Freitag, 23. Oktober 2015

Wenn man im Wohnzimmer kämpft

Der spanische Schriftsteller und Nobelpreisträger der Literatur Camilo José Cela (1916 bis 2002) war nicht nur für seinen dunklen Realismus bekannt sondern auch für seinen tremendismo. Ein Begriff der unweigerlich mit der tauromaquia verbunden ist. Also etwas Neuem, Provozierendem, etwas, was eine neue Begeisterungswelle hervorbringt. Im Falle der toros in die tendidos der plaza de toros überträgt. In seiner Fabel "El toreo del salon", welche 1936 erschien, beschrieb er, dass dieses auch ohne toro im Wohnzimmer, im Garten oder wo auch immer geschehen kann:

Über die Dramaturgie des toreo de salón
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von Camilo José Cela

Der torero betritt das ruedo, und wenn es ein toro ist, von Gott geschaffen, jemand, der die Regeln des toreo kennt, dann macht der toro den Rest. Der torero de salón hat keine Helfer. Um ein solcher torero de salon zu sein, muss man, ausser torero auch ein grosser Schauspieler mit Hang zur Dramatik sein. Da geht er auf einen Stuhl zu und ruft aus: "Geh vorbei toro!" Und dieser bleibt am Platze stehen. Und das ist viel weniger als man zu erwarten hat, denn wenn ein toro vorbei stürmt, hat man nicht einmal Zeit dieses auch nur zu denken.

Toreo de salón eines Nobelpreisträgers.
Sich ohne einen toro in Szene zu setzen, ist viel beeindruckender, als mit eingezogenem Bauchnabel am Leben zu bleiben, wenn der toro zustösst, ihm gar eine cornada zufügt. Da ruft jemand, mit einem gewissen Hochgefühl den toro, und der toro kommt, und der andere wiegt und gleitet hin und her, und wenn er es nicht tut, schaut er dem Tod ins Auge; welches natürlich noch schlimmer ist, aber da gibt es den feinen Unterschied: Was ist wenn der toro eine Liegestuhl ist, ein tragbares Bidet, eine Nachtischlampe oder einfach nur eine Nähmaschine? Und da steht man voller Stolz und ruft aus "He, toro!" Aber der kommt nicht. bleibt wie angewurzelt stehen, und man muss alles einsetzen um Leben in diese Szenerie zu bringen. Den Körper wiegen und gleiten lassen. 

Cela und die toros
Das mit dem toreo de salón ist sehr verdienstvoll, voller Geheimnisse und es rangiert immer am Rande der Geringschätzung, der Lächerlichkeit. Wie die pure Poesie oder das geheimnisvolle Laster ist das mit dem toreo de salón etwas, welches man nur unter seinen Bestimmten, gewissen Auserwählten finden kann.
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Quellennachweis:

Toreo de salón, Camilo José Cela, Editorial Lumen, Barcelona, 1936