von Pio Guerendiain
Es ist kurz vor acht Uhr morgens in Pamplona. Während der Sanfermines begibt sich Pio Guerendiain jeden Morgen an die Ausgangstür des Geschäftes für Badezimmermobiliar seiner Eltern, in der Calle Estafeta Nummer 1. Dieses Gebäude befindet sich gleich hinter der wohl gefährlichsten Kurve der Welt. Denn hier wurden und werden immer noch während der zehn Tage im Juli tausende von Menschen von sechs toros und den cabestros durch die Strassen bis zur plaza de toros, der La Casa de Misercordia gejagt, wo beinahe an die 20.000 Menschen in den tendidos auf die heran galoppierenden Tiere und den gescheuchten Läufer warten.
Pio kommt zur schützenden Bretterwand vor der Tür, öffnet eine kleine Luke um freien Blick auf die Strasse zu bekommen. Seine Kamera einsatzbereit in der Hand, bereit sofort los zu legen, denn wenn sie kommen, bleiben ihm oft nur wenige Sekunden. Momente der Panik, der Kraft, der Ängste, Eindrücke des Vorbeirauschens von Mensch und Stier, welche durch das spanische Fernsehen in die ganze Welt live übertragen werden. Ganze 50 Jahre verfolgte der Photograph aus Pamplona von dieser privilegierten Stelle aus das morgendliche encierro. Das Gebäude selbst, schon seit sieben Generation in der Hand der Familie, wurde schliesslich vor zwei Jahren verkauft. Aber 2012 war es noch in Familienbesitz und der Photograph verharrte in Wartestellung wie ein Jäger. Die Treibjagd konnte beginnen. "Ich nenne es den Geruch der Angst", sagt Pio, "er macht mich darauf aufmerksam, das gleich die cohete ertönen wird, ein ganz entsetzlicher Geruch, und was ganz Besonderes."
Aus der Luke betrachtet. Das encierro in Pamplona. Der Aussichtsposten von Pio Guerendiain. |
Dann kommen sie voller Kraft, mit einer gewaltigen Wucht aus der curva de la muerte geschossen, die toros bravos der ganadería Victoriano del Rio. Und schliesslich der entscheidende Moment, ein Klick, ausgeführt von Pio Guerendiain im richtigen, im entscheiden Moment, der nun vier Jahre später auf jedem cartel taurino zu San Fermín 2016 zu sehen ist.
Cartel taurino für Pamplona 2016 |
Fast sein ganzes Leben verbrachte der 66-jägrige Photograph an dieser Kurve des Todes, der curva de la muerte. Er selbst sieht es jedoch ein wenig anders: "Ich glaube nicht, dass in dieser Kurve jemals etwas Ernstes geschehen ist, ja, ein Schock vielleicht, aber nie Tote oder etwas wirklich ernsthaftes." Als die Presse ihn nach seiner Methode, seiner Einstellung fragte, wenn er solch Eindrücke festhalte antwortete er, "ich lebe nicht von der Photographier, ich sterbe für sie!"
Der Künstler bei der Präsentation des cartel taurino 2016 am letzten Freitag. |
Die handgemalten Texte auf dem cartel sind von dem ebenfalls aus Pamplona stammenden Architekten Fernando Redón. Zu sehen lediglich der Schriftzug Feria del Toro, die Jahreszahl und die Brandzeichen der zehn ganaderías, welche dieses Jahr Sanfermines mit toros und novillos versorgen.
50 Jahre die encierros in San Fermín Eine lange Tradition, auf die Pio Guerendiain zurückblicken kann. Hautnah an der Gefahr. Kaum einer bekam die toros so nah vor das Objektiv wie er. Augenblicke der höchsten Erregung, wo sein Adrenalin nach oben schnellte, seine Hände angespannt, die Waffe geladen in der Hand ... es war an der Zeit, dass eines seiner Photos endlich das cartel taurino seiner Stadt schmücken sollte, ja musste. Denn seine Photos wäre nicht nur begehrt und in zahlreichen Gallerien und Museen wie das Reina Sofía in Madrid zu sehen, sondern er verstand es mit einer pureza die Spannung der einzelnen Sequenzen voller Emotionen abzulichten wie kaum ein anderer, aber auch in der plaza.