Samstag, 27. April 2013

Ein Leben für die Stiere (2. Teil)





mit Miguel Sánchez


Der matador de novillos stellt sich den Fragen von Philip de Málaga

Miguel Sánchez: Mein ganzes Leben habe ich den toros gewidmet. Und als ehemaliger Bankmann ist es verständlich dass ich versuche es in Zahlen auszudrücken.
Wenn man das jetzt alles zusammenzählt, stellt man fest, der ist schon 100 Jahre alt.

SfA: Wie ist Deine Erfahrung als asesor artístico mit den Präsidenten einer corrida?

Miguel Sánchez: Vieles was man als asesor artistico sagt hören die Präsidenten zwar, nehmen es aber nicht wahr. Entscheiden letztendlich wie sie wollen. Sie haben manchmal den selben Einfluss wie schlechte Schiedsrichter beim Fussball und keiner kann dagegen etwas machen. Mir gefällt vor allem nicht, wenn die Mehrheit des Publikums ein oreja fordert und der Präsident dieses einfach ignoriert, obwohl er laut dem reglamento taurino dazu verpflichtet ist, diese Auszeichnung dem matador zu zugestehen.

SfA: Was ist für dich das toreo? Was bedeutet es für dich?

Miguel Sánchez: Beim toreo kann ich nur meine eigene Erfahrung sprechen lassen. Die toros und die dazugehörige afición sind nicht frei von Widersprüchen. Eigentlich habe ich keine Daseinsberechtigung. Ich will mich erklären. Als mich mein Vater mit sieben Jahren das erste Mal mitgenommen hatte, keine Frage ich war fasziniert, doch ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, selbst einmal im ruedo zu stehen. Und trotzdem kam es dazu. Ein unheimlich starkes Gefühl überkam mich. Und von da an begann ich mit was auch immer, einem Handtuch oder Ähnlichem und versuchte nachzuahmen was ich in der plaza de toros gesehen hatte. Das zu vermitteln ist nicht einfach, diese Erfahrung muss man selber machen. 

SfA: Wie siehst Du die Zukunft der toros?

Miguel Sánchez: Ich denke mit allen Schwierigkeiten welche derzeit nicht nur die fiesta zu kämpfen hat, bin ich sehr optimistisch eingestellt. In meinen Augen wird sie nie ihr Ende finden. Solange es Menschen gibt, die sich trauen einem toro entgegenzutreten und dabei auch noch unvergleichbare arte schaffen, wie zum Beispiel MoranteRafael de PaulaAntonio Ordoñez oder Curro Romero, brauch sich die fiesta keine Sorgen machen. Meint, mit  toreros und solchen Charakteren wird die fiesta nacional ewig bestehen.

Und wer ist eigentlich dagegen. Da verkaufen sich innerhalb von zwei Stunden gut 20.000 entradas um José Tomás zu sehen. Und vor der corrida kommt eine Handvoll Menschen, sie nennen sich antitaurinos, und beschimpfen diejenigen die es wagen, in die plaza de toros zu gehen. Es kann doch nicht sein, dass ich zu einer vollkommen legalen Veranstaltung gehe und von irgendwelchen Leuten lautstark als Mörder beschimpft werde. Wir taurinos verlangen ja nicht, dass sie sich ändern, sondern dass sie unseren Standpunkt und unsere Ideologie anerkennen, genauso wie wir ihre Haltung respektieren.

SfA:  Wo siehst Du die wirklichen Gegner der fiesta

Miguel Sánchez: Meistens finden sich die wahren Gegner der fiesta innerhalb der fiesta, sozusagen in den eigenen Reihen. Vor allem den empresarios fehlt es am notwendigen Weitblick. Sie denken alle in erster Linie an das schnelle Geldverdienen. Ich habe noch keinen empresario gehört, der kein Geld verloren hat. Alle haben Geld verloren, sagen sie. Dabei stimmt das gar nicht. Sie haben nur weniger verdient. Und was sie weniger verdient haben deklarieren sie öffentlich als Verlust. Ein Beispiel. Ein empresa möchte mit einer vollen plaza de toros fünf Millionen Peseten (ich rechne noch in Peseten) verdienen. Jedoch sind die corridas nur zu drei Viertel besucht und jetzt verdient man nur zweieinhalb Millionen Peseten. Doch statt vom Gewinn zu reden spricht man von zweieinhalb Millionen Peseten Verlust. Alle verlieren nur Geld. Wenn dann aber eine plaza de toros für die nächste temporada ausgeschrieben wird, stehen sie Schlange, manchmal bis zu zwölf Bewerbungen. Ist doch komisch, wo sie gar nichts verdienen.

SfA: Als torero, welche waren deine bevorzugten suertes?

Miguel Sánchez: Mit der muleta. Nicht so sehr mit dem capote. Im meinem Geist hatte ich immer Antonio Ordoñez. Ich habe ihn kopiert, und wenn ich mich dann im Nachhinein mich auf den Fotos gesehen habe, ich war selber überrascht. Dieselbe Haltung, das hat mich gefreut und stolz gemacht.  In sofern bildeten die Manöver mit der muleta den Kern meiner Arbeit. Vor allem die natural und derechazo.

SfA: Und die banderillas?

