von Torodora Gorges
(Fotos: HJD)
14 Minuten Verspätung! Die
alguaciles reiten auf ihren
Pferden ein.
Beifall brandet auf.
Dann endlich die
toreros mit ihren
cuadrillas,
Morante links,
El Juli rechts,
der
sobresaliente, dessen Namen ich nirgends erwähnt fand, dahinter. Beide
Protagonisten
tragen besondere
Paradecapas, es sind Repliken der Paradecapas von
Joselito und
Belmonte. Nach
dem Gruss zur Präsidentenloge,
heute besetzt von einer jungen blonden Präsidentin, der Schwester von dem populärem Moderator von
TPT Enrique Romero, nehmen die
maestros
ihren Platz im
callejón ein, von wo sie zunehmender Willkommensbeifall des
Publikums erst noch einmal ins
ruedo ruft.
Nun aber geht es los, der erste Stier für
Morante ist
angekündigt. Sehr schnell zeigt sich, dass dieser
toro aus der
Domecq-Zucht
nichts taugt, er ist schwächlich!
- "Una
vaca!" - schimpft das Publikum. Die
cabestros mit den
schweren Glocken um den Hals holen ihn aus der Arena.
Er wird gegen einen
toro von
Victoriano del Río ausgewechselt, mit dem sich
Morante
"anfreunden" kann, ein
Morante, der an diesem Nachmittag überaus
motiviert und gut gestimmt wirkt. Dass
immer noch ein bisschen Regen fällt, scheint ihm wie den Zuschauern
nichts auszumachen.
Wir erfreuen uns an seinen grandiosen (limitierten)
veronicas und an der, nach den
picadores folgenden,
quite von
El Juli mit
chicuelinas und
cordobinas. Völlig
fasziniert
verfolge ich dann, wie
Morante den Stier mit der
muleta behandelt:
liebevoll, mit großer Sanftheit und
unendlicher Langsamkeit, er geht zärtlich auf ihn ein.
Suave! Das Tuch schwebt
über dem Rücken des Tieres wie ein großer Schmetterling, bleibt fast
stehen.
Zeitlupe! Das habe ich
mich in letzter Zeit, wenn ich ein aktuelleres Video von
Morante sah, öfter
gefragt: Ist das Normalzeit oder "
a cámara lenta" aufgenommen? - Die
banda de música setzte ein, von mir wie schon oft bei ähnlichen Gelegenheiten
fast als störend empfunden. Sie brach nach einer Weile grundlos ab, was das
Publikum und wohl auch
Morante irritierte! Weshalb die Musiker zu spielen
aufhörten, blieb mir verborgen.
Die Energie des Stieres liess nach einer Reihe von
mitreissenden
muletazos und mit empfindsamer Langsamkeit ausgeführten
naturales nach. Es gefiel mir sehr,
dass
José Antonio dennoch bis zuletzt seinen liebevollen Umgang mit diesem
Stier nicht aufgab. Nach dem Intermezzo des hässlichen
pinchazo, das von einem
rauen Seufzer des Publikums begleitet wurde, gab es eine
estocada, die den
Stier wanken ließ.
Morante wendete sich dem sterbenden
toro (
Botellero hieß er)
zu, lenkte seine rechte Hand an das linke Horn des Tieres, begleitete ihn mit
seinen Blicken, bis er einknickte. Das spielte sich direkt an der
barrera zum
tendido 6 ab, in dem ich mit meinem fotografierenden Freund
sass.
Das glückliche Kinderlächeln, das
Morantes Gesicht in dem Moment erhellte, als er den Stier verabschiedet hatte,
konnte der Fotograf nicht aufnehmen. Die Zuschauer waren aufgesprungen, die
Spannung hatte sich gelöst, dankbarer Applaus folgte.
Einige weiße Tücher wurden geschwenkt, aber es gab kein
lautstarkes Einfordern einer Trophäe. Man war einverstanden mit dem Reglement:
ein
pinchazo, kein Ohr! Jeder schien damit zufrieden. Das kenne ich aus anderen
plazas kaum noch. Ausnahmen sind da oft die Regel.
El Juli gefiel mir mit seinem ersten Stier, Gladiador
(aus der
ganadería Garcigrande),
sehr gut. Ich hatte
den
Eindruck, als ginge auch er
sanfter um mit diesem Tier, mehr "
artista" als Gladiator-
Torero. Das
kann er auch!! Und ein wirklicher Genuss war zu erleben, wie er, die Füsse
parallel gesetzt, ohne Bewegung, den Stier,
fest an die
muleta geheftet
um sich herumführte. Auch diese "
faena
pletórica"
(so nachzulesen
bei
mundotoro) blieb ohne Trophäen wegen der fehlgegangenen
estocada.
