Mittwoch, 18. September 2013

Warum gewisse Stierfeste abzulehnen sind

Wenn unprofessionelle Hobby-toreros am Werke sind 
hat das nichts mehr mit dem klassischen Stierkampf zu tun
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von Philip de Málaga


In Katalonien gäbe es keine Stiere mehr, so denkt man im Ausland. Stimmt das? Wer einen Blick auf die taurinische Landkarte wirft wird eines besseren belehrt. Zwar haben die Herrschaften in Barcelona die klassischen corridas, also die corrida de toros, novilladas und rejoneos verboten, und davon gab es 2012 nicht mal zehn Veranstaltungen, haben aber auf der anderen Seite keine zwei Wochen später alle anderen weit über vierhundertfünfzig Stierfeste zugelassen. Wer sich nicht auskennt denkt, ja, bei den corridas werden die toros gequält und getötet, aber bei den dörflichen Stierfesten werden die toros weder gefoltert und auch nicht getötet, sie werden friedlich durch die Strassen getrieben. Ist das wirklich so?

Bei klassischen corrida treten professionelle toreros an. Personen die ihr Handwerk gelernt haben. Gerade jetzt in der Gegenwart sind zahlreiche escuelas taurinas dabei, das Wissen der toros an ihre vielen alumnos weiterzugeben.

Escuela taurina mit zahlreichen Schüler in Málaga
Bei den Stierfesten mit dörflichem Charakter ist es in erster Linie die unprofessionelle Bevölkerung, die sich mit der toros üben darf, beziehungsweise versucht ihren Mut darzustellen. Dabei gehen sie auffällig brutal zur Sache. Die toros sind der schmerzhaften Willkürlichkeit der Bevölkerung meistens ausgeliefert.
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"Stierfeste 
bei denen die toros 
der schmerzhaften Willkürlichkeit 
der Bevölkerung ausgesetzt sind, 
sind in jedem Fall zu verurteilen!"

Philip de Málaga
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Ein Foto aus Katalonien.
Kommen wir zurück nach Katalonien. Tarragona liegt im Süden dieser nordöstlich gelegenen spanischen Region. Also eine Stadt in einer spanischen Zone, wo es angeblich verboten ist Stiere zu quälen oder zu töten. Doch gerade dieser Ort mit immerhin knapp 140.000 Einwohner ist bekannt für seine Feuerstiere, den so genannten toros embolados. Dabei werden den Stieren zu nächtlichen Zeit Feuerkugeln an den Hörnern befestigt. Von Panik erfasst rennen sie über den Platz und manchmal durch die Strassen. Das Feuer brennt in den Augen, auch in den Ohren spüren sie es und das Schlimmste dabei, der toro kann davor noch nicht einmal weglaufen. Nicht selten dauert dieses eine Ewigkeit. Ja meine Damen und Herren, Sie haben richtig gelesen, in Katalonien sind solche festejos populares erlaubt!

Aber nicht nur in Katalonien finden sich solche Stierfeste statt. Bekannt sind auch Coria (Cáceres) oder Fuentelencina (Guadalajara) oder ganz aktuell der Toro de la Vega in Kastillien-Leon, worüber SfA-Mitarbeiterin Colin Ernst heute morgen berichtet hat. Viele Orte gibt es, wo diese festejos populares an willkürlicher Schmerzzufügung kaum zu übertreffen sind. Viele Kenner der tauromaquia und aficionados lehnen solche Stierfeste grundlegend ab.

Toro de la Vega im kastilischen Tordesillas (Foto: tauromaquia.de)
Was sagt eigentlich der Gesetzgeber dazu? 

Wer einen Blick in das reglamento taurino wirft, wird schnell erkennen, eigentlich nicht viel. Lediglich in Artikel 91 werden an 6 Punkten gesetzliche Vorgaben vorgeschrieben. Aber nicht ein Punkt stellt dar, wie man mit den toros umzugehen hat. Da ist die Rede von einer Gewährleistung eines ambulanten Service für verletzte Personen, die Tiere müssen sich in einem gesunden Zustand befinden und dementsprechend einen Tag von einem veterinario untersucht und freigegeben werden. Der einzige Punkt für die toros ist der, dass der Gesetzgeber die Anwesenheit eines diestros, eines so genannten director de lidia mit mindestens drei Helfern vorschreibt. Bei encierros, also den Stiertreiben, werden gar zehn Helfer verlangt. Die Hauptaufgaben des director de lidia bestehen in erster Linie daraus, dass der oder die toros den dafür bestimmten Raum nicht verlassen können, gegebenenfalls den Teilnehmern zu helfen und darauf zu achten dass die toros adäquat behandelt werden. Was man unter adäquat auch immer verstehen mag, der Interpretationsfreiheit sind hier keine Grenzen oder Schranken gesetzt. Wer an solchen festejos populares schon einmal teilgenommen hat, weiss sehr wohl, wie wenig diese toreros ins Geschehen eingreifen. Nicht selten sind es noch nicht einmal professionelle matadores de toros. Einfach nur eine traurige Realität.

