Freitag, 1. April 2016

Dem Stier die Schuld zu geben, macht die Sache zu einfach!





von Peter O. aus Marbella


Gehen wir in der letzten Zeit zu gnädig mit den Toreros um?
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Schon seit 1980 verfolge ich zahlreiche corridas in Andalusien. Und wehleidig denke ich an diese Zeit zurück. Was waren das noch für richtige authentische tarde de toros! Voller Emotionen, voller Spannung, eben ein richtiges Abenteuer noch vor dem Abendessen. Der Tod am Nachmittag. Eine Begegnung zwischen zwei Lebewesen, welche mit dem Tod endet. Zwischen Mensch und Tier. Zwischen einem torero und einem richtigen toro bravo

Der toro bravo ist keine Milchkuh zum Streicheln. Sondern ein Lebewesen mit Sinnesorganen und einem erlernten Instinkt, welches dazu gezüchtet wird, in einer plaza de toros vor bezahlendem Publikum das erste Mal einem Menschen zu Fuss zu begegnen um dann anzugreifen. Um sich zu verteidigen. Obwohl es ihm gar nicht bewusst ist, dass es den Tod überhaupt gibt, verteidigt er sich. Und er hat alles Recht der Welt dazu.

Wenn ein torero sich in das ruedo begibt, dann kennt er die Gefahr. Und wie toreros selbst gerne verkünden, sie haben unheimlichen Respekt vor den Stieren. Und es ist mehr als nur gerechtfertigt, dass sie diesen Respekt auch zeigen. Denn schliesslich ist es das Publikum, welches zahlt. Deren Lebensunterhalt finanziert. Es sind die Leute in den Rängen, die ein Recht darauf haben, diesem Schauspiel beiwohnen. Wie bei einem Schauspiel muss der Schauspieler sein Bestes geben. Und zwar immer. Und wenn jemand den Beruf eines toreros wählt, dann muss er dieses auch mit allen seinen Konsequenzen tun, so wie es der matador aus Málaga, Saúl Jiménez Fortes im letzten Jahr nach seiner bei tödlichen cornada verkündete. Und so sollte es auch sein.
Der matador de toros Saúl Jiménez Fortes stellt sich der Gefahr (Foto: mundotoro)
Und da denke ich wieder an die alten Tage zurück. Was wurden da die toreros für ihre miserablen Leistungen ausgepfiffen. Mit Sitzkissen und Bierdosen beworfen, weil sie sich nicht mutig genug den toros stellten. Das Publikum war manchmal so empört, dass die toreros mit Polizeieskorte, der Guardia Civil in Sicherheit gebracht werden mussten.

Heute ist die schlimmste Strafe die ein torero erhält, wenn das Publikum schweigt. Und dann, weil man so fachkundig ist, die Schuld liege ja beim Stier.  Er sei zu schwach, würde nicht angreifen und überhaupt hätte im ruedo nichts zu suchen. Und die ganz Schlauen sagen das schon im Vorfeld. Diese corrida tauge nichts, weil die toros von einer schlechten Zucht kämen.

Ich frage mich, ist das wirklich gerechtfertigt? Es sind doch teilweise professionelle matadores de toros, keine  beruflichen Schlachtermeister. Ein torero hat sich für mich jedem Tier zu stellen.  Konnte man doch gerade bei SfA von den riesengrossen Stieren lesen, dem hatten sich die toreros zu stellen. Es ist doch wie bei einer Jagd. Da kann der Jäger auch nicht einfach sagen, jetzt will ich nicht mehr, das Tier ist mir zu gefährlich, zu unberechenbar oder läuft immer weg. Wenn ein torero nicht den kompletten Mut aufbringt, darf er sich nicht wundern wenn er vom Publikum dafür abgestraft wird. Denn immerhin verdient er mit den Zuschauern sein Geld.

Natürlich gibt es auch toreros die ihr Handwerk beherrschen, wie Enrique Ponce. Wie oft hat das Publikum bei ihm verlangt, dass der toro ausgetauscht werden soll, weil er zu schwach war. Und gerade dann hat Ponce allen das Gegenteil bewiesen und mit dem Stier so gearbeitet, dass er sogar noch mit einem oreja vielleicht auch mit zwei belohnt worden ist. Das ist ein wahrer, ein guter torero, der sein Handwerk rundum beherrscht.

Der maestro Enrique Ponce, einer der ganz grossen figuras. (Foto: mundotoro)
Das Publikum, besonders die Fans von bestimmten toreros, sollten den matador keine Freibriefe für das ruedo ausstellen. Denn eins sollte die Branche nicht vergessen. Ohne die zahlenden Zuschauer würde es keine tauromaquia mehr geben und somit keine toros. Alles wird, vielseitiger und besser, wie auch im Sport und anderen Bereichen. Da bildet der Stierkampf keine Ausnahme.