Mittwoch, 30. September 2015

Parar, templar y mandar





von Dr. Andreas Krumbein


Die corrida de toros und der toreo, also die Art und Weise wie der matador und alle anderen toreros mit den Stieren umgehen, ist eingebettet und durchsetzt von einer Fülle von Regeln, Erwartungen und Hoffnungen, die teilweise als mehr oder weniger gut definierte Anweisungen in Form von Staatsgesetzen in den unterschiedlichen reglamentos taurinos nachlesbar und zu befolgen sind, wobei eine Reihe dieser Anweisungen unscharf formuliert ist, so dass ihre Auslegung Gegenstand langwieriger Diskussionen sein kann.

Viele dieser Regeln, die sich nicht in einem reglamento taurino befinden, sind gut formuliert und auch aufgeschrieben worden, haben jedoch keinen Gesetzescharakter. Dennoch wird ihre Befolgung unbedingt erwartet. Sie stellen gewissermaßen die grundlegenden Fertigkeiten dar, die ein torero beherrschen und anwenden muss, damit sein Tun vom kundigen Publikum als handwerklich akzeptabel erachtet werden kann. Erst wenn das Handwerk stimmt, kann der Ausführung des Handwerks eine individuelle, künstlerische Note hinzugefügt werden, die in besonderer Weise vom Einzelnen goutiert und belohnt werden kann. Vorher muss, in besonderem Maße, der matador zeigen, dass er in der Lage ist, auf eine ganz bestimmte Art und Weise mit dem Stier umzugehen. Erst dann ist ein maestro.

Für den matador hat sich eine ganze Reihe solch handwerklicher Regeln herausgebildet. Die genaue Bedeutung der Begriffe, die diese Regeln fassen und prägnant bezeichnen sollen, ist wiederum eine Frage der Auslegung und ebenso Gegenstand noch langwierigerer Diskussionen, teilweise bis zum heutigen Tage. Teilweise hat sich die Bedeutung der Begriffe im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte verändert, und aficionados disputieren über die Korrektheit der unterschiedlichen Interpretationen ohne müde zu werden, wobei sie häufig ihre eigene als die allein richtige gegenüber allen anderen durchzusetzen versuchen.

Als Oberbegriff für die grundlegenden, handwerklichen Regeln für den matador hat sich der Ausdruck der cánones del toreo durchgesetzt: die Richtschnur oder der Leitfaden für das Verhalten des matador gegenüber dem Stier, die Gesamtheit der geltenden Regeln und Vereinbarungen für den toreo.

So haben beispielsweise José Delgado Guerra «Pepe Hillo» und Francisco Montes Reina «Paquiro» in ihren tauromaquias Regeln formuliert, deren Befolgung gleichzeitig die „maximale Begünstigung des toro und die maximale Sicherheit des torero“, so Joaquín Vidal, vereinen sollen.

"La Tauromaquia o el Arte de Torear", José Delgado Guerra "Pepe Hillo" (1954 - 1801)
und Francisco Montes Reina "Paquiro" (1805 - 1851)
(In diesem Zusammenhang stellt Joaquín Vidal in El toreo es grandeza fest: „Eine von der herrschenden Lehre abweichende Art des toreo, die einige Stierkämpfer Epochen später teilweise mit großer Akzeptanz des Publikums praktiziert haben, ist von den aficionados nicht wegen ihrer Abweichungen abgelehnt worden, sondern weil sie in irgendeiner Weise die Konstanten der maximalen Begünstigung des toro, der maximalen Sicherheit des torero und der letztendlichen Beherrschung des wilden Tieres, die das wesentliche Fundament des torero bilden, kaputtmachte.“)

"El toreo es grandeza" und Joaquín Vidal (1935 - 2002)
Viele matadores haben zu den cánones beigetragen und dadurch spezifische, individuelle Akzente gesetzt, die bis heute wirksam sind und die die Bewertung eines einzelnen matador und die Bewertung einer einzelnen suerte, der Ausführung von Serien von suertes und der Ausführung einer gesamten faena vom handwerklichen Standpunkt aus grundlegend beeinflussen:

„Alle Manöver haben ihre festen Regeln, durch die die toreros sie mit größerer Sicherheit ausführen können, unabhängig von ihrem ästhetischen Ergebnis. Kundige Beobachter sollten diese Regeln auch kennen, damit sie die Leistungen oder Mängel der lidiadores einschätzen können und damit sie nicht alleine sind mit ihren Sichtweisen des toreo.“

So schreibt José Antonio del Moral in "Como ver una corrida de toros" (Wie schaut man eine corrida de toros).