Und was sagen taurinos und aficionados dazu?

Nicht viel. Viele von ihnen können sich dafür nicht begeistern. Aber sie kritisieren es nicht so in der Öffentlichkeit. Verständlich, denn schliesslich sind sie ja selbst Anhänger von Veranstaltungen wo toros getötet werden. Aber mit dem entscheidenden Unterschied, dass es hier gesetzlich kontrolliert ist und professionelle toreros am Werk sind.

Interessant auch zu beobachten, dass sich die Stierkampf bezogenen Medien, wie mundotoro, Burladero, Aplausos oder auch SfA sich mit den Berichterstattungen über solche festejos populares weitgehend zurückhalten. Das liegt wohl auch daran, dass man sich mit dieser Art von Stierfesten weder identifizieren noch anfreunden kann oder will.

Toro de la Vega

In diesen Tagen in aller Munde, das Stierfest in Tordesillas, 
bekannt als Toro de la Vega
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von Colin Ernst

Der Stier, zwischen vier und sieben Jahre alt, 500-600 Kilo schwer, wird vom Dorf bis ins offene campo gejagt. Die Jäger sind die Lanzenreiter und auch zu Fuß stellen sich Menschen dem toro entgegen. Das blutige Ritual ist schon über fünf Jahrhunderte Tradition in diesem Dorf. Seit 1980 ist es als Fest mit touristischem Interesse deklariert. 

Das Stiertreiben beginnt im Dorf und sollte festen Regeln folgen. Wenn das Tier die Brücke des Duero überquert und den Platz Cristo de Batallas erreicht hat, dürfen sich die Beteiligten Lanzenreiter und Fußgänger sich ihm in den Weg stellen, ihn umlenken, locken oder stoppen. Sie dürfen ihm allerdings keinen Schaden zufügen, so das reglamento

Noch dürfen sie dem toro keinen Schaden zufügen (Foto: mundotoro)

Kommt der Stier im Campo de Honor an, beginnt das Gemetzel. Das „Torneo de la Vega“. Die Reiter versuchen den Stier mit ihrer Lanze zu töten. Da es sich dabei nicht um geübte rejoneo Reiter handelt, ist das blutige, entwürdigende Schauspiel alles andere als ansprechend. In den Regeln heißt es, das die Reiter, oder auch die Fußgänger dem toro keinen unnötigen Schaden auf der Strecke zufügen dürfen. Auch darf, wenn der Stier am Boden liegt kein Stich mehr ausgeführt werden, der tapfere toro soll in Frieden sterben dürfen. Am Zielort wartet ein professioneller Töter, um das Tier mit einem Stich ins Genick zu töten – „apuntillar al toro“, wie es heißt. 

Der Todesstoss.
Auch dieses Jahr haben Tausende dagegen demonstriert, 84.000 Unterschriften wurden angeblich gesammelt und in Madrid präsentiert. Auch wenn SfA ein Pro Stierkampf Portal ist, muss ganz klar gesagt sein, das ich auch dagegen bin. Einen Stier so zu hetzen, so zu töten, hat nichts mit den encierros wie in Pamplona zu tun. Correbous , toros embolados, den sogenannten Feuerstieren, oder auch sonstige Spektakel dieser Art, lehne ich generell ab. Nichts gegen Jahrhundert alte Tradition, aber das unprofessionelles Töten muss ein Ende haben. Man kann den Stier auch, wie bei anderen Festen üblich, gewaltlos durchs Dorf treiben und ihm an Ende einem Profi (wie zum Beispiel einem rejoneador) gegenüber stellen. Es gibt ein Fest in einem anderen Dorf in Spanien, wo eine große Anzahl Reiter die Stiere durch die Straßen geleiten. Sie bilden praktisch einen Kokon um die Gruppe toros. Das finde ich schön und die Reiter können mit Recht stolz auf sich sein, denn das ist eine Kunst. Natürlich muss man objektiv sein. Wenn der toro de la vega nicht zum Spektakel ausgewachsen wäre, ginge es wahrscheinlich wesentlich gesitteter zu. Pamplona ist ein Beispiel, wie eine fiesta zu einem Multikulti-Besäufnis verkommen kann. Das hat nichts mehr mit Hemingways Erzählungen zu tun, das ist ein Mega Touristenrummel geworden. So läuft es nun auch in Tordesillas, was vermehrt die antitaurinos und fanatischen Tierschützer auf den Plan ruft. Dies zieht dann die Anwesenheit der Gegenpartei an und wird obendrein politisch auf das Gröbste ausgenutzt. 

Doch trotz allen Argumenten, die ich gegen diese Art taurinischer Feiern habe, geht mir das letzte Wort eines jungen Dorfbewohners nicht aus dem Kopf: „Was wollen denn all die Fremden hier, die gar nicht wissen, worum es geht?! Wenn es ihnen nicht gefällt, warum sind sie dann hier?" Eine sehr gute Frage…