Mittwoch, 21. Oktober 2015

Über den erotischen Rausch





von Michel Leiris


.... wenn der toro den torero passiert
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Genauso wie beim Koitus gibt es beim pase der tauromaquia einen auf Erfüllung hingehenden Anstieg (nämlich wenn sich der toro dem torero nähert), so dann den Paroxysmus (wenn eben der toro in die capa eintaucht und seine Hörner den unbeweglichen Körper des still stehenden toreros knapp streifen), und schliesslich die Trennung der beiden Wesen im ruedo nach einem intensiven Kontakt, ein so genanntes Auseinanderstreben, einem Verfall gleich, zum der Bruch der Beziehung führt. Und wenn dann beide, unter der Voraussetzung, dass der toro entsprechend reagiert und der torero gut in der Lage war ihn durch das flexible wie zusammenhängende Labyrinth der pases zu lenken und zu dominieren (wobei die Kontrahenten, die zunächst getrennt, dann zusammen den Anschein erwecken, zu einer Einheit verschmolzen zu sein), entsteht eine Ekstase, welcher einem erotischen Rausch sehr nahe kommt. 

Zeichnung: André Masson
Wie kurz vor dem Höhepunkt bei einem Liebesakt, ist man auch hier hin- und hergerissen: voller Furcht, dass es ein Ende haben könnte, begeistert dass es vielleicht auch fortgesetzt werden kann. Bei den Wiederholungen der Manöver wird die Euphorie - so wie bei den Zärtlichkeiten eines Koitus - nur noch gesteigert, man dringt tiefer in einen Rausch ein, in die Trunkenheit, weil man die Tiefe der Wollust, welche sich steigert, die geradezu heftiger wird, spürt und sich bereits befriedigt zu glauben fühlt. 
(Foto: mundotoro)
So wie bei einem physischen Schwindelanfall, welcher beklemmend oder fantastisch sein kann, begleitet einen das Gefühl von Gefahr. Eine solche Folge provozierter wie gerade noch abgewehrter Gefahren lässt sich nicht ewig fortsetzen. Und trotzdem wird die pessimistische Prognose vereitelt: Der Mensch, der torero lebt noch und der der toro ist noch immer in seiner Nähe, um ihn herum, hüllt ihn geradezu ein. Doch dann ganz plötzlich hat der Zauber ein Ende. Denn sie gehen auseinander. Verlassen sich. Werden zu Fremden.  

(Foto: El Mundo)
Und in diesem Moment meldet sich das Publikum von den tendidos und die ovaciones ertönen in der plaza, dringen ins ruedo und leiten eine Entspannungsphase ein, wo der torero seine nervliche Anspannung abbauen kann, das Fieber senkt sich, mit dem dem Gefühl einer gleichzeitigen Ejakulation, deren Sperma sich in den lauten Bravo-Rufen des Publikums reflektieren.
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Quellennachweis:

MIROR de la tauromachie précédé de Tauromachies, Michel Leiris, èditions fata morgana, Montpellier, 1980