Freitag, 25. September 2009

Las Vegas – eine Tortur für Don Bull?

Unblutige Stierkampfe in Las Vegas bald ohne Toreros?

Groß wurde es angekündigt. Unblutige Stierkämpfe in den Vereinigten Staaten. Es sollte eines der medialen Ereignisse in der Glamourwelt von Las Vegas werden. VIP-Lounges, Sterne-Menus für 650 Dollar und die normalen Eintrittskarten ab 75 bis 550 Dollar sollten Zuschauer aus Amerika und der ganzen Welt anlocken um die 7.000 Plätze im South Point Hotel and Casino zu füllen.

Erste Reaktionen auf der iberischen Halbinsel belächelten dieses Vorhaben. So ganz nach dem Motto, sollen sie nur mal machen! Ein Freund von mir winkte gleich ab: “Genau, ich gebe da zwei- bis dreitausend Dollar oder mehr aus, um mir mit einem mit Sicherheit nicht fachkundigem Publikum irgendwelche Kerle anzuschauen die sich toreros nennen und auf so komische Matratzen einstechen!”

In einem Punkt irrte sich mein Freund. Nicht vollkommen unbekannte Provinzkerle, sondern die Stars der Stierkampfszene sollten einen Erfolg garantieren. Und in der Tat, waren auf den Ankündigungen große Namen zu lesen. Die Creme de la Creme der aktuellen tauromaquía: Enrique Ponce, Julián López El Juli, El Fandi, Francisco Rivera Ordóñez, José Ortega Cano, Morante de la Puebla, Javier Conde, Pedrito de Portugal, um nur einige zu nennen. Die Presse und die einschlägigen Medien in Spanien hielten sich zu diesem Thema eher bedeckt. Nur in den Reihen der aficionados wollte man es genauer wissen: Was bewegt einen Startorero wie Enrique Ponce sich für so ein Spektakel zur Verfügung zu stellen? Was bringt die Künstlertoreros Morante de la Puebla oder ein Javier Conde dazu? Mit welchen Summen wurden sie wohl gelockt? Gut, ein Ortega Cano, das weiß ganz Spanien, dem fehlt es an finanziellen Mitteln und kann ein jedes Geld ziemlich gut gebrauchen. Nur, was ist eigentlich, wenn in Amerika keiner diese Stars aus der Welt der Stierkämpfe kennt?

Da kam die Stunde der Wahrheit und keiner ging hin!

Die 44 VIP-Tische wurden entfernt, das Menu gestrichen und nicht einmal zu einem Drittel konnten sich die restlichen Zuschauerreihen füllen. 315 bis 450 Dollar für einen Sitzplatz in den ersten acht Reihen, dass ist einfach zu viel! Auch am nächsten Tag sah es nicht anders aus. Weder Touristen noch Amerikaner können sich dafür begeistern, was beim amerikanischen Sender Univisión in spanischer Sprache in der Rubrik “Sport” zu sehen ist: Toros sin sangre!

Stiere ohne Blut?

Beim Internetportal “La Tauromaquía” bringt man es auf den Punkt: “Fliesst bei diesen toros Coca Cola durch die Adern? Korrekt wäre "Toreo sin sangre" Es zeigt auf wie oberflächig und unseriös die Veranstalter mit diesem doch für viele traditionellem Kulturgut umgehen. Zugegeben, in Spanien existiert sehr wohl der Begriff der toros. “Vamos a los toros” ein typischer Ausruf, dass wir jetzt eben nicht nur zu Stieren sondern zu einem Stierkampf gehen. Aber der Begriff löst bei Nichtkennern mit Sicherheit Irritationen aus. Und die von Don Bull erklärte Aufklärung und Annäherung an die Welt der toros findet so mit Sicherheit nicht statt. Noch ein Beispiel:

Ein Stier wird nicht getötet und begnadigt?

