Von Sanlúcar nach Utrera
Heute steht das
festejo in Utrera an, eine
novillada sin picadores, welche
Carmelo Garcia, der
empresario von
Sanlúcar, organisiert.
Utrera hat er neu übernommen und es treten neben drei
novilleros aus
Utrera auch einer aus
Sevilla, aus
Huelva und
Sanlúcar an. Die Jungstiere,
novillos, kommen von den
ganaderías Conde de la Maza und
Guardiola. Am frühen Morgen treffen wir uns mit einem
banderillero, der
Eloy Hilario, dem
novillero aus
Sanlúcar begleiten wird, vor dem
Coso del Pino.
Eloys Vater,
Miguel Ángel Hilario, will uns dort abholen. Die Wartezeit verkürzen wir uns mit regem Austausch über
Morantes Auftritt in
Valencia und
Ruiz Miguels Auftritt in
Puerto Serrano, wo dieser zwei Trophäen errang.
Eloy und sein Vater sind pünktlich zur Stelle. Elegant sieht er aus, der angehende
torero und nervös erscheint er uns auch nicht. Auf dem Weg zum Treffpunkt des Autobusses, wird gescherzt und gelacht, als ginge es zu einem Picknick und nicht zum Stierkampf. Wir werden abgesetzt, um mit den
aficionados aus
Sanlúcar nach
Utrera zu fahren, während ein weiterer Mitstreiter
Eloys, sein zweiter
banderillero, seine
trastos ins Auto bringt. Die
cuadrilla und ihr
novillero werden gut zwei Stunden vor uns an Ort und Stelle sein. An der Bushaltestelle finden sich einige alte Bekannte ein, die wir aus der
plaza von
Sanlúcar kennen. Auch hier hecheln wir die
corrida von
Valencia durch, kommentieren, warum uns der eine oder andere
torero gefällt, oder eben auch nicht. Die Meinungen sind, abgesehen von
Morante, sehr unterschiedlich, jeder hat so seinen Geschmack. Endlich kommt der Bus und wir fahren in Richtung
Algaida um die restlichen
aficionados abzuholen. Der Bus füllt sich nicht nur mit fröhlichen Menschen sondern auch mit jede Menge Gefriertaschen, in denen sich
bocadillos, Käse und
Manzanilla befinden. Geht es doch zum Picknick? Das Geschnatter, welches einem Deutschen etwas befremdlich vorkommen mag, amüsiert uns. Neugierig werden wir in Augenschein genommen. Ausländer kennt man als Kunden in Restaurants, aber nicht als Stierkampfbegeisterte. Dazu kommt noch, das wir allein reisende Frauen sind, für die traditionellen
Sanlúceños etwas ungewöhnlich.
Nach gut zwei Stunden sind wir an Ort und Stelle. Die
plaza von
Utrera ist ein Neubau, in unseren Augen ein hässliches Gebäude, was kaum
taurino Atmosphäre ausstrahlt. Die ankommenden
aficionados allerdings lassen kaum Zweifel aufkommen. Gut gekleidet, mit dem Cordobeshut auf dem Kopf, schreiten sie genauso auf die
plaza zu, als wären sie in
Madrid. Unsere Freunde haben uns Plätze freigehalten, damit wir mit ihnen, möglichst nah am Geschehen sein können. Überrascht stellen wir fest, das bei diesem
festejo nicht in
traje corto, sondern in
traje de luces toreriert wird. Meine Mutter freut es, denn oft bekommt sie die wunderschöne
traje nicht zu sehen. Die
plaza füllt sich gut zur Hälfte, die
banda de musica nimmt Platz. Kaum haben sie sich eingerichtet werden Rufe laut –
Música!
Alguasillios mit guten Pferden, führen den
paseillo an. Überrascht stellen wir fest, das
Eloy Hillario eine ähnliche
traje trägt, wie
Fran Rivera, der Sohn von
Paquirri, bei seiner
confirmación. Anthrazit und Silber. Alle anderen tragen das populäre Gold. Einige haben schon prächtige Parade
capas, andere sind eher im Stil der einfachen
capas de novilleros gehalten.