Schade!
Weder der zweite Stier
Morantes (
Domecq) noch der zweite von
El Juli (
V. del Río) liessen ihren
toreros die Chance zu glänzen.
Morantes toro
habe "
ni raza ni fondo" gezeigt.
El Juli ärgerte sich darüber, dass
sein
toro die
tablas suchte, also immer wieder davonlief. Auch diese
estocada misslang.
Man machte sich nun schon Gedanken, weshalb die Stiere, die
doch mit Umsicht und Sorgfalt von den
maestros selbst und ihren Beratern
ausgewählt worden waren (kein
sorteo, kein Pech beim Auslosen!), bisher so ein
schwaches Bild boten. Niemandem
sonst konnte die Verantwortung oder die Schuld dafür gegeben werden. Das
Problem, dass die Stiere immer mehr in die Richtung der Bedürfnisse der
figuras
gezüchtet würden, wird ja allgemein immer dringlicher diskutiert. So stellte es
sich auch hier wieder ein.
Noch konnten wir auf die beiden letzten
toros des
mano amano setzen.
Morantes dritter, ein
Jandilla, liess allerdings auch leider
richtige Angriffslust vermissen. "Schöne"
veronicas waren nicht
möglich, aber, wie es in
mundotoro hiess: "
Lo templa mucho, toreando
con las muñecas."
- Doch
Morante - wer ihn kennt, weiss,
dass das sehr selten vorkommt - widmete diesen Stier dem Publikum, das ihm
applaudierend dankte. Für mich signalisierte diese Geste Hoffnung! Er würde mit
diesem
toro keinen kurzen Prozess machen, auch wenn es der kein "Angreifer"
war, es an
embiste mangelte. Was wir zu sehen bekamen, war Wollen und Können,
künstlerische Meisterschaft gepaart mit
Mut, bewundernswerter Geduld und erneut diese unglaubliche Langsamkeit
in der Ausführung der
lances und
pases, zuletzt noch begleitet von der Musik eines
Pasodoble!
- Keine Trophäe, verhindert durch das
descabello! (Am Rande sei erwähnt, dass
Morante schon beim ersten Stier seine
Schuhe abgestreift hatte, was auch wieder beim letzten Stier der Fall war und
vom Publikum jeweils mit Raunen kommentiert wurde.)
Der letzte Stier des Nachmittags (Zucht
Domingo Hernández)
wurde von
El Juli mit einer spektakulären
porta gayola empfangen. Er schien
alles daran zu setzen zu triumphieren.
Jetzt war er ganz der "Gladiator", wie man ihn kennt:
autoritärer Herrscher, dominierende
Autorität, den Boden stampfend (ich will ihm nicht Unrecht tun, empfinde
diese Gesten aber immer wieder als unsensibel vulgär), technische
Perfektion!
Die
puerta grande schien nahe.
Aber es sollte
nicht sein. Der Degen traf nicht.
Ein Nachmittag ohne Trophäen, ohne Triumphe!
Einige weisse Taschentücher waren
geschwenkt worden, liessen aber die Präsidentin unbeeindruckt. Die Zuschauer
waren zufrieden. Niemand eilte vorzeitig davon, wie es ärgerlicherweise so oft
vorkommt.
Beide
matadores und ihre
cuadrillas wurden mit respektvollem Beifall dankbar aus der
plaza
verabschiedet.
Eine wohlerzogene
und sehr einfühlsame
afición, die von
Málaga!! Kein Zeichen von Enttäuschung
oder gar Verärgerung darüber, dass die
puerta grande am
Domingo de Resurrección
nicht geöffnet wurde.
Als
Morante zur
estocada mit seinem ersten Stier angesetzt
hatte,
war
aus dem
tendido eine Stimme erschallt:
"
El Arte no tiene miedo!"
(Die Kunst hat keine Angst!). Dieser Zuruf gab einer gewissen Skepsis Ausdruck, wirkte kritisch
provozierend.
Aber der
Slogan
Morantes als
Anspruch und Versprechen wurde an
diesem Nachmittag
von beiden
toreros eingelöst
und vom
Publikum
honoriert.