste französische matador der 2004 die puerta grande in Las Ventas von Madrid öffnete. 
Der Franzose Sebastian Castella.
"Es geht gar nicht darum den triunfo zu suchen, sondern darum, seinen eigenen Weg zu finden. Doch was tun, wenn der toro es nicht zulässt? Was tun wenn einem die Ideen ausgehen? Auf solche Gedanken sollte, nein, darf man erst gar nicht kommen. Man sollte sich nur auf den toro konzentrieren, nur er macht es möglich, damit man seinen Weg finden kann."

Den wohl berühmtesten Gedanken vor einer corrida de toros hatte im Jahr 1964 der schon 28-jährige matador  de toros Manuel Benítez "El Cordobés" vor seiner confirmación in Las Ventas von Madrid
Der weltweit bekannte matador Manuel Benítez "El Cordobés" beobachtet das ruedo.
Zu seiner Schwester sagte er: "Heute Abend kaufe ich dir ein Haus ... oder du wirst Trauer tragen". Puerta Grande o la de la enfermería. Welche Gedanken gingen wohl ihm durch den Kopf, als er im callejón auf seinen ersten toro wartete . . . und er wusste noch nicht, dass er einen toro impulsivo zugeteilt bekommen hat. Ein toro der ihn mit einer cornada verletzt und ihn in die enfermería befördert. Doch El Cordobés lässt es nicht zu, eilt verwundet zurück ins ruedo und tötet den toro. Ein oreja und eine Karriere begann. Auch deswegen, weil die corrida live im spanischen Fernsehen übertragen worden ist.
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Quellennachweise:

Joselito: "Me da miedo llagar a la plaza", Trujillo, La Razón 14. 6. 2014
Der Stierkampf - Eine Kulturgeschichte, Rolf Neuhaus, Insel Verlag 2007
Pensamientos, Toros & Cultura 2015
Alma taurina, Opinión, 4.09.2014
... oder du wirst Trauer tragen, Larry Collins, Dominique Lapierre, Goldmann Verlag 1993

Fotos: mundotoro, Toro & Cultura, Querétaro, Pedro Quintañol

Samstag, 6. Oktober 2018

Sinrazón - ein Drama des Toreros Sánchez Mejías

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von Torodora Gorges



Sinrazón, das Theaterstück des spanischen toreros und Schriftstellers Ignacio Sánchez Mejías (1891 - 1934), 1928 in Madrid uraufgeführt, blieb in Deutschland bisher weitgehend unbekannt. Dank der Übersetzung ins Deutsche von Petra Zickmann kann das Drama, mit 90 Jahren Verspätung, endlich auch dem deutschen Publikum, das an der Kultur Spaniens, insbesondere an seiner Literatur interessiert ist, zugänglich gemacht werden. 
Federico García Lorca (1898 - 1936) hat den Autor und torero  der 1934 den Hornverletzungen durch einen Stier erlegen war, mit seiner berühmten Elegie - dem Llanto por Ignacio Sánchez Mejías - unsterblich gemacht. Sánchez Mejías gehörte, wie sein Freund García Lorca, zu den Gründern der "Generación del 27", der avantgardistischen Literatengruppe.
Die Generación del 27 in einer Studentenresidenz in der spanischen Hauptstadt Madrid.
Er war seinerzeit nicht nur einer der bedeutendsten toreros. Er genoss hohe gesellschaftliche Anerkennung ebenfalls wegen seiner engagierten Aktivitäten in diversen Sportarten, dem Schauspiel, der Musik (hier vor allem dem Flamenco). Unter den Intellektuellen war er wegen seiner schriftstellerischen Fähigkeiten, auch als Journalist, geschätzt. 
Ignacio Sánchez Mejías (1891-1934)
In Ignacio Sánchez Mejías´ Meisterwerk Sinrazón finden sich psychoanalytische wie surrealistische Theorieansätze. Das Stück spielt im psychiatrischen Milieu. Ratio - Vernunft, Unvernunft - Irrationalität! Das Unbewusste, die Realität, das Surreale! Ordnende Kategorien verlieren sich, irren herum!
Das Drama spielt in einer Psychiatrie im Spanien der Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. In einer Nervenklinik werden, angelehnt an Sigmund  Freud psychoanalytische Theorie des Unbewussten im Zusammenhang mit surrealistischem Gedankengut, Heilungsversuche an seelisch kranken Patienten durchgeführt, von tragikomischen, dadaistischen anmutenden Szenen begleitet.
Ignacio Sánchez Mejías, torero und Boheme. Der Dandy aus der andalusischen Hauptstadt Sevilla
war nicht nur matador de toros sondern auch Polospieler, Rennfahrer, Pilot, Boxer,
Schriftsteller, Schauspieler, Intendant sowie Präsident des Roten Kreuzes
und des Fussballvereins Real Betis Boampie (1930 - 1932).
Dem Theaterstück wächst heute eine überraschende Aktualität zu: Denn wir nehmen wahr, wie die Politik vorgeblich vernünftigen Sachzwängen folgt, deren Irrationalität ständig offenbar wird.
 Die Lektüre von Sinrazón kann insofern auch als Lehrstück mit durchaus ironischem Tiefgang empfohlen werden. 
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Anmerkungen:
Ein Leseprobe finden Sie hier.
Titel:  S i n r a z ó n
Autor:  Ignacio Sánchez Mejías
Zeichnungen: Martina Kügler
Herausgeber:  Doris von Freyberg
Verlag: Book on Demand, 2018
Seiten:  80
ISBN-13: 9783752887211
Preis: 12,00 € (Buch), 7,90€ (E-Book)

Zu beziehen über BoD Buchshop.

Auf der Seite torodoro von Torodora Gorges finden sich viele Information über Llanto por Ignacio Sánchez Mejías von Federico García Lorca.

Weiterführende Artikel von SfA:

Fotos: Archivo Espasa-Calpe, Noticias Universidad, Sinrazón