Sonntag, 23. Oktober 2011

Antoñete, Tod am Nachmittag

Sonntag in Andalusien. Es ist noch früh am Morgen. Nur wenige Kreaturen zeigen sich im Strassenbild. Die letzten Gestalten der Nacht, die ersten Kirchgänger, die Taxifahrer, Bäcker und die Zeitungshändler, welche die jüngsten Exemplare der Presse sorgfältig vor ihrem Stand ausbreiten. Neben dem Kantersieg von Real Madrid wissen die Medien auch vom Tod zu berichten. Vom Tod am Nachmittag. Nicht im ruedo, sondern in einem Krankenhaus in Madrid.
Der Himmel ist schwarz. Es donnert und grollt, helle Blitze erleuchten schmerzend die Silhouette der Altstadt von Málaga. Es regnet in grossen Tropfen. Der Himmel weint und Spanien trauert. 

Nichttaurinos werden von ihm kaum gehört haben, aber diejenigen, die sich zur afición bekennen, wissen sehr wohl, warum die taurinischen Flaggen auf Halbmast hängen. Antonio Chanel Albadalejo "Antoñete" hat gestern der Welt Lebewohl gesagt. Nicht die toros haben ihn besiegt, nein, der Tabak und die Einsamkeit gaben dem Leben eines der grossen toreros ein jehes Ende. Wer als Neuaficionado das Glück hatte Antoñete in Aktion zu sehen, der kam in den Genuss der Tauromaquia noch einmal die Hand zu schütteln, so wie man sie Anfang Mitte des letzten Jahrhunderts kannte. Die grossen Juan Belmonte und Manolete lassen grüssen.

Antoñete, ein Mythos der Tauromaquia, eine Legende aus der Welt des Stierkampfes. Der Geschmack des guten toreos. Sein klassischer Stil mit den Stieren zu kämpfen, seine persönliche Art im Umgang mit der Tauromaquia lassen ihn als Teil der taurinischen Geschichte erleuchten. Für immer und unvergesslich.

Für den kolumbianischen matador de toros Cesár Rincón war er Idol und Vorbild. Und mit Erfolg. Im Jahr 1991 konnte man in der Presse lesen, Cesár Rincón in Madrid kämpfen zu sehen, ist wie Gott etwas zu fragen und er antwortet dir. Ein Mythos lebt weiter.

Wer kennt ihn nicht? Atrevido, den weissen Stier. 15. Mai 1966, das war keine faena, das war eine Simphonie. Unvergessliches Delirium in der grössten Plaza de toros von Europa. Las Ventas, seine Plaza de toros, hier ist er, hier war er zuhause.


Kein anderer hat es verstanden wie er die Geometrie des toreos umzusetzen, kaum einer konnte mit der Distanz zum toro so umgehen wie er. Seine Manöver waren durch und durch geplant, bis in das kleinste Detail durchdacht, er beherrschte das Terrain. Das toreo war für ihn wie eine taurinische Gleichung die er meisterte. Gewiss, sein Stil mag für einige wenige etwas altmodisch gewesen sein, der Vergangenheit angehörend und vielleicht auch zu schlicht, aber stets elegant, majestätisch, klug und überlegen.

Antoñete, descanse en paz.