Mittwoch, 1. Februar 2017

Muss man ein Torero sein, um etwas von dem Stierkampf zu verstehen?

Ab wann und mit welchem Wissen 
ist man ein richtiger Aficionado de Toros?
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von Philip de Málaga



Wer einen tieferen Blick in diese Fragen wirft, wird durchaus ihre Berichtigung darin erkennen. Besonders wird es interessant, wenn man sich hinterfragt, wie das denn zu denjenigen gehört, welche aus Ländern kommen, wo es keine toros gibt, wo keine Tradition der tauromaquia in den Wurzeln steckt. Haben überhaupt solche "Ausländer" das Recht sich für die mundo de los toros zu interessieren, sich gar dafür zu begeistern?

Oder wie ist es mit den Spaniern selbst? Der bekannte Stierkampf-Kritiker José Antonio del Moral schrieb selbst, wie schwer es sei sich der mundo de los toros zu nähern. Sie sei zu komplex, zu verschlossen, es scheint geradezu, dass es einige auch gar nicht wollen, dass man dieser mundo taurino zu nahe kommt. Zu viel über sie weiss. Zwar will man die tendidos in den plaza de toros füllen, aber man ist wohl dabei nicht bereit zu viel preiszugeben. Schon gar nicht über die finanziellen Angelegenheiten. Es sei denn man verdient nichts, vielleicht sogar ein Verlustgeschäft, dann geht man an die Öffentlichkeit. 

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"Man muss kein Kind sein, 
um Kinder zu mögen oder sie zu verstehen. 
Dasselbe gilt für den Stierkampf."
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Man muss kein torero sein, um von dem toreo etwas zu verstehen. Sich dem toreo zu nähern ist nicht nur das Schwingen von capa oder muleta, sondern im Bewegungsablauf selbst liegt der wahre Rausch, der sich wie im Spiegel, als Darstellung des Lebens reflektiert. Die mundo de los toros ist eine antike Tragödie die in der Welt der Gegenwart spielt. Das Bewusstsein, die Existentenz des unausweichlichen Todes ist wie in keinem anderen Schauspiel präsent. Eine Erkenntnis, ein Wahrnehmen, welches zur Wirklichkeit wird.  

Eine corrida de toros zu sehen, wie damals 1991 César Rincón in der spanischen Hauptstadt, gleich vier Mal, Momente der Ekstase, lassen einem im Nachhinein erst Wirklichkeit werden, wenn wir diese auch in Worte, in zeitliche Dokumente fassen können. Den Eindrücken einen bildlichen Nachlass als Zeugen der Apokalypse  schenken.  
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"Das mit César Rincón ist wie mit Gott zu reden . . .
... und Gott antwortet dir!"

Pepe Dominguín (1922 - 2003)
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Das Festhalten der Momente der puren Emotionen, wenn der duende das Rund der plaza de toros ergreift. Darin liegt die wahre Kultivierung der tauromaquia. Was wären die toreros im ruedo, ohne das Publikum in den tendidos? Was wäre eine media verónica ohne den intellektuellen Blick eines aficionado de toros? Jemand der die tauromaquia als Kultur sieht und vor allem auch in der Lage ist die kulturellen Werte zu erkennen.

Hier rennen nicht irgendwelche Bestien farbigen Tüchern hinterher, hier wird vibrierende Arte geschaffen. Kunst auf höchsten Niveau, weil sie so herzergreifend echt ist. 
Francisco Goya und Pablo Picasso
Was wäre die Tauromachie ohne sie? Goya und Picasso. Beide keine toreros und trotzdem schufen sie die prägendsten Momente der tauromaquia. Ihre famosen Bilderserien sind bekannt, keiner stellt sie in Frage, und selbst der antitaurinismo hat sie deswegen nicht an den Pranger gestellt. 

Jeder ist eingeladen dieser Welt zu begegnen. In der Gegenwart sind an die siebzig Millionen Menschen von ihr fasziniert, angetan und begeistert. Die mundo de los toros ist vielseitig, eröffnet immer wieder neue Momente der überraschenden Wahrnehmungen und reift zu einer philosophischen Droge des Lebens.

Und keine Hemmungen, man muss sich nicht mit einer capa einem toro stellen, um davon etwas zu verstehen, um diese Welt kennen zu lernen, ihr zu begegnen. Dem andalusischen Dichter, Denker und Dramatiker García Lorca wird abschliessendes Zitat zugeschrieben. Er war ein leidenschaftlicher aficionado de toros  aber ins ruedo ging er deswegen nicht.
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"Ich liebe die Stiere wie den Mond
je weiter weg, umso besser!"

García Lorca (1922 - 2003)
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Federico García Lorca (1898 - 1936)