Nach der Zeremonie macht man sich etwas warm, mit den
capas. Gespannt verfolgen wir das Geschehen und versuchen auszumachen, wer sicher, wer nervös wirkt. Nun wird der erste
novillo angekündigt und das Tor geöffnet. Ich muss zweimal hinsehen, denn das Tier ist sehr klein, kleiner als bei den
novilladas die man in den großen
plazas sieht. Munter galoppiert das erste Exemplar der
ganadería Guardiola herein und dreht zwei Runden, ohne sich an den
capas der
toreros zu stören. Es folgt eine
lidia, die, wenig glanzvoll für den ersten
novillero endet.
Israel Dianez aus
Utrera wirkt etwas unsicher, was sich im Resultat widerspiegelt. Kein
oreja.
Auch
Fernándo González, ebenso aus
Utrera, ist seinem kleinen Stier nicht unbedingt gewachsen. Vor allem der schlechte Gebrauch der
espada, verhindert die Vergabe der ersehnten Trophäe. Emotion kommt kaum auf. Immer wieder rufen wir uns ins Gedächtnis, das hier keine
Morantes oder
Padillas am Werk sind, sondern
Torerolehrlinge. Die Tiere sind nicht gross, aber sie greifen schön an, senken in ehrlichster Weise den Kopf in die Tücher der
toreros. Im Grunde, genau das, was diese jungen
toreros brauchen, um in die Sache hinein zu wachsen.
Eloy Hilario ist nun an der Reihe und ich bemerke wie die Stimmung umschlägt. Aufgeregtes Gemurmel ist zu hören. Anscheinend kennt man ihn hier. Tatsächlich hat er hier schon zwei Mal die
puerta grande geöffnet. Auch sein
novillo ist nicht der Grösste, aber flink und wendig.
Eloy empfängt ihn auf den Knien, die
capa um sich herum über den Kopf schwingend. Die ersten „
Ole’s“ sind zu hören. Beim zweiten Mal, muss er sich schnell auf die Seite retten, sonst hätte der kleine Stier ihn umgerannt. Der
quite ist etwas hastig, denn das Kerlchen ist wirklich flink auf den Beinen, lässt keine Zeit für mehr künstlerische Einlagen. Zum
tercio de banderillas lädt er seinen Kollegen,
Pablo Aguado aus
Sevilla ein, der in den letzten Wochen auch in
Sanlúcar trainiert hat. Eine großzügige Geste. Denkwürdiger brindis gen Himmel, zu Ehren seines kürzlich verstorbenen Großvaters, der Sohn und Enkel
Hilario immer unterstützt hat. In der
muleta zeigt sich, dass der kleine
novillo richtig Energie hat. Immer wieder greift er blitzschnell an, senkt aber artig den Kopf ins Tuch. Eine
voltereta sorgt für ein besorgtes Luftschnappen beim Publikum.
Eloy hat keine Zeit sich den Staub von der
traje zu klopfen, schon greift das Tier wieder an. Es gelingen schöne
muletazos en redondo, sieben, acht
muletazos in schöner Folge, die mit begeisterten
Olé-Rufen belohnt werden. Die
aficionados auf den
tendidos sind ganz dabei. Nun kommt der Moment der Wahrheit, die
estocada. Ich bitte, im Geiste, die Schutzheilige der
toreros, die heilige
Esperanza Macarena, um Beistand. Es scheint zu helfen, denn der Degenstoss sitzt im ersten Hieb und schnell fällt der tapfere kleine
Conde de la Maza um. Der Kreuzdegen kommt nicht zum Einsatz. Stolz präsentiert sich der
Torerolehrling der
escuela taurina aus
Jerez dem Publikum, welches mit Nachdruck
dos orejas fordert. Sie werden gewährt. Wir „
Sanlúceños“ sind stolz und erleichtert, klopfen uns auf die Schultern. Seine Ehrenrunde gleicht denen der
figuras, von überall fliegen Blumen, Hüte und andere Dinge in den Sand der Arena, welche die
banderilleros aufheben, weiterreichen oder zurück werfen.
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Eloy Hilario |
Nun ist die Reihe an einem weiteren
novillero aus
Utrera.
Daniel Araujo. Er hat ein wirklich schönes Exemplar, grösser und wohlgenährt, mit ruhiger, rhythmischer Galoppade, lädt er zur Kunst ein.
Daniel hat Gelegenheit ein paar schöne
muletazos mit gutem Handwechsel und tiefer linker Hand anzubringen. Allerdings ist der füllige
novillo bald ausser Puste. Eine gute
estocada beschert dem Jungen aus
Utrera zwei Trophäen, dem Jungstier, gewährt der Präsident eine
vuelta al ruedo, indem er neben den beiden weissen Tüchern, auch das blaue zückt.
Nun ist es an dem Trainingsgefährten von
Eloy,
Pablo Aguado (
escuela taurina de Sevilla), das Ergebnis zu toppen. Er hat ein launisches Exemplar aus der Zuchtstätte
Guardiola erwischt, der weit ausladende Hörner hat. Die im Training gut gelungenen
veronicas, gelingen nicht und das Tier verschanzt sich an den
tablas. Kaum ein
muletazo gelingt so, aber dafür ist die
estocada gut, was mit zwei Trophäen gewürdigt wird.
Als letzter ist Emilio Silvera aus Huelva, an der Reihe, der auch einen schwierigen Guardiola zu meistern hat. Ich finde, dass er seine Sache recht gut macht, aber dafür ist der Abschluss schlecht, höflicher Applaus, von den, sich schnell leerenden Rängen. Müssen alle schnell zum Sonntagsessen?
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Daniel Araujo |
Wir bleiben noch bis zur Preisverleihung, die erwartungsgemäss der Sohn der Stadt,
Daniel Araujo aus
Utrera erhält. Sein
novillo, von der
ganadería Conde de la Maza wird als bestes Exemplar ausgelobt.
Wir begeben uns zum Bus, wo wir erfahren, dass es erst um siebzehn Uhr zurück geht. Im Schatten des Busses packen die ersten ihre Gefriertaschen aus. Nach einigem Zögern suchen wir eine der kleinen Bars neben der plaza auf. Hier sitzen andere
Sanlúceños bei
Manzanilla im Schatten, man erkennt uns wieder und fordert uns auf, sich dazu zu setzen. Neugierig werden wir befragt, wie es uns gefallen hat, woher wir kommen und ob wir Flamenco mögen. Aber sicher mögen wir
Flamenco, besonders die
Sevillanas mag ich. Hochgezogene Augenbrauen…, habe ich etwas Falsches gesagt? Ganz im Gegenteil! Eine Frau beginnt mit
palmas, eine andere fängt an
Sevillanas zu singen. Die Männer imitieren die passenden Geräusche, die wie Hufgeklapper klingen. Im Nu ist Stimmung aufgekommen, der Kreis wird größer, man beginnt
Flamenco zu tanzen, im besten Sonntagszwirn, auf offener Straße. Eine Frau singt wunderschön Fandango, herzergreifend. Wir sind mit einem Bus voller Zigeuner angereist, nun leben wir ein wenig „
La vida gitana“ und sind ergriffen und begeistert. Später im Bus geht es weiter.
Sevillanas, die ich mitsingen kann, nur zu klatschen traue ich mich nicht. Anerkennend nickt man uns zu, sie sehen, das wir mit dem Herzen dabei sind und das ich die Lieder kenne, freut sie. Als wir in
Aglaida ankommen, werden wir von allen verabschiedet wie alte Freunde und ich habe das Gefühl, das es ehrlich gemeint ist. Ein denkwürdiger Tag, den ich nicht mit dem Besuch einer
corrida in
Valencia tauschen würde. Stolz sind wir auch auf
Eloy Hilario, der, obwohl er seit Monaten keinem
novillo gegenüberstand, eine super
estocada und eine gute
lidia geboten hat. Das Publikum ist zufrieden nach Hause gegangen, was das Wichtigste ist. Denn so, werden sie wiederkommen, wenn er wieder eine
novillada bestreitet.