Freitag, 31. Oktober 2014

Stiere und die wilden Tiere

Wenn Tiger und Löwen auf die toros angesetzt werden
Der toro Caramelo, Happy End ... und doch keins
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von Philip de Málaga

Bleiben wir noch einmal bei den Tieren als enemigo des toros. Normalerweise versteht man in der Sprache der tauromaquia als enemigo den toro selbst. Doch in diesem Falle setzte man dem toro nicht Hunde, wie in den letzten Beiträgen von SfA zu lesen vor, sondern andere Tiere. Tiere von denen man meinen könnte, dass sie eben gefährlicher als Hunde seien. Die Stadtherren von Madrid wollten der Bevölkerung ein besonderes espectáculo bieten.

Dazu wurde für den 12. Mai 1849 an der Puerta de Alcalá eine plaza portatil errichtet. Bei diesem festejo taurino traten keine toreros an. Sondern dem toro "Señorito" von der ganadería José Bermúdez wurde ein bengalischer Tiger vorgesetzt. Es war das Tagesgespräch in der spanischen Hauptstadt. Und so fieberte man einer langen, harten wie blutigen Auseinandersetzung beider Rivalen entgegen. Die Plätze in den tendidos waren gefüllt und die Stunde der Wahrheit kam. Gespannt verfolgten die Massen das Geschehen im ruedo und schnell machte sich die Enttäuschung breit. Denn der toro bravo Señorito benötigte gerade mal drei Minuten seinen enemigo, den zwar kleineren aber weitaus wendigeren indischen Königstiger zu erledigen.


Damit hatte keiner gerechnet. Also beschloss man dieses espectáculo zu wiederholen. Aber damit es nicht von so kurzer Dauer war setzte man gleich mehrere Tiere auf den Stier an. Einen Löwen mit dem Namen Julio und einen Tiger dann einige Hunde. Es dauerte zwar ein wenig länger, aber am Ende siegte der toro, wobei er den Löwen regelrecht verjagte. Bei einem anderen festejo versuchte man es mit Hyänen, ebenfalls erfolglos. 

Am 12. August 1849 kam die Stunde des toros Caramelo. Ihm wurden gleich mehrere Aufgaben gestellt. Er sollte gegen den Löwen Julio, welcher zum zweiten Mal ins ruedo geschickt worden ist, und schliesslich gegen einen Tiger antreten. In der Mitte des ruedos stand