Sonntag, 20. April 2014

El Juli und Morante in Málaga

Über die Wiederauflage eines Duells zweier maestros
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von Dominik Sachsenheimer 



Das mano-a-mano zwischen El Juli und Morante de la Puebla heute am Ostersonntag in Málaga wird als Wiederauflage des ersten Duells Joselito-Belmonte vor 100 Jahren vermarktet. Hierzu einige Anmerkungen. Die Rivalität zwischen José und Juan, die ausserhalb des Sandes eine Freundschaft war, lässt sich so beschreiben: Joselito war ein begnadeter Athlet, der die damals herrschenden Vorgaben des toreo in Perfektion darbot und Stiere wie kein zweiter beherrschte, während Belmonte als kränkliches Genie die Technik des toreo durch seine Bewegungslosigkeit für immer revolutionierte und dadurch eine vollkommen neue ästhetische Dimension schuf.

Auf den ersten Blick ist die Parallelle 100 Jahre später, Juli als den Beherrscher aller Stiere im Lager Joselitos zu sehen und Morante als genialen Ästheten als Erbe Belmontes, wie auf dem beigefügten cartel als Collage angedeutet. Beide Aussagen sind fraglos richtig, greifen allerdings zu kurz, weil die heutigen Heroen auch sehr viel mit ihrem vermeintlichen historischen Gegenpol verbindet.

Belmonte
 Belmonte ist der Übervater der Dominanz des Stieres mit dem Tuch, weil er sich anders als seine Zeitgenossen nur langsam und mühsam bewegen konnte, also auf perfekte Arbeit mit der muleta angewiesen war. Seither haben unter anderem Manolete, El Cordobés, Paco Ojeda oder El Juli (mit unterschiedlichen Schwerpunkten…) diese Technik des bewegungslosen Mannes mit perfekt getimten Handgelenk verfeinert und jeweils wie Belmonte in Massenmedien für Aufruhr gesorgt (man erinnere sich an das Wortspiel “juligans” für den Zulauf an Teenager-Publikum vor 15 Jahren). Juli ist also in vielerlei Hinsicht die extremste Weiterentwicklung der Belmonte-Prinzipien und seine faena vor einem Jahr in Sevilla ein Paradebeispiel: höchstes Risiko, der Mann ist dem Stier ausgeliefert und lenkt diesen allein mit den Fingerspitzen. Die spezifische Juli-Revolution ist dabei der beinahe im Sand schleifende Handrücken, aficionados schütteln ungläubig staunend den Kopf.

Joselito El Gallo
Ästhetisch ist das allerdings nicht jedermann’s Sache und Morante berührt die Zuschauer auf einer vollkommen anderen Ebene. Dabei bewegt er sich zwischen den pases deutlich mehr als viele seiner heutigen Zeitgenossen, erinnert also eher an den barocken Ansatz des grossen Joselito El Gallo und besitzt wie dieser in seinem Tanz mit dem Tier eine schwer beschreibbare natürliche Eleganz, was sich vom eher hölzernen Belmonte kaum sagen liess. Wie einst Joselito gilt auch Morante als Vertreter der Tradition gegen die neuen Moden dank technischer Revolutionäre. Die ernsthafteren solcher Kritiker wendeten und wenden sich dabei nicht gegen Ausnahmetoreros wie Belmonte oder Juli, sondern streichen lediglich die Bedeutung des Bewährten gegenüber dem reinen Thrill eines bewegungslosen Mannes im Angesicht der Bestie heraus.

El Juli und Morante de la Puebla
 Trotz dieser Bemerkungen wird das “Duell” in Málaga vor allem von den anfangs angesprochenen Gegensätzen geprägt sein: Die machtvolle Dominanz des Juli vs. die romantische Ästhetik Morante’s, lidia vs. Hingabe, Rasse vs. Poesie usw, alles auf Basis eine enger Freundschaft ausserhalb der Arena.

Vor allem aber sind beide Akteure “komplette” matadores: Beide haben schon zu novillero-Tagen in den 90ern alte capa-Figuren in ihr Programm eingebaut und so das erste und zweite tercio an Bedeutung gewinnen lassen. Juli’s Repertoire ist bis heute unerreicht und Morante’s verónicas gelten als die besten seit Antonio Ordoñez. Juli war bis in die Nuller-Jahre ein sehr spektakulärer banderillero und auch Morante hat über die Jahre hinweg immer wieder zu den Stöcken gegriffen. All dies Indizien für die breitere Sicht der lidia beider toreros im Gegensatz zum verbreiteten Fokus auf möglichst aufregende Einzelmomente, obgleich gerade die populärsten Manöver dem Stier oft schaden und für die lidia kontraproduktiv sind. Mithin stellen Morante und Juli trotz unterschiedlicher Schwerpunkte nicht nur als “máximas figuras” sondern gerade wegen ihrer Interpretation der corrida als Gesamtwerk eine tatsächliche Verbindung zu ihren Vorvätern von vor 100 Jahren dar.


Hoffen wir auf einen interessanten Nachmittag, gutes Wetter und vor allem tolle Stiere!