"Como ver una corrida de toros" von José Antonio del Moral (De Toros en Libertad)
Drei fundamentale cánones, zumindest deren praktische Umsetzung als Erster, werden dem matador de toros  Juan Belmonte zugeschrieben. Wich man bis dahin im wesentlichen den Angriffen des Stieres mit den Beinen aus, sah man bei ihm eine neue, langsame Ausführung des toreo mit geringer Entfernung zum Stier.

Rafael Molina Sánchez
"Lagartijo"
(1841 - 1900
Im Gegensatz zu einem Ausspruch von Rafael Molina Sánchez «Lagartijo»: „ …, und entweder gehst Du aus dem Weg oder der Stier räumt Dich aus dem Weg.“ soll Belmonte gesagt haben: „ …, und weder gehst Du aus dem Weg, noch räumt Dich der Stier aus dem Weg, wenn Du wirklich weisst, was torear bedeutet.“

Diese drei fundamentalen cánones sind: parar, templar y mandar.

Die Erläuterungen bei José Luis Acquaroni (Der Stierkampf, Editorial Noguer, S.A., Barcelona, 1959) lesen sich fast musisch:

"Der Stierkampf" von José Luis Acquaroni
„Die drei Grundlagen, auf denen die Arbeit mit der muleta - und jegliches Stierkämpfen - beruht sind: parar (ruhig stehen), templar (ausgleichen) und mandar (beherrschen).

Ruhig stehen (parar) heißt nicht einfach nur still dastehen, wenn man den Stier zum Angriff reizt. Ruhig stehen heisst, den eigenen Boden in keinem der drei Momente, die zu einer vollständigen Figur gehören, zu verbessern, also weder beim Reizen, noch beim Zusammentreffen und auch nicht dann, wenn man die Figur beendet. Ruhig stehen bedeutet, vom eigenen Boden keine Zugeständnisse zu machen, auch wenn der Stier mehrere Male vorbeiläuft, und selbst, wenn es sich um eine abgeschlossene Figur handelt.

Diesen statischen Begriff des Stierkämpfens verdankt man dem Juan Belmonte. Da es ihm an den notwendigen Kräften in den Beinen fehlte, blieb ihm nichts anderes übrig, als die ihm auferlegte Unbeweglichkeit, durch einen starken, geistesgegenwärtigen und beherrschenden Kampf mit den Armen auszugleichen. Von diesem Umstand lässt sich das ganze moderne Stierkämpfen ableiten.

Ausgleichen (templar) heißt hier, den heftigen Angriff eines Stieres auf den Rhythmus abzustimmen, in dem der torero mit der muleta oder der capa arbeiten will. Es geht darum, eine vollkommene Entsprechung zwischen der Bewegung der muleta und der Bewegung des Stieres zu erreichen und während einer ganzen Figur beizubehalten. Dazu muss man den Lauf des Tieres, sobald es zum Angriff losstürzt, anfachen oder bremsen. Man muss den Stier mit der muleta geschmeidig lenken und ihn immer in der gleichen Entfernung halten, bis zum Ende der Figur.

Beherrschen (mandar) schließlich heisst, den Stier zum Verfolgen eines bestimmten Weges zu zwingen. In jedem Augenblick muss das Tier vom Willen des Kämpfers abhängig sein.