Da wird geworben, dass die Stiere weder verwundet noch in der Plaza de toros getötet werden. Mit allem Respekt, wie kann man da einen toro bravo auch noch begnadigen? Passiert da den Tierchen doch etwas hinter den Kulissen? Sofort ab ins Steakhaus? Es ist ganz gewiss nicht so, dass die Stiere nicht getötet werden sollen oder können. An keiner Stelle wird das von Don Bull oder seiner “Produktionsfirma” festgehalten, aber man will es suggerieren, dass den Stieren eben nichts geschieht.

Erkennen wir hier nicht eine Doppelmoral? Ist es nicht so, wenn wir uns einen guten Stier anschauen, viele olés rufen, toros und toreros bewundern, und wissen dabei, dass der Stier in wenigen Minuten sterben wird? Bewegt man sich da nicht in die Richtung eines ethisch-moralischen Zwiespalts? Werden hier Werturteile den momentanen und vor allem optischen Bedürfnissen angepasst und „mit zweierlei Maß“ bewertet sodass man sie publikumswirksam in Szene setzen kann? Der Stierkampf nur noch als ein reines Marketingobjekt?

Und jetzt Toros ohne Blut und ohne Toreros?

Da tönte Don Bull noch vor wenigen Tagen bei der Radiosendung Carrusel Taurino, er sei sehr stolz und befriedigt wie sein Projekt angelaufen sei. Zwar waren die ersten beiden corridas nicht so gut besucht, aber er will weitermachen, auch mit einem neuen Marketingkonzept. Und der US-Bundesstaat Nevada will mithelfen und sich darum sorgen, dass wenigsten 4.000 verbilligte Karten an den Mann gebracht werden können. Doch mal ehrlich, wovon will man dann eigentlich die Torero-Stars bezahlen?

Am besten gar nicht, denn ein Großteil der spanischen Elite hat sich zurückgezogen oder stellt ihren Auftritt in Frage. Nicht nur, weil es ihnen selbst suspekt erscheint, nein, die Kritik aus den Reihen der eigenen afición ist grösser geworden. Und die treuen Anhänger will man natürlich nicht verärgern.

So gesehen hat mein oben zitierter Freund gar nicht mal unrecht! Wer zahlt schon über 200 Euros zum Beispiel für einen Enrique Ponce, El Fandi und Francisco Rivera Ordóñez in Las Vegas, wo allein schon Anreise und Unterkunft ein Vermögen kosten, wenn man dieselben Toreros vor spanischer Kulisse in einer Plaza de toros der ersten Kategorie für 20 bis 65 Euros sehen kann?

Bleiben noch die Amerikaner. Aber, kommt es denen nicht billiger und vor allem authentischer dann nach Mexiko zu reisen?

Man kann es drehen und wenden wie man will. Es entsteht der Eindruck, das Don Bull, in seiner Eigenschaft als Veranstalter weder den toreros und den toros noch dem Publikum den nötigen Respekt gegenüber zeigt. Wahrscheinlich ist wohl auch der Name “Don Bull” nicht richtig gewählt. “Don Bill” würde eher passen, der Herr der Banknoten, derjenige dessen Illusion nur aus vielen, vielen Dollars besteht und nicht in der Befriedigung der afición. Da liegt der entscheidende Unterschied.

