Donnerstag, 17. September 2015

Über den peinlichen Stier der Sozialisten

Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung
zum Artikel "Der peinliche Stier der Sozialisten" von Leo Wieland
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von Dr. Andreas Krumbein


Sehr geehrte Damen und Herren,

diesen Leserbrief übersende ich Ihnen mit der Bitte um Veröffentlichung.

Zu „Der peinliche Stier der Sozialisten“ (F.A.Z. vom 15. September 2015): Dass die F.A.Z. immer wieder den Spanischen Stierkampf und weitere damit im Zusammenhang stehende Aspekte zum Thema ihrer Berichterstattung macht, ist ihr in höchstem Maße anzurechnen. Die Einordnung dieser und anderer mit Stieren ausgeführter Rituale in den kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Rahmen eines Spanien, das sich seit geraumer Zeit in einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel befindet und dem möglicherweise ein noch viel tiefergreifender politischer Wandel bevorsteht, ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Beurteilung der Gesellschaft und ihrer Strukturen und Eigenarten in diesem Land. Für mich als Leser, der den spanischen Stieren als Anhänger des Stierkampfes in besonderer Weise zugeneigt ist, ist dieser Umstand erfreulich und die vermittelten Informationen von besonderem Interesse.

Allerdings fallen mir in den Artikeln immer wieder Details auf, die, so wie sie dort dargestellt werden, nicht der tatsächlichen Situation entsprechen oder zumindest stark missverständlich sind, was mich veranlasst, an dieser Stelle eine Richtigstellung beizusteuern.

Der umstrittene Teil in dem Artikel von Leo Wieland
Was die „Toros“ anbelangt, muss man zwischen der corrida de toros, die im Deutschen im allgemeinen als Stierkampf bezeichnet wird, und anderen mit Stieren ausgeführten Ritualen, die sehr häufig in ländlichen Bereichen vorkommen, unterscheiden. Die corrida de toros hat sich aus solchen dörflichen Ritualen entwickelt und im Laufe der Jahrhunderte vor allem weiterentwickelt. Betrachtet man die Teilnehmer und Zuschauer solcher Veranstaltungen, stellt man fest, dass sich bei einer corrida de toros in sehr hohem Masse Zuschauer befinden, bei den dörflichen Stierritualen in sehr hohem Masse Teilnehmer. Hierbei sind die Teilnehmer zum größten Teil Bewohner der Ortschaft oder Region, in der die Veranstaltung stattfindet. Die Anzahl von Touristen, vor allem ausländischer Touristen, ist extrem gering. Der Einzugsbereich einer corrida de toros ist meist weit grösser und weniger gut überschaubar. Ausländische Touristen können hierbei zu einem merklichen Prozentsatz zum Publikum gehören.  An dieser Stelle muss man unterscheiden, wo man sich befindet. In MadridSevilla, Pamplona oder Málaga können zu 15% bis 20% der Zuschauer ausländische Touristen sein. In Städten wie Almería, Huelva, Salamanca, Santander, Burgos und auch Bilbao ist das mitnichten der Fall: die Anzahl ausländischer Touristen ist vernachlässigbar klein.

Mit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Zuschauerzahlen bei der corrida de toros bis zum Jahre 2013 stetig gesunken, im Jahr 2014 gab es einem leichten Anstieg gegenüber 2013. Doch sind die Ursachen für diese Entwicklung nicht sinkendes Interesse, das die Menschen davon abhält Geld für eine Eintrittskarte auszugeben. Sinkende Einkommen, wirtschaftliche Not, steigende Preise für die entradas, steigende Preise für den Einkauf der Stiere, finanzielle Verluste auf Seiten der Stierzüchter halten den Einzelnen davon ab zu den Stieren zu gehen. Ist der Besuch einer corrida umsonst möglich, dann sind die Arenen teilweise voll bis auf den letzten Platz. Beim diesjährigen Internationalen Wettbewerb der Stierkampfschulen während der Augustferia in Málaga, bei dem Stierkampfschüler auftraten, war der Eintritt frei und es gab an vier aufeinanderfolgenden Tagen mit 32.000 Zuschauern eine Auslastung von 80%. Vor wenigen Jahren war ich selbst Zuschauer bei einer ähnlichen Veranstaltung in Huelva. Dort sassen die Menschen, davon schätzungsweise ein Drittel Jugendliche und Kinder, auf den Überdachungen der Treppenaufgänge oder standen in überfüllten Gängen und auf freien Flächen, denn alle regulären Sitze waren belegt.

Bei den dörflichen Stierritualen legen die Einwohner zusammen, um für das Dorf einen oder mehrere Stiere zu kaufen und das Fest für die Durchführung auszurichten. Trotz wirtschaftlicher Probleme wird das eben gemacht, und man spart dafür an anderer Stelle, und in Dörfern wie Gaucín, Grazalema, Arcos de la Frontera, in der Gegend um Valencia bei den dortigen Stierläufen und auch in Katalonien, wo trotz der Verbotes der corrida de toros, die dörflichen Stierrituale nach wie vor erlaubt sind und durchgeführt werden, zum Beispiel encierros ähnlich wie in Pamplona zur Fiesta de San Fermín, wird dies Jahr für Jahr getan, einmal im Jahr.

Es ist also nicht richtig, zu sagen: „Noch immer sind die „Toros“ ein Geschäft, das vor allem in Touristengegenden von Ausländern mit am Leben gehalten wird. Aber insgesamt sind Veranstaltungen und Zuschauerzahlen in den vergangenen Jahren doch merklich zurückgegangen.“ Das wird dem Sachverhalt nicht nur nicht gerecht, es ist in seiner Undifferenziertheit auch fehlerhaft. 

Dr. Andreas Krumbein, Göttingen

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Krumbein

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Quellennachweis:

Der peinliche Stier der Sozialisten, von Leo Wieland, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.9.2015

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