Donnerstag, 10. September 2015

Wenn Toreros zum Ersatz des eigenen Rituals werden

Eine Anmerkung zu "Die Stiertreiben nehmen zu ... die Toten auch"
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von Dr. Andreas Krumbein


Wie in anderen Teilen Spaniens ist auch in Andalusien neben den encierros eine weitere Art der Stierspiele anzutreffen, so zum Beispiel den toro de cuerda (auch toro ensogado, enmaromado oder engalanado), wie zum Beispiel in Gaucín oder Grazalema vorkommt.



(Fotos: Federación Española Toro de cuerdaPaco R.M.)
Oder der toro del Aleluva in Arcos de la Frontera, der einfach in den Strassen losgelassen und frei gelaufen wird, so wie es in vielen Gegenden taurinos in Süd-Frankreich üblich ist (wie in der Camargue und Arles mit toros der Camargue oder auch in Aquitanien).



Selbst bei Regen stellt man sich der Gefahr

Zu den Unfällen und den damit einhergehenden körperlichen Schäden, hier ein weiteres Video, dessen Aufnahmen wahrscheinlich in Portugal entstanden sind, deren Aussagekraft aufgrund der Tatsache, dass es eine Dorfveranstaltung ist, allerdings auf die Verhältnisse in Spanien übertragbar ist.


Häufig sind Missgeschicke, Fehlleistungen und Fehleinschätzungen verantwortlich für das Eintreten eines Unfalles.

Man kann aber auch deutlich sehen, dass das Eingehen eines Risikos, das Zulassen eines möglichen Unfalles mit all seinen Konsequenzen, die Möglichkeit vom Stier erwischt zu werden elementare Bestandteile des Stierspiels sind. Man riskiert etwas, man setzt etwas ein; man kann auch verlieren, doch man hat es versucht. Manchmal scheint es, als sei das Erwischtwerden sogar erwünscht, zumindest das geringfügige Erwischtwerden: man ist dem Tod von der Schippe gesprungen, man hat ihn besiegt. Das geht allerdings nur, wenn man sich dem möglichen Tod stellt, und wenn man ihn vorher herausgefordert hat.

Was die toreros, allen voran der matador, während einer corrida de toros tun, das dortige Eingehen von Risiken, hat seinen Ursprung in der ländlichen Bevölkerung und ihren althergebrachten Riten, die in den Stierspielen roh und direkt umgesetzt werden. Die corridade toros bietet den Feinschliff und die Möglichkeit für die Unmutigen jemanden aus ihrer Mitte, nämlich den matador mit seiner cuadrilla dafür zu bezahlen, dass er das Risiko für den Zuschauer übernimmt.

Einmarsch der toreros vor dem Publikum ins ruedo um sich der Gefahr zu stellen
(Foto: mundotoro)
Dafür dass man sich der Gefahr nicht mehr selbst stellt, das Risiko nicht selbst übernimmt, bezahlt man einen Experten, der für einen selbst als Teil einer Gemeinschaft, zu welcher der matador selber gehört, das Risiko übernimmt und die Herausforderung des Todes meistert und diesen (den Tod) abwehrt.

Toreros riskieren verletzt oder gar getötet zu werden. (Foto: mundotoro)
Nicht umsonst sind Unfälle oder Todesfälle während einer corrida so etwas besonders „Schlimmes“, etwas so enttäuschendes: nicht der direkt Geschädigte, Verletzte oder Getötete, also der torero, ist erster Adressat der Betroffenheit und des Mitgefühls, man ist es selbst. Das Ritual ist fehlgegangen, der Ritus hat nicht zum Ziel geführt, der Einsatz ist verloren, das Fest konnte nicht gefeiert werden. Man kann nicht erleichtert und befreit heimgehen. Man muss weiterhin beschwert sein.

Man gehe so nahe wie möglich an eine Grenze. Überschreiten will man sie nicht.