Samstag, 12. September 2009

Toreros der Küche

Schon seit geraumer Zeit gehört es zum Trend, sich als Berühmtheit in Kochsendungen oder Büchern zu präsentieren. So war es nur eine Frage der Zeit, wann denn die caballeros der Lichteranzüge ihre kulinarischen Gedanken freigeben. So haben die beiden Journalistinnen Pilar und Susana Carrizosa, bekannt durch das spanische Fernsehen (Madrid hoy und informe semanal) schon Ende 2006 ein Buch zu diesem Thema herausgegeben:
Toreros en la cocina
Siebzehn matadores de toros tauschten die muleta gegen Kochschürze und die espada gegen Küchenmesser ein und präsentieren 35 Speisen. Meistens im Rahmen eines eleganten Restaurants oder auf der eigenen Hacienda sprechen sie jene aficionados an, welche sich in den tendidos genauso wohlfühlen wie in kulinarischen Tempeln. Begleitet werden einige von dem katalanischen Zwei-Sterne-Starkoch Sergi Arola.
Javier Vazquez aus Madrid beginnt mit den Worten “Genauso wie in der Plaza de toros fühlt sich einer in der Küche alleine. Das stellt sich zunächst die Frage, wie man denn seine Arbeit am besten beginnt? Nun, genauso wie im Rund einer Stierkampfarena! Denn das erste was man anstrebt ist es, sich vorzubereiten, Und eines haben der torero und der Koch gemeinsam, am Ende wollen sie, dass es dem Publikum gefällt”. Der aus Sevilla stammende Julio Aparicio erkennt als Gemeinsamkeit den Wunsch, die Lust, die Einfachheit sowie eine jede Illusion. Und fügt hinzu: “Ob man nun einem Stier gegenüber steht oder an der Herdplatte, muss vorbereitet, intelligent wie wachsam sein, und vor allem, vor einer jeden guten faena (der eigentlichen Arbeit) viel Gefühl einbringen”. Auf den Nenner bringt es der Sternekoch Sergi Arola „Es ist eine Form etwas Wertvolles zu teilen, ob als Mann oder Frau. Ich kann mir ein Leben ohne Sensibilität nicht vorstellen, und das ist das Besondere in der Kochkunst. Darum gefällt mir auch der Stierkampf, wegen seiner besonders magischen Sensibilität”. Und er fügt hinzu, dass man wie beim Stierkampf die nötige Eingebung benötigt.
Bei so viel Sensibilität kann man sich eigentlich nur voller Spannung auf diese tauro-kulinarische Lektüre freuen. Und ein erster Blick über die Seiten verrät, hier geht es nicht nur um Rezepte, sondern die matadores de toros geben hier auch Privates von sich. Aber natürlich stehen ihre lukullischen Erlebnisse, ihre feinschmeckerische Erziehung und nicht zuletzt auch nicht unbedingt so kulinarische „Köstlichkeiten“ im Zentrum der Lektüre.
So „erfreute“ sich, der mittlerweile 85-jährige Jaime Ostos in Kolumbien an „gerösteten Ameisen“, natürlich ohne es zu wissen: „Allein schon der Gedanke, dass ich den kompletten Ameisenhaufen fast allein verspeist habe, löste bei mir … den Rest erspare ich Euch“. Der aus Cádiz stammende José Antonio Canales Rivera kam bei einer Überlebenssendung im spanischen Fernsehen in den Genuss eines Mischgetränkes aus Echsenaugen, Würmern, Heuschrecken, Affenhirn und weiteren Delikatessen. Und er verkündete nach mehreren Tagen des Hungerns, zwar schmeckte es „fatal, aber ich fühlte mich fabelhaft, und ich glaube kaum einer kann dieses Gefühl nachvollziehen!
