von Colin Ernst und Philip de Málaga
Natürlich fragt sich hier ein jeder, was hat das Abschneiden eines
orejas mit der
arte de torear zu tun? Die Antwort ist einfach. Zwar handelt es sich dabei definitiv nicht um Kunst, sondern um die Bewertung der künstlerischen Leistung durch die
toreros. Mit anderen Worten, das
cortar una oreja ist die Messlatte der erbrachten Leistung eines
matadores.
Ein jeder Besucher einer
corrida, wo die
matadores mit
trofeos ausgezeichnet worden sind hat es schon gesehen. Doch kaum einer kennt den geschichtlichen Hintergrund, kaum einer weiss wie es dazu gekommen ist. Woher kommt eigentlich dieser Brauch?
Seinen Anfang hatte dies in den
Maestranzas von
Ronda und
Sevilla. Wir gehen zurück in 18. Jahrhundert. Dort wurde der Stier nach der
corrida der erfolgreichen
cuadrilla geschenkt, nicht nur zum Selbstverzehr und um Freunde und Bekannte damit zu einem Festmahl einzuladen. Es war auch Bestandteil der Bezahlung einer
cuadrilla, die das Fleisch auch oft an Bedürftige verteilte. Im Laufe der Zeit entwickelte sich allerdings zum Fleischereigeschäft und die Metzger wollten auf den Umsatz nicht mehr verzichten und man begann die
toros nicht mehr komplett zu verschenken. Für ein
oreja gab es einen viertel
toro, für zwei
orejas einen halben
toro und für
dos orejas y rabo ein ganzer
toro.
Es gab auch mal den Brauch, dass die
empresarios die
toreros statt mit
orejas mit Goldmünzen belohnten. Die
matadores jedoch lehnten diese ab, empfanden sie es doch wie Almosen.
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Ein oreja für Sebastián Castella aus Frankreich (Foto: mundotoro) |
So wurde das Ohr, „
la oreja“, zum Symbol, dass die
cuadrilla mit ihrem
torero so gut war, das man ihnen den Stier für ihre Leistung zusprach. Ein
oreja stand damals für einen Stier. Jetzt nicht mehr und lediglich der
matador erhielt ein
oreja als Auszeichnung.
Erst viel später, als der Ursprung dieses
trofeos in Vergessenheit geriet, wurden von den begeisterten
aficionados zwei Ohren, also zwei Stiere vergeben. Für die maximalen Trophäen, die zu Mitte des letzten Jahrhunderts zwei
orejas, den
rabo (Schwanz) und einen Huf des Tieres, betrugen, hätte der
torero und seine Mannschaft also gut vier Stiere verdient. Heute bekommt der
torero, der eine gute Arbeit abgeliefert hat, gut tötet, meist ein
oreja. War die Arbeit sehr gut, gibt es zwei. Zwei
orejas und den Schwanz gibt es bei exzellenter Arbeit, was in wenigen Fällen mit einem
indulto des Stieres endet. Diese Begnadigung, seitens des
toreros, des Publikums, des
ganaderos, des Präsidenten und des Züchters, wird mit den symbolischen
trofeos belohnt. Den Brauch auch noch den Fuss eines Tieres zu gewähren, habe wir selbst in der Neuzeit noch nie gesehen.
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"Chicorro" erwarb 1876 das erste oreja |
Das erste
oreja in Spanien wurde in Madrid, an den
matador Jose Lara "Chicorro" (1839 bis 1911) vergeben.
Alfonso XII sass auf dem königlichen Balkon, an diesem historischen 29. Oktober 1876. Das zweite
oreja gab es erst 1910, also 34 Jahre später, an den
matador Vicente Pastor al toro "Carbonero". In
Sevilla bekam erst 1915 ein
torero das erste
oreja. Kein geringerer als
José Gómez Ortega "Joselito" (1895 bis 1920) bei seinem
encierro mit sechs
Santa Coloma Stieren. Der Name des
toros war der legendäre
Cantinero.
Bis 1942 gab es in Spanien lediglich 10
rabos. Den ersten erhielt 1918 in
Las Ventas der
novillero José Rogers "Valencia I". Zwei Monate später gelang es mit
Joselito dem ersten
matador in
Sevilla einen
rabo zu erobern.
Wie viele
trofeos dem
matador für seine
lidia zustehen und wer dieses heute zu entscheiden hat, bestimmt das
reglamento taurino in Artikel 82, Absatz 2: Die Entscheidung des ersten
orejas liegt beim Publikum, welches durch das Schwenken mit weißen Taschentüchern, die
trofeo fordern kann. Die Verantwortung für das zweite
oreja liegt exklusiv in den Händen des Präsidenten der
corrida. Der
rabo kann laut
reglamento taurino (Artikel 83, 2) nur bei einem
indulto gewährleistet werden, was aber nicht immer sein muss, da sich gerade dörfliche
plaza de toros gelegentlich über das
reglamento hinwegsetzen.