Wir schreiben den 28 April 1992. Es ist 8:30 Uhr und im Hospital
Rüber in der spanischen Hauptstadt
Madrid stirbt der irische Maler
Francis Bacon im Alter von 82 Jahren an einem Herzinfarkt.
Den taurinischen Kennern der Kunstszene dürfte
Bacon vor allem wegen seiner Studie über Stierkampf aus dem Jahr 1969 bekannt sein. Obwohl der Künstler den
festejos taurinos, dem
bullfight, wie man in seiner Sprache sagt, am Anfang eher distanziert gegenüberstand, hatten diese für ihn trotzdem eine gewisse Faszination. Später, so ab 1976, durch die Freundschaft mit dem surrealistischen Schriftsteller und
aficionado de toros Michel Leiris, entwickelte
Bacon mehr Leidenschaft, mehr Tiefe für die
tauromaquia. Vor allem der Blick in das Zentrum des Geschehens, in das Herz eines
ruedos während einer
corrida. Was ist es, was genau geschieht in jenem
ruedo? Was bekommt man dort zu sehen? Ist es der Kampf auf Leben und Tod, oder reflektiert sich hier gar eine leidenschaftliche Liebe? Mit Sicherheit eine Ambivalenz, welche man in zahlreicher seiner Werke begegnet. Wie der Betrachter es auch bewerten will, hier zeichnet
Bacon genau das auf, was im
toreo sich widerspiegelt. Nämlich die Tatsache, dass der
torero genau das tötet, wozu er ein besonderes Verhältnis der Zuneigung hat, den
toro.
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Study for a Bullfight No 1 (1969) |
In diesem Ölgemälde sind der
torero und der
toro dazu übergegangen einen gemeinsamen, einen neuen Körper zu bilden, eine Einheit zwischen Mensch und Tier. Ein neues Wesen, welches aber noch von dem Menschen, durch den emporragenden Kopf ohne menschliche Züge im Gesicht, kontrolliert wird.
Das erinnert an die Aussage des
matadores de toros Juan Belmonte (1892 bis 1962), der mal sagte: "
Wenn ich im ruedo stehe, bilde ich mit dem toro eine Einheit. Wir beide sind eins. Ich bin ganz mit ihm vereint und nehme das Publikum in den tendidos gar nicht wahr. Nur der toro und ich."
Und jetzt, fast fünfzig Jahre später, fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod, taucht ein weiteres Werk
Bacons auf, welches sich ebenfalls mit der
tauromaquia auseinander setzt. Der Kunsthistoriker
Martin Harrison entdeckte durch Zufall in einer ziemlich geheim gehaltenen Privatsammlung noch eine Studie zum Thema der
toros.
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Study of a bull (1991) |
Jenes Gemälde wird eindeutig seiner letzten Phase zugeordnet. Laut
Harrison sei es sogar sein letztes künstlerisches Werk gewesen. Aus jener Periode, wo
Bacons Werke stets dunkler wurden, das Licht welches er sah immer schwärzer.
"
Wenn einer jemals eine corrida gesehen hat" so
Bacon,"
dann vergisst er das nie". Das
espectáculo taurino als unvergessliches Ereignis, ganz gleich, wie man dazu steht. Und so scheint es, dass der in
Dublin geborene Künstler mit diesem Werk auf seiner Bühne zum letzten Mal Stellung bezieht. Gleich dem
toro auf dem Gemälde, welcher zu seiner letzten
faena antritt. Der
toro kam zum sterben,
Bacon betrat das Hospital in
Madrid, ebenfalls ohne Hoffnung. Der Alkohol, das Asthma und die Operation, da konnte man nichts Gutes erwarten, und
Bacon wusste es.
Der Künstler verwendet bei seinem zwei Meter hohen Werk Staub aus seinem Studio in
Kensington, welches er im Bereich des
toros einsetzt. Ein Symbol, ein Anzeichen auf den bevorstehenden Tod, so
Harrison, und er erinnert sich an Überlegungen von
Bacon. "
Der Staub ist ewig. Schliesslich werden wir alle wieder zu Staub!"
Ob er wirklich wusste, dass sein persönlicher
momento de verdad gekommen war? Der genaue Entstehungszeitpunkt seines letzten Werkes ist unbekannt. Doch seine
faena endete wie eine jede. Ohne ein
indulto.
Geblieben ist ein Werk eines
toros, der das
ruedo betritt. Der Beginn einer Dramaturgie nach bestimmten Regeln, mit vorhersehbarem Ende. Nach der Einigung kam der Tod. Bestimmt und sicher, und man endet im Staub.
Doch die erste körperliche Vereinigung zwischen
toro und
torero aus dem Jahr 1969 wurde am 14. November 2007 bei einer Versteigerung im Hause
Sotherby von
New York immerhin für die stolze Summe von 22 Millionen Pfund (ca. 28 Millionen Euro) unter den Hammer gebracht. Was wird wohl die jüngste Entdeckung von
Harrison bringen?
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22 Millionen Pfund bei Sotherby s in New York für ein Bild der tauromaquia |
Nachdem der Maler in
Madrid verstorben war, wurde sein Leichnam eingeäschert und sein "Staub" in England verstreut.