Im Großen und Ganzen handelt sich meistens um einfache, eher ländliche Rezepte, die nicht selten aus Mutters Kochstube stammen. So finden wir ein SALMOREJO von José Antonio Canales Rivera und MIGAS a la Victor Puerto oder MIGAS AL ESTILO CAMPUZANO. Und Tomás Campuzano aus Écija bei Sevilla erklärt uns, was es genau ist: „Wenn diese (gemeint sind die Brotkrumen) schön knusprig sind, gibt man ein Spiegelei darüber. Das ist der entscheiden Campuzano Geschmack“. Der aus Valencia kommende Vicente Barrera bereitet, wie zu vermuten ist natürlich eine PAELLA VALENCIANA DE POLLO Y CONEJO.
Richtig erstaunt wird der Leser über die Kochkünste der Litri-Dynastie. Vater wie Sohn haben nicht nur Stierblut in den Adern, sondern beherrschen auch ihr Handwerk in der Küche. Miguel Báez y Espuny „Litri“ erlernte die Kochkunst sozusagen nebenher. Bei seinen Reisen zu den verschiedenen corridas de toros war er von der Zubereitung der Speisen so begeistert, dass er mit den einzelnen Köchen einen Deal machte: „Ihr zeigt mir wie es geht, und ich besorge euch Eintrittskarten für den Stierkampf”. Nun versteht er sich in der Küche bestens zu bewegen, und er hat es gar nicht gerne, wenn man ihm Verbesserungsvorschläge unterbreitet oder gar es wagt ihn zu kritisieren. Köstlich seine etwas unfeine Ausdrucksweise: „Mujé, má vino, cao en la puta!“ Natürlich trat bezüglich der Kochkunst sein Sohn in dieselben Fußstapfen, der über eine andere Delikatesse zu berichten weiß. Miguel Báez Litri jr. heirate Carolina Adriana Herrera, Tochter der bekannten Modedesignerin Carolina Herrera. Und eben seine Schwiegermutter liebte es in der Küche, genauso wie in der Mode, die Geschmäcker ordentlich zu vermischen. So gab es unter anderem BOHNEN MIT KETSCHUP.
Das klassische Stiergericht ESTOFADO DE RABO DE TORO wird von Jaime Ostos zubereitet. Er liebt es zu kochen, bleibt aber bei der alten, sprich traditionellen Küche: „Die neue Küche ist eigentliche eine Bauernfängerei!“
Aber nicht alle Toreros in diesem Buch, lieben es zu kochen oder sehen sich als werdende Köche. Vicente Barerra stellt trocken fest: „Ich versuch es gar nicht zu verheimlichen! Warum sollte ich lügen? Weder bin ich Koch, noch habe ich Spaß daran in der Küche zu stehen. Aber manchmal muss man es halt tun um zu überleben“. Der Medienstar Francisco Rivera Ordoñez benötigt einen Roman, ganze zwanzig Wörter, um seine Speise zu umschreiben: SOLOMILLO DE CEBÓN CON SALSA DE COLMENILLAS, PATATA CREMA, FONDO DE ALCACHOFA CON ESPINACAS, TOMATE CHERRY Y PUNTA DE TRIGUERO. Dahinter ist höchste Kochkunst zu vermuten, doch schnell wird man aufgeklärt: “Ich habe nicht die leiseste Idee, wie man mit dem Küchenherd umgeht. Das einzige was ich wirklich bereiten kann ist ein Spiegelei. Und ich mag noch nicht mal Eier“.
Das es in einem solchen Buch tauro-kulinarische Begriffe gibt ist eigentlich zu erwarten: Die Zubereitung wird allgemein als FAENA umschrieben und zahlreichen Gerichte erinnern an die Tauromaquia: PAVO REAL CON BANDERILLAS AL ESTILO VÁZQUEZ, RUEDO DE VERDURAS, SUERTE DE SOLOMILLO von José Pacheco Rodriguez „El Califa”, oder eine VERÓNICA DE SETAS CAMPERAS, ESTOQUE DE CHULETAS von Julio Aparicio und ob die TROMPETA DE LA MUERTE bei den SARDINAS ASADAS von Miguel Báez Litri jr. auch dazugehört, sei dem Leser selbst überlassen.