Diese drei Grundlagen finden ihre Ergänzung in der Fähigkeit, die einzelnen Figuren richtig zu beenden und miteinander zu verbinden. Bei der Arbeit mit der muleta dürfen die verschiedenen Figuren nicht voneinander getrennt sein. Sie müssen vielmehr miteinander verbunden und verflochten werden. Um diese Verkettung zu erreichen, muss man den Stier nach jeder Figur so lenken, dass er sich in der entsprechenden Lage, also wieder an einer bestimmten Stelle befindet, um eine neue Figur zu ermöglichen, ohne den jeweiligen Standort verbessern oder verändern zu müssen.“

Diese Erläuterungen seinen ein erster Anfang, wenn man sich mit den cánones del toreo eingehender befassen will. Ein erster Anfang deswegen, weil (wichtige) Details, die in diesen Erläuterungen auftauchen, ganz anders aufgefasst und erklärt werden, wenn man die Interpretationen und Bedeutungen der Begriffe bei anderen nachliest. Desweiteren werden im Text weitere elementare Aspekte der Ausführung von suertes, die man ebenfalls als cánones ansieht, angesprochen – das „Reizen“, das „Zusammentreffen“, die richtige Beendigung der Figur, das Verbinden von Figuren, seinen Standort nicht verbessern müssen – ohne dass es deutlich kenntlich gemacht wird oder weiter ausgeführt würde.

"How to Watch a Bullfight" von Tristan Wood
Bei Tristan Wood in How to Watch a Bullfight liest man:

Parar – Heutzutage wird jegliche Bewegung der Füsse des matadores weg vom Stier, wenn sie während eines der grundlegenden pases mit der muleta getan wird, als Mangel angesehen und als Rückzugsbewegung vom Tier. Eine Herausbildung neueren Datums von parar (ruhig stehen) bedeutet, am Ende eines pase seine Stellung zu behaupten und den vorbeigelaufenen Stier an exakt derselben Stelle wie beim pase zuvor erneut in Empfang zu nehmen.

Dies ist in verkürzter Form der Inhalt der Erläuterungen von Acquaroni. An manch anderer Stelle liest man hingegen: Parar (in der Bedeutung wie sie bis 1796 zurückreichend bei «Pepe Hillo» in seiner ‘La Tauromaquia o Arte de Torear‘ vorkommt) bedeutet: still dastehen, die Füsse nicht bewegen, sobald man eine bestimmte Stellung eingenommen hat und der Stier in den „Einzugsbereich“ (jurisdicción) des lockenden Tuches eingetreten ist.

Hier wird vom matador weit weniger verlangt, als wenn man das neuere Verständnis von parar zugrundelegt, das parar auch dann erfordert, wenn der Stier vorbeigelaufen ist und die jurisdicción des Tuches verlassen hat, umdreht und sich erneut auf den matador zubewegt.

Templar – Der zweite Kanon, templar (mässigen, zügeln, abbremsen), beinhaltet, dass sich der torero auf den Rhythmus des Stieres einstellt. Ohne die Fähigkeit das Tuch im selben Tempo zu bewegen wie der Stier angreift, wird es schwierig sein einen einzelnen pase zustande zu bringen, wobei das Verwirklichen einer Serie unmöglich ist. pases, bei denen die Hörner des Stieres das Tuch erreichen, sowie solche, die das Tier verleiten sich im Tuch zu verhaken, sind als unästhetisch verpönt. Ein pase templado kann langsam oder schnell sein, abhängig vom natürlichen Rhythmus des Stieres, aber in besonderer Weise werden solche Momente wertgeschätzt, in denen das Tier vom Tuch so hypnotisiert zu sein scheint, dass der Mensch seinen Angriff durch die Handhabung des Tuches zu verlangsamen scheint.

Acquaroni beschreibt eine Anpassung des Verhaltens des Tieres, nämlich die Geschwindigkeit seines Vorwärtsdranges, an die Geschwindigkeit, mit der der matador meint, das Tuch führen zu wollen. In der Beschreibung bei Wood ist es umgekehrt: der matador muss sich der Geschwindigkeit des Stieres in korrekter Weise anpassen.

