Sonntag, 24. Januar 2016

19 Prozent sind nicht wenig!

Wenn man in den kulturellen Bereichen 
von Mehr- oder Minderheiten spricht
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von Philip de Málaga



Wieder einmal kann der antitaurinismo ein wenig mit Zahlen jonglieren und angeben. Im Auftrag von  La Tortura no es cultura und der World Animal Protection in Auftrag gegeben. Befragt wurden von Ipsos Mori (1) 1.059 Personen  im Alter zwischen 16 und 65 Jahren. Dabei wurden drei Fragen gestellt:
  1. Inwieweit sind Sie für die Stierfeste?
  2. In welchem Umfang sind Sie stolz darauf, in einem Land mit Stierkampf-Tradition zu leben?
  3. Wie Sie vielleicht wissen, schützt das spanische Parlament den Stierkampf als Kulturgut. Dies bedeutet, dass der Stierkampf als Teil des spanischen Kulturerbes anerkannt ist und dementsprechend öffentliche Gelder für die Stierkampfindustrie verwendet werden. Inwieweit sind sie mit den folgenden Aussagen einverstanden oder nicht?
Die Umfrageergebnisse finden sie hier als PDF-Datei (online): Bullfighting in Spain


Was wir hier feststellen, antitaurinos können rechnen, denn acht Prozent und elf Prozent ergeben 19 Prozent, welche sich zur tauromaquia hingezogen fühlen. Lediglich 19 Prozent, dass sind immerhin knapp neun Millionen Spanier.  Besuchen also corridas de toros. 24 Prozent haben dazu keine Meinung, 14 Prozent neigen dazu dagegen zu sein und 43 Prozent sind dagegen. So sprechen zunächst einmal die Zahlen dieser Umfrage, die zur Weihnachtszeit durchgeführt worden ist (11. bis 14. Dezember 2015), wo sich eigentlich kaum einer für die toros interessiert, allein schon deswegen, weil die temporada taurina auf der Iberischen Halbinsel sich im Winterschlaf befindet und sich nach Amerika verlegt. Und dafür ist das hiesige Interesse in der Tat eher bescheiden, es sei denn der Termin Ende Januar des maestros José Tomás in der Hauptstadt von México. Mit anderen Worten und im Klartext, selbstverständlich ist das Interesse für die mundo de los toros in den Wintermonaten in Spanien eher bescheiden. Das merken auch die Internetportale wie mundotoro oder auch bei uns hier bei SfA und dem COSSÍO en alemán. Warum solche Umfragen nie in aktiven Monaten wie Juli oder August, oder zu Sevilla, Madrid oder Pamplona durchgeführt werden ist und bleibt ein Rätsel.

Und noch etwas fällt zu diesem Thema ein, wenn die encierros von Pamplona in spanischen Fernsehen gezeigt werden, ob live, als Aufzeichnung oder innerhalb von Nachrichten oder Magazinen, fast alle schauen hin!

Man kann die Zahlen interpretieren wie man will, 19 Prozent sind mit Sicherheit keine Minderheit. Deutsche Parteien würden sich über solche Wahlergebnisse freuen, Wirtschaftsunternehmen über entsprechende Marktanteile und selbst in Bereichen der Kultur würden solche Zahlen Begeisterung hervorrufen. Zum Beispiel besuchen in Deutschland lediglich 2,5 Millionen Zuschauer die Theater, Opern oder Schauspielhäuser regelmässig (2), das wären gerade mal etwas mehr als drei Prozent! Gut 40 Prozent gehen gar nicht. Das wäre aber jetzt noch lange kein Indiz dafür die Nichtsubventionierung oder gar ein Verbot zu fordern. 

Wie SfA (3) vor wenigen Tagen zitierte, selbst in Spanien wird der spanische Film um ein Vielfaches mehr als die toros subventioniert, obwohl dieser definitiv viel weniger rentabel ist, meint 24 Prozent weniger einspielt als die festejos taurinos! Anders formuliert, toreros bringen mehr Geld in die Kassen (auch des Staates) als der spanische Film. Einfach nur eine Tatsache!

Wenn also ein Portal des antitaurinismo mit "Spanier sagen Nein zum Stierkampf" wirbt, verdreht dieses einfach die Tatsachen. Nur weil ein grosser Teil einen bestimmten Anspruch an die Kultur nicht stellt, wie zum Beispiel Ballett, die Oper oder die modernen Künste, bedeutet dieses noch lange nicht, dass diese auch abgelehnt wird, oder dass man ein Verbot fordert. Würde man diese mehrheitsprinzpliche Denkweise auf die meisten Traditionen sowie kulturellen oder künstlerischen Aktivitäten anwenden, gäbe es auf diesem Planeten viel bis sehr viel zu verbieten.

Die Freiheit der Kunst ist in den meisten demokratischen Ländern ein Grundrecht zum Schutz der künstlerischen Ausdrucksformen, vor allem wenn sie mit einer kulturellen Tradition verbunden sind. Besonders in der tauromaquia wird vom ruedo aus kommuniziert. Dem Publikum in den tendidos wird von den agierenden toreros und toros etwas übertragen, in Perfektion duende genannt, welches zu den Kommunikationsfreiheiten zum Grundrecht gehört, welches sogar in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht anerkannt wird (4). Was natürlich kein Freibrief für die toros in Deutschland bedeutet sondern die Intensität der Bedeutung aufzeigt. Denn selbstredend wird es in Deutschland nie eine corrida geben, allein schon deswegen nicht, weil es an kulturellen Wurzeln und den damit zugehörigen Traditionen fehlt. Eben kein Fundament. Aber in Spanien und Südfrankreich begegnen wir sehr wohl dieser Kultur. Auch in Katalonien. Und darum ist die tauromaquia zu Recht in diesen Ländern als Kulturgut, als Erbe der Vergangenheit deklariert worden. Also gültig, anerkannt und umsetzbar für die Gegenwart bis in die Zukunft. . . . bis?

Noch eine Beobachtung zum Abschluss:

In wieweit die World Animal Protection im Thema der tauromaquia wirklich involviert bzw. engagiert ist, sei mal offen. Gibt man in deren Online Portal die Suchbegriffe "bullfight" oder "bullfighting" ein, findet man lediglich ein Suchergebnis im Rahmen deren Geschichte, wo sie darauf hinweisen, dass sie in ungefähr 50 Städten in Frankreich und Spanien aktiv sind. Wahrscheinlich wird da einfach nur deren Namen bei einer Aktion der lokalen antitaurinos verwendet (5). Nicht mal im Portal von SOS-Galgos findet sich ein Hinweis zu dieser Organisation in der Linkliste. Klingt halt gut, diesen Namen zu verwenden. Dem Team von SfA sind auch keine Aktivitäten in deren Namen im spanischen Raum aufgefallen.


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Quellennachweise:

(1) Bullfight in Spain, Ipsos Mori, 21. Januar 2016
(3) Über die Subventionen der Stiere, Taurozitat von Carlos Herrera, 18. Januar 2016
(4) Artikel 5, Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium der Justiz für Verbraucherschutz
(5) World Animal Protection Company Limited, online