Eine unterhaltsame Lektüre für einen jeden der die Tauromaquia mit der kulinarischen Welt verbinden möchte. Sympathisch auch deswegen, weil die Stierkämpfer ein wenig aus ihrem privaten Leben erzählen. Insofern ist dieses Buch in seiner Art bis zu diesem Zeitpunkt einzigartig, sozusagen konkurrenzlos.
TOREROS EN LA COCINA
(in spanischer Sprache)
Pilar Carrizosa
Susana Carrizosa
Edition: El tercer nombre, S.A.
ISBN: 84-935102-8-9
Preis: 30,- Euros

Sonntag, 6. September 2009

Geistliche Afición


Den Titel könnte man durchaus auf spirituelle Fundamente beziehen. Aber in diesem Blog ist es natürlich naheliegend, einen Blick auf eine afición der Geistlichen zu werfen, die einen Hang zur mondo de los toros haben.

Antonio Cañizares: Kurienkardinal
Antonio Kardinal Cañizares Llovera hat in Rom, fernab von der Welt der toros die Leitung der Vatikan-Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung übernommen. Der 1945 in der Region Valencia geborene Priester entwickelte schon frühzeitig einen Faible für den Stierkampf. Und so spricht sich der Kurienkardinal der römisch katholischen Kirche für den Stierkampf aus.
Es versteht es sich aber von selbst, das er in der Funktion als ehemaliger  Erzbischof von Toledo, sowie Primas von Spanien, und jetzt als  Kurienkardinal sich weder privat noch öffentlich gegen die Tauromaquia äußert.

Don Cesáreo: Priester und Kampfstierzüchter
Bekannt sind die Stiere von Don Cesáreo aus Salamanca als los toros del Cura de Valverde (Die Stiere des priesters aus Valverde). Obwohl dieser schon 1994 verstorben ist, kenn man seine Stiere noch heute unter dieser Bezeichnung.


Diese Stierzucht wurde am 20 April 1941 von Don Juan Sánchez Rodríguez gegründet. 1953 vererbte dieser die Zucht an seine Kinder und eben an Don Cesáreo, den Pfarrer des Ortes. Während jedoch der Familiennachwuchs seine Stiere an andere bekannte Züchter, wie zum Beispiel Litri, verkaufte, beschloss der Priester seine Tiere, 80 Kühe und zwei Stiere, zu behalten. Es war ein langer Weg, und zunächst reichte es auch nur für die kleinen Plaza de toros. Dreißig Jahre sollte es dauern bis am 23. Juli 1983 das erste Mal seine toros in einer bedeutenden Stierkampfarena zu sehen waren: In Ávila. Zwei weitere Jahre später, also 1985 in Bilbao, dann in Logroño und noch einmal in Ávila wo es sogar eine vuelta al ruedo  für den Stier gab(eine Ehrenrunde für den getöteten Stier, als Zeichen für eine gute Zucht). Erst drei Jahre vor seinem Tod gelang ihm der Sprung nach Madrid.
Auch nach dem Tod von Don Cesáreo erregten seine toros 1999 und 2002 in Madrid für Aufsehen. Aber in der letzten Zeit sind die Stiere des Priesters rar geworden, und wenn überhaupt, nur noch in Frankreich zu sehen.
Und wie beinahe schon zu vermuten ist, reflektiert in seinem Brandzeichen ein (Kirchen) Portal mit einem Kreuz.

Jean Cadilhac: Bischof von Nimes (1978 bis 1999)
Er bezog ebenfalls zum Entsetzen der Stierkampfgegner eine positive Stellung zum Stierkampf:
„Ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn Katholiken zu den Stierkämpfen gehen, ich gehe ja auch gerne hin. Was ich an den Corridas so schön finde, ist, dass der Mensch das Tier dominieren kann, so wie Gott es will – das ist ganz im Sinne der Größe des Menschen.“
Hier bezieht er sich wohl auf den Artikel 2417 im katholischen Katechismus:
"Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt, den er nach seinem Bild geschaffen hat"
Und dieser Artikel bezieht sich auf die Bibel. In 1.Mose 2,2-3 lesen wir:
"Furcht und Schrecken vor euch soll kommen über alle Tiere der Erde und über alle Vögel des Himmels, über alles, was auf Erden kriecht, und über alle Fische im Meer; in eure Hände seien sie gegeben! Alles, was sich regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen; wie das grüne Kraut habe ich es euch alles gegeben."
Andere Übersetzungen sprechen davon, wo die Tiere "in eure Gewalt" gegeben werden. Die Bibel erklärt sich hier also eindeutig: Der Mensch steht über dem Tier. Die Bedeutung wird eindeutig wenn wir weiterlesen:
"Medizinische und wissenschaftliche Tierversuche sind in vernünftigen Grenzen sittlich zulässig, weil sie dazu beitragen, menschliches Leben zu heilen und zu retten."
Tierversuche ja, Menschenversuche, nein. Tiere dürfen sterben, gar leiden, wenn es den Menschen dadurch gut geht. Die Grenzen sind gesetzt.
Aber die umstrittene Aussage finden wir ebenfalls in dem selben Artikel, wo es da heißt, "die Tiere für die Freiheit dienstbar" zu machen. Denn jetzt bekommt der Hinweis "wenn es den Menschen dadurch gut geht" eine völlig neue Sichtweise. Denn für die afición leidet und stirbt der Stier nicht nutzlos und widerspricht auch nicht der Würde des Menschen - auch wenn es Tierschützer anders sehen.
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Quellennachweise:


Katechismus der Katholischen Kirche: Dritter Teil, Kapitel 7, II - 2417 und 2418 
Bibelübersetzungen: Schlachter 2000, Gute Nachricht Bibel 
Radio Vatican, 09/12/2008

Dienstag, 1. September 2009

Die päpstliche Bulle von 1567

Die römisch-katholische Kirche verbietet Stierfeste

Immer wieder berufen sich Tierschützer auf Papst Pius V (1504 -1572) und seine berühmte päpstliche Bulle aus dem Jahr 1567, die die Teilnahme an Stierfesten unter Androhung der Exkommunizierung verboten hatte.

Was kaum einer weiß, Pius V war vor seinem päpstlichen Wirken 28 Jahre lang Inquisitor für die Provinzen Como und Bergamo und 3 Jahre lang Großinquisitor der römisch katholischen Kirche. Da fällt es einem wirklich schwer zu glauben, der Papst hätte damals sein Herz für die Stiere entdeckt. Ganz gewiss nicht. Es ging ihm dabei um kirchliche wie politische Angelegenheiten:

ERSTENS: Was ihn schon damals als Großinquisitor mächtig störte war, dass Philipp II von Spanien (1527 – 1598) die spanische Inquisition als staatliche Organisation in festen Händen hielt, und nicht daran dachte diese Rom zu unterstellen.

ZWEITENS: An solchen Stierfesten kamen nicht selten zahlreiche caballeros ums Leben. Die Kirche konnte nicht akzeptieren, dass die edlen Ritter ihr von Gott geschenktes Leben so einfach dahin warfen. Außerdem fehlten sie dann für die Kriegseinsätze unter christlicher Flagge.

DRITTENS: Stierfeste fanden oft sonntags statt. Sie begannen schon gegen zehn Uhr am Vormittag und endeten in regelrechten Orgien bis spät in der Nacht hinein. Für den besuch von Gottesdienste gab es da keine Zeit und dadurch blieben viele Gotteshäuser leer.

Spanien spielte aber für Pius V eine wichtige Rolle, gerade im Kampf gegen das osmanische Reich. Um ein wenig mehr Kontrolle über die Iberische Halbinsel zu bekommen, ließ er jene päpstliche Bulle aufsetzen. Doch er machte die Rechnung ohne Philipp II. Dieser nämlich befürchtete Unruhen des Volkes, gar den Unmut des Adels, dem die Organisation jener Stierfeste unterlag, und ließ diese päpstliche Bulle erst gar nicht veröffentlichen. Als Erklärung schrieb er an den Vatikan : „Die Bräuche der Stierkämpfe liegen den Spaniern einfach einfach im Blut.“

Der historische Ablauf:

1567 wird die päpstliche Bulle De salutis gregis dominici von Papst Pius V veröffentlicht, in der die Stierkämpfe unter Androhung der Exkommunizierung verboten worden sind.
1575 lockerte Papst Gregor XIII diese Bulle in seinem Schreiben Exponis nobis super wieder auf, indem er das Verbot von Stierkämpfen nur auf Sonntage und geistliche Würdenträger bezog. Papst Gregor hatte sich nur deshalb darauf eingelassen habe, damit Spanien gleichzeitig mit Portugal, Italien und den katholischen Zonen in Polen 1582 den Gregorianischen Kalender einführt.
1583 setzte Papst Sixto V die päpstliche Bulle vom Stierkampfverbot wieder in Kraft. Vorher als Inquisitor von Venedig hatte ihn das Zugeständnis seines Vorgängers verärgert. Die eigentlichen Gründe für diesen Missmut decken sich wohl mit denen von Pius V. Aber es liegt auf der Hand, dass das Verbot von Stierkämpfen wieder mal eher eine Angelegenheit der Inquisition war und nicht unbedingt als Schutzfunktion für die Stiere anzusehen ist.
Obwohl Spanien den Vatikan des Machtmissbrauches und Interpretationsfalschheit beschuldigte wurde das vatikanische Verbot erst wieder nach dreizehn Jahren aufgehoben.
1596 hebt Papst Clemens VIII mit seiner Bulle Suscepti numeris alle Verbote bezüglich der Stierkämpfe auf.

Und wie steht es mit der Wirkkraft der päpstlichen Bulle?

Die Foundation Franz Weber aus der Schweiz veranstaltete diesbezüglich im Juni 2008 einen Schauprozess in Genf. Um diesem einseitigen Prozess einen professionellen Anstrich zu geben sprechen sie von einem Urteil des Internationalen Gerichtshofes für Tierrechte hinter dem die United Animal Nations steht. Das “Vereinte Nationen” wirkt dabei ein wenig irritierend, denn mit den Vereinten Nationen hat diese frei-gemeinnützige Organisation nichts gemein. Im Urteil ist nachzulesen:

“Bis zur Umsetzung dieser Abschaffung fordert der Gerichtshof vom Papst Benedikt XVI, die die Stierkampfspiele unwiderruflich verurteilende Bulle DE SALUTE GREGI DOMINICI des Papstes Pius V, die immer noch gültig ist, zu erneuern und klare Richtlinien zu erlassen, nach denen die blutigen und abscheulichen Veranstaltungen, die Stierkämpfe darstellen, verurteilt werden müssen.”

Die Theologische Fakultät in Trier sieht es anders:
"Zur Frage der Gültigkeit: Wenn eine päpstliche Bulle nicht widerrufen wird, bleibt sie natürlich gültig. Viele päpstlichen Bullen haben aber keine tatsächliche Wirkkraft erlangt und sind im staatlichen oder kirchlichen Leben bedeutungslos geblieben. So haben mehrere Päpste im Mittelalter in Bullen die Ritualmordbezichtigungen gegen die Juden ausdrücklich verurteilt und Unwissenheit und Habgier auf Seiten der Christen als die eigentlichen Motive für diese falschen Anschuldigungen der Juden bezeichnet. Gefruchtet hat das nicht.
Bei Pastor steht übrigens auch, dass König Philipp II. und die spanischen Granden sich sofort gegen das Verbot der Stierkämpfe gewandt haben. Es haben zwar einige spanische Bischöfe im sog. Reformlibell der spanischen Bischöfe auf dem Konzil von Trient (1561-1563) unter vielen Reformforderungen auch das Verbot von Stierkämpfen und sonstigen Tierhetzen (besonders an Sonn- und Feiertagen) verlangt. Die Namen dieser Bischöfe werden jedoch nicht genannt. Auf der anderen Seite fand Philipp II. auch willfährige Theologen, die ihm in ihren Gutachten die Unbedenklichkeit der Stierkämpfe bescheinigten.
Ich vermute, dass das auch für den heutigen niederen und höheren Klerus in Spanien gilt."

Da die päpstliche Bulle von 1567 und deren Wiederaktivierung von 1583 im Jahr 1596 von Papst Clemens VIII eindeutig widerrufen worden ist, hat diese entsprechend auch keine Gültigkeit mehr. Jede weitere Diskussion darüber scheint überflüssig.

Siehe auch: Der katholische Stier