Dazu findet man auch: Üblicherweise wird templar verstanden als das Anpassen des Tempos der muleta an die Geschwindigkeit des Stieres. Es gibt Gelehrte, die argumentieren, templar bedeute auch das Mässigen der Schnelligkeit des Stieres, denn man könne sie dadurch verringern, dass man das Tuch absenkt und dadurch den Kopf des Tieres senkt und es somit langsamer werden lässt. Obwohl diese Behauptung manchen Vorzug hat, wird sie allgemein als etwas esoterisch-akademisch angesehen.

Muleta templada von Domingo Ortega und Iván Fandiño
Ob die muleta tatsächlich templada war, lässt sich natürlich nur beurteilen, 
wenn man den Bewegungsablauf direkt verfolgen würde.
(Fotos: Tauromaquias.comIván Fandiño)
Mandar – Der dritte Kanon, mandar (beherrschen, gebieten, kommandieren), bezieht sich auf die Wichtigkeit, den Stier mit dem Tuch als Köder zu kontrollieren, idealerweise von dem Moment an, in dem der Stier zum Angriff bewegt wird. Viele aficionados sehen folglich einen pase, der mit einer Vorwärtsbewegung der muleta in Richtung des Stieres begonnen wurde, als verdienstvoller an, als einen, bei dem das Tuch neben oder hinter dem Körper des Mannes gehalten wird, wegen der Länge der Zeitspanne, während der der Stier durch den matador kontrolliert wird, und das obwohl man argumentieren kann, dass diese anderen Methoden riskanter und gefährlicher sind, da bis zu demjenigen Moment, in dem der Stier seinen Kopf vollständig in das Tuch versenkt hat, immer das Risiko besteht, dass sich das Tier entscheidet den Mann statt den Köder anzugreifen.
Damit mandar tatsächlich möglich wird, muss der matador seinen Gegner verstehen und beherrschen. Obwohl man gute faenas sehen kann ausgeführt von toreros, die nicht in der Lage sind ihren Gegner zu beherrschen, sondern die lediglich das Glück haben, einem eifrigen und folgsamen Stier gegenüberzustehen, werden solche faenas, in denen der matador seinen Verstand und das Meistern des toro bravo unter Beweis stellen muss, um erfolgreich zu sein, als rühmlicher und lobenswerter angesehen.      

In sehr kompakter Form und ebenfalls in Übereinstimmung mit Acquaroni liest man auch: Mandar bedeutet, den Stier von Beginn bis Abschluss eines pase zu kontrollieren, ihn dazu zu bringen, dem Weg, der ihm vom torero mit dem Köder vorgegeben wird, zu folgen. 

Kurz vor Schluss sei noch einmal ein Schritt zurück an den Anfang getan, zum ersten Kanon: parar. Man findet auch eine deutlich andere, zusätzliche Erklärung und Interpretation des Begriffes parar:

Parar bedeutet, dem unkontrollierten Angreifen des Stieres Einhalt zu gebieten und damit zu beginnen ihn unter Kontrolle zu bringen, was eines der wesentlichen Merkmale der lidia darstellt. Hierbei ist das Wirksamwerden von parar vom Mann auf den Stier gerichtet, während es im üblichen Verständnis auf den Mann selbst gerichtet ist, der sein eigenes Verhalten zu steuern hat.
Diesem anderen Verständnis von parar entspricht im Deutschen das Wort parieren, nämlich das Abwehren eines Angriffes oder ein Gegenangriff in den Kampf- oder Fechtkünsten oder in Ballsportarten (z.B. Parade des Torwarts) oder beim Reiten das zum Stehen oder in eine andere Gangart bringen eines Pferdes.    

Es ist schon angeklungen, dass die drei fundamentalen cánones parartemplar y mandar nur der Anfang sind und es noch weitere cánones gibt, einige sehr wichtige, andere die – mir zumindest – weniger wichtig erscheinen. Ein weiterer wesentlicher Kanon, der zu überbordenden Diskussionen an vielen Stellen geführt hat und aktuell immer noch führt, sei hier nur namentlich genannt: cargar la suerte. Doch davon mehr in einem kommenden Beitrag.