Miguel Sánchez: Nie, nicht mal beim Training.

SfA: Hast du auch Nachts heimlich unter Mondschein auf der Weide geübt?

Miguel Sánchez: Nie. Dazu bin ich viel zu legal. Und ausserdem war und ist mir bewusst, dass ich damit meine compañeros, die am nächsten Morgen antreten in Lebensgefahr bringe. Nein, das kam für mich wirklich nie in Frage.
Mijas ... Stierkampf für Touristen
Für Miguel Sánchez ein Alptraum

SfA: Was denkst du über die ausländische afición?

Miguel Sánchez: Wunderbar. Aber leider werden die Touristen, besonders hier an der Costa del Sol in Ortschaften wie MijasBenalmádenaTorremolinos und früher auch Fuengirola geradezu ausgebeutet. Die Eintrittspreise sind nicht selten exorbitant! Aber das ist nicht nur die Schuld der empresarios  sondern auch der Behörden, welche diesem Vorgehen keinen Einhalt gebieten.

Manchmal ist es richtig peinlich. Sie nennen es corrida de toros aber in Wahrheit es ist eine becerrada. Wenn überhaupt. Vor gar nicht so langer Zeit sah ich eine solche Veranstaltung. Die Tiere brachten nicht einmal achtzig Kilo auf die Wage, und die Kerlchen die sich dort übten standen wohl das erste Mal vor solch einem res.

SfA: Wer sind für dich die grossen figuras der Gegenwart?

Enrique Ponce, für Miguel Sánchez
einer der besten toreros der Gegenwart.
(Foto: mundotoro)
Miguel SánchezEnrique Ponce. Seit dreiundzwanzig Jahren nach seiner alternativa ist er immer noch ein regelrechter Computer, gekleidet in traje de luces. Er verfügt über  eine privilegierte Mentalität. Er ist ein torero der für den toro da ist. Er kennt sich mit den Stieren aus wie kein anderer. Was er mit den toros macht ist einfach nur unglaublich. Der toro steht für ihn im Mittelpunkt. Hier in Málaga hat er im Jahr 2000 ein indulto erreicht. Das einzige indulto welches es in der hundertfünzigjährigen Geschichte der plaza de toros in Málaga gegeben hat. Aber der toro aus der Zucht Buenavista war nicht nichts Besonderes, nicht mal erwähnenswert, sondern erst durch Enrique Ponces Arbeit mit der muleta wuchs der toro über sich hinaus, bis das Publikum das indulto forderte. Ponce setzt sich halt für die Gutmütigkeit seiner toros ein, wie kein anderer.

Dann wären da noch ManzanaresEl JuliTalavanteMiguel Angel Perrera und natürlich Morante und José Tomás.  

SfA: Was denkest du über Frauen im ruedo?

Cristina Sánchez
Miguel Sánchez: Da gibt es einige die mit viel Mut an die Sache gehen. Frauen treten nun mal mit geringeren Konditionen an als ihre männlichen Kolegen. Aber das bringt auch Vorteile, vor allem wenn es ihnen gelingt diese gegenüber dem Publikum auszuspielen. Frauen versuchen mehr zu wirken als mit dem toro zu agieren. Das ist auch einer der Gründe, warum männliche matadores de toros nicht so gerne mit matadoras antreten.

SfA: Und Cristina Sánchez?

Miguel Sánchez: Sie war ohne Frage sehr mutig, in Madrid gab es sogar dos orejas, in Amerika war sie erfolgreich, und sie ist gegen richtig grosse und gefährliche toros angetreten, stimmt alles, aber mich selbst hat sie in meinem Inneren nie so richtig ansprechen können.

SfA: Wie siehst du die Kontinuität eines toreros? Wie flexibel dürfen sie sein?

Miguel Sánchez mit Curro Romero
Miguel Sánchez: Ein kreatives toreo mit arte kann man einfach nicht dauerhaft erwarten, wie zum Beispiel die Arbeit eines Maurermeisters. Der torero muss den Moment abwarten, in der entsprechenden Verfassung sein und vor allem die Möglichkeit haben, das zu tun, was ihm auch am meisten liegt. Ich habe zum Beispiel überhaupt kein Problem damit, wenn Morante statt der üblichen fünfzehn bis zwanzig Manöver mit der capa eben vierzig capotazos und mehr vorführt, und dementsprechend die faena ein wenig kürzer gestaltet. Wozu braucht man die muleta wenn die tollen Momente beim capeo liegen? Einer der danach handelte war Curro Romero. Ich habe gehört, dass er bei einem toro nur den capote verwendete. Schau mal, hier ein Foto mit Curro Romero, und wir hatten uns gerade darüber unterhalten.

Philip de Málaga
und Miguel Sánchez
Morante hat ja diesbezüglich auch schon Interesse gezeigt, und wenn er dieses Jahr in Ronda mit den sechs toros antritt, würde es mich nicht wundern Ähnliches zu sehen zu bekommen. Aber nur wenn er als unico espada antritt.

SfA: Vielen Dank für das Interview.

Miguel Sánchez: Die Ehre liegt ganz bei mir und ich freue mich schon darauf noch viele deutsche aficionados hier in der Malagueta begrüssen zu können.

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