Für mich ist klar, dass man die Güte der Beachtung und Ausführung der cánones nur in Filmaufnahmen, nie aber in stehenden Bildern beurteilen kann. Als Beispiel für die hohe Güte ihrer Ausführung sei der folgende Link angegeben: Signes du Toro - Spéciale José Tomás 


Dienstag, 29. September 2015

Ein ungeheures Gefühl an Glückseligkeit (2. Teil)





mit Francisco Morales


Der novillero Francisco Morales aus dem Dorf Carratraca in der Provinz Málaga stellt sich  den Fragen von SfA. Hierbei handelt es sich um ein Gemeinschafts-Interview mit dem ORF:

SfA: Hat dich schon einmal ein toro auf die Hörner bekommen?

Francisco Morales: Nein.
Sieht gefährlich aus, ist aber nichts passiert.
Keine cornada für den torero.
SfA: Nicht ein einziger?

Francisco Morales: Nein. Sie haben mich zwar schon mal erwischt, aber mich nie verletzt, keine einzige cornada.

SfA: Hattest du schon Momente, wo die Idee aufkam mit dem toreo aufzuhören?

Francisco Morales: Es gab Tage, da habe ich oft darüber nachgedacht. Aber ich dachte mir, den ganzen Einsatz den ich vorher erbracht hatte wäre umsonst gewesen. Das wäre Schade. Eines Tages wird die Belohnung dafür sicherlich kommen. Zum Guten wie zum Schlechten. Aber Gott sei Dank, bis jetzt lief alles gut.

Vor dem Einzug ins Finale, das er gewinnen wird
SfA: Konntest du dir im Finale des Certamen vorstellen, es zu gewinnen?

Francisco Morales: Um ehrlich zu sein, nach meinem ersten Auftritt (am Tage zuvor). nein. Ich hatte da einfach nicht das Gefühl, das ich überhaupt ins Finale komme. Aber als ich es dann im Hotel erfuhr, kam mir in den Sinn, dass in diesem Jahr ich meine Chance nutzen werde.

SfA: Die antitaurina ist ja bei dir ins ruedo gesprungen?

Francisco Morales: Ja, bei meinem novillo.

Die antitaurina bei dem schon toten novillo von Francisco Morales
SfA: Aber nachdem der novillo Tod war?

Francisco Morales: Das sind wir gerade dabei herauszufinden. Die antitaurina war eine Erwachsene. Und wenn eine antitaurina ins ruedo springt bringt sie nicht nur ihr Leben in Gefahr sondern auch unseres. Denn wenn der novillo plötzlich wieder aufsteht, könnte er wieder angreifen, während wir vom Publikum abgelenkt werden. Und so versucht man jetzt anhand von Videos herauszufinden, in welchem Zustand der novillo sich befand, als sie ins ruedo sprang. Als sie ihn erreichte war er tot.

SfA: Wie siehst du die antitaurinos? Bringst du ihnen Verständnis entgegen, kannst du sie verstehen oder findest du sie nur ärgerlich?

Francisco Morales: Ich respektiere sie. Aber immer vorausgesetzt, dass sie auch mich respektieren. Gegenseitiger Respekt.

So zum Beispiel diese Situation mit der Señora, oder mit Morante in Marbella, oder diese vielen Attacken die es dieses Jahr gab, jener Peter Janssen, jetzt wissen wir sogar schon seinen Namen, ich möchte an ihn eigentlich nicht denken, aber jetzt kennen wir ihn beim Namen. ... Und jetzt werden diese Sachverhalte auch von Anwälten überprüft, denn eins ist klar, so kann es nicht weitergehen.

SfA: Sprechen wir jetzt ein wenig vom toreo. Was liegt dir mehr, die capa oder die muleta?

Francisco Morales: Mehr die muleta.

SfA: Warum?

Francisco Morales: Weil man zum einen sich am längsten mit dem toro und ihr, der muleta auseinandersetzt, und sich am besten mit ihr ausdrücken kann in einer Art Verbindung mit dem toro

Der Umgang mit dem capote ist weitaus komplizierter. Aber ich denke auch, der torero mit dem capote, wenn er gut mit der capa umgehen kann, wie Morante, glaube ich, dass man mehr Vergnügen dabei hat als mit der muleta. Und um zu sehen wie das noch wilde Tier angreift, wie es sich bewegt, man es dazu auffordert, um einen gewissen Eindruck zu vermitteln, das Gefühl einer Sensation dabei ist grösser. Aber für mich gegenwärtig ist es die muleta.

SfA: Ein Manöver, welches du mit der muleta bevorzugst?

Francisco Morales: Die natural. Das ist fundamental.

Francisco Morales mit der muleta.
SfA: Und der momento de la verdad? Wie stehst du zur estocada, bereitet sie die Angst?

Francisco Morales: (Atmet durch) Ich respektiere diesen Moment.  Ich respektiere ihn, weil das Tier, von dem die antitaurinos behaupten dass wir es nicht mögen, es nicht lieben, dieses Tier ist für uns gross und erzogen geworden. Darum ist dieser Moment ein Augenblick des Respekts. Darum ist es in der plaza bei der suerte suprema besonders still. Und der torero versucht die estocada best möglichst auszuführen, damit das Tier am wenigsten zu leiden hat, und einen schnellen wie schönen Tod findet.

SfA: Bereitet dir diese suerte suprema Probleme

Francisco Morales: (Er lacht) Die letzten Male ist es mir recht gut gelungen, aber in der Vergangenheit ist es mit der espada nicht immer so optimal für mich gelaufen.

Das erste was man lernen muss, ist dem Tier nicht ins Gesicht zu schon. Allein der Anblick der Hörner hindert einen mental daran, sich dazwischen zu wagen um den Todesstoss anzusetzen. Der Schlüssel dazu ist, den optimalen Platz zu finden, um den espada erfolgreich und tief zu platzieren. Und für mich, so langsam wie möglich, denn dieses langsame Eindringen verbindet sich mit dem Respekt. Denn wenn es einer schnell tut, vermittelt er den Eindruck, dass er es schnellstens hinter sich bringen will, um sich so wenig wie möglich der Gefahr zu stellen. Nein, nein, genauso langsam wie beim toreo.

SfA: Aber diese Langsamkeit birgt auch ein gewisses Risiko.

Francisco Morales: Ja. Denn das schnelle Eindringen vermittelt deinem Unterbewusstsein, zügig davor zu fliehen. Und so bekommt man keine gute estocada hin. Den mit der Langsamkeit bringt man auch eine Harmonie zum Ausdruck, denn auch dieser Moment muss einen gewissen  Ausdruck an Schönheit zeigen, der Tod des toros.

SfA: Welche Art des Tötens bevorzugst du? Volapie oder Recibiendo?

Francisco Morales: Ich habe noch nie recibiendo getötet. Immer gehe ich auf das Tier zu. Man darf nicht vergessen, den toro recibiendo zu töten dazu gehört viel Risiko.
Plaza de toros in Carratraca (Málaga) aus dem Jahr 1878 für 3.000 Zuschauer
SfA: Zum Schluss, du selbst kommst aus Carratraca, dort gibt es ja auch eine beeindruckende plaza de toros an einem Berghang, aber keine toros.

Francisco Morales: Vor zwei Jahren wurde sie wieder eingeweiht, man hat sie dafür extra ein wenig renoviert, und ich hatte das Glück das festejo zu organisieren, und ich war derjenige, der seit 1909 dort wieder das erste Mal als torero angetreten ist.

SfA: Wann hast Du Deine nächsten Auftritte

Francisco Morales: Zwei novilladas sin picadores, eine am 16. in einem Dorf bei Guadalajara und am 17. bei Madrid.

SfA: Wir danken dir für das Interview und wünschen dir weiterhin viel Glück und Erfolg.


Francisco Morales: Danke an euch.

Montag, 28. September 2015

Ein ungeheures Gefühl an Glückseligkeit (1. Teil)





mit Francisco Morales


Der novillero Francisco Morales aus dem Dorf Carratraca in der Provinz Málaga ist als Gewinner der CertamenInternacional de las Escuelas Taurinas in diesem Jahr in der Malagueta auch SfA-Lesern bestens bekannt (Málaga: Francisco Morales gewinnt das Finale). Er selbst ist Schüler in der escuela taurina von Málaga. Einige haben das Finale sogar weltweit (Finale in Málaga online) mitverfolgen können. Nun stellt sich dieser Nachwuchs-torero den Fragen von SfA. Hierbei handelt es sich um ein Gemeinschafts-Interview mit dem ORF:

ORF und SfA beim Interview mit dem novillero Francisco Morales
SfA: Du bist der grosse Gewinner des Certamen, wie fühlst du dich?

Francisco Morales: Nun, als der glücklichste Mensch der Welt.

In einer vollen Malagueta gewinnt er das Finale des Certamen Internacional 2015.
SfA: Und was sind jetzt deine nächsten Schritte?

Francisco Morales: Grundsätzlich gehe ich meinen jetzigen Weg weiter. Und im nächsten Jahr, so Gott will,  werde ich in Málaga 2016 zu meinem Debüt bei meiner ersten novillada con picadores antreten. (Anmerkung von SfA: Diese novillada wird zur feria taurina in Málaga das erste festejo taurino sein).

SfA: Wann hattest du die Idee torero zu werden und dich dementsprechend dazu entschlossen. Seit wann weisst du, dass dies dein Weg sein wird.

Francisco Morales: Meine Eltern haben mir gesagt, als ich klein war, war einfach nur traurig, vor allem zu Essenszeiten. Und dabei lief stets der Fernseher und die Kanäle wurden gewechselt und sobald es etwas von den toros zu sehen gab, veränderte sich mein Gesicht, ich blieb fasziniert von der Farbenpracht, den toros, überhaupt von der Schönheit der fiesta de los toros. Und so habe ich mich mit vierzehn Jahren dazu entschlossen in der escuela taurina zu beginnen.

SfA: Wie alt bist du jetzt.

Francisco Morales: Zweiundzwanzig.

SfA: Mit dieser jetzigen Arbeit kannst du ja kein Geld verdienen.

Francisco Morales: Nein.

SfA: Wovon lebst du dann jetzt?

Francisco Morales: Ich studiere derzeit Finanzen und Buchhaltung an der Universität von Málaga und fehlt zum europäischen Abschluss noch die praktische Erfahrung und der B1 Abschluss in Englisch, oder welcher Sprache auch immer.

Parallel dazu mache ich vormittags ein Praktikum in einer Firma.

Der novillero bei einem derechazo
SfA: Und deine Eltern, als sie erfahren haben, dass du torero werden willst, wie haben sie reagiert. Störte es sie, waren sie eher traurig, haben sie dich unterstützt ...

Francisco Morales: Nein, so richtig einverstanden waren sie damit nicht. Eigentlich will es kein Familienmitglied, dass man sich für etwas entscheidet, wobei man sein Leben aufs Spiel setzt. Nicht mal ich selber. Dabei fühlt man sich einfach schlecht. Aber als sie gesehen haben wie ich in dieser Arbeit aufblühte und erkannten welche Freude es mir bereitete, haben sie begonnen mich zu unterstützen. Sie haben sich gefühlsmässig für mich entschieden, obwohl sie noch keine aficionados waren.

SfA: Hast Du Geschwister?

Francisco Morales: Ja

Francisco Morales im dritten Semifinale wo er ein oreja als trofeo erhält.
 SfA: Auch aficionados?

Francisco Morales: Mein Bruder ist kein aficionado de toros, er interessiert sich mehr für den Fussball. 

SfA: Ist er jünger oder älter?

Francisco Morales: Jünger.

SfA: Na ja, den Platz des toreros hast ja nun du belegt.

Francisco Morales: (lacht)

SfA: Was gefällt dir beim toreo am meisten. Was fühlst du in der plaza?

Francisco Morales: Vor allem die Sensation an Freiheit. Vor allem das und die Möglichkeit stets besser zu werden. Es ist ein Kampf, ein historisch alter Kampf, zwischen dem toro und dem Menschen und was mich anbetrifft eben jene Sensation an Freiheit, und meine Reaktion wie ich damit umgehe um diese Freiheit zum Ausdruck zu bringen. Etwas sehr persönliches tief im Inneren. Das Schlüsselwort dazu ist eben die Freiheit. Und selbstredend das ungeheure Gefühl an Glückseligkeit.

SfA: Gibt es matadores die du besonders bewunderst, die deine Idole sind? Was wäre dein cartel de lujo?

Francisco Morales: Kompliziert, ziemlich kompliziert. Da gibt es einige.

 SfA: Nun wenn dir keine drei einfallen, ein mano a mano würde es auch tun.

Der Ex matador de toros Fernando Cámara
Und Direktor der escuela taurina von Málaga
Francisco Morales: Gut. Nicht weil er mein maestro ist, nein, das habe ich schon immer gesagt, das steht einfach über allem. Die Beziehung die wir alle hier zu unserem maestro haben, ist etwas ganz besonderes, und keine Frage, wäre es ein anderer matador wäre vielleicht es genauso. Aber wegen dem extrem guten Umgang welchen wir hier täglich mit Fernando erleben, darf Fernando Cámara für auf keinen Fall in meinem cartel fehlen.

Ich hatte das Glück ihn im campo und einige Male in der plaza zu erleben, und für mich ist es stets, auch wie er hier uns alles mit Leichtigkeit vermittelt, sein Wissen überträgt, dass ist einfach beeindruckend. Und mit welcher Überzeugung und Stärke er rüber kommt und wir haben das Glück dass er hier ist uns rum scheucht, „hierhin“, „dorthin“ und wieder zurück. Darum darf er nicht in meinem cartel fehlen.

SfA: Und der zweite?

Francisco Morales: An zweiter Stelle würde ich José Tomás platzieren.

SfA: Und fährst Du im nächsten Jahr nach México um ihn zu sehen?

Francisco Morales: Nein (lachend), und der Dritte im Bunde wäre für mich Julián López „El Juli“. Das wären in der Gegenwart mein drei matadores auf dem cartel.

Sein cartel de lujo: Fernando Cámara, José Tomás und El Juli
Fortsetzung folgt.

Sonntag, 27. September 2015

Das ein Präsident ins Geschehen eingreift ist kein Einzelfall

Auch in der Provinz Toledo übernahm der Präsident den Degen
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von Philip de Málaga


Gerade vor ein paar Tagen hatte SfA davon berichtet: Wenn der Präsident sich selbst ein Oreja gibt. Das war 1927 in der Provinz Badajoz wo der presidente die Aufgabe des novilleros übernahm, weil er sich weigerte ins ruedo zu treten.

Wie SfA nun erfahren konnte handelte es sich dabei um keinen Einzelfall. Denn am 26. September 1879 wird ausserhalb der Gemeinde Quintanar de la Orden, in der Provinz Toledo, auf dem freien Land eine neue plaza de toros eingeweiht. Sie bot in den tendidos Platz für 4.500 Zuschauer. 

Die plaza de toros Quintanar de Orujo in der Provinz Toledo. 
Veranstaltet wurde dafür eine corrida de novillos und als matador wurde Francisco García "El Oruga" verpflichtet. Jedoch war dieser nicht in der Lage einen seiner novillos zu töten, und so beschloss der presidente Ángel Pastor das Zepter selbst in die Hand zu nehmen, verliess den palco presidencial, begab sich ins ruedo, nahm dem novillero den espada ab, und führte die estocada selber erfolgreich durch. Das Publikum war von diesem Auftritt dermassen begeistert und forderte den presidente auf die lidia der noch zwei verbleibenden novillos selbst durchzuführen, was er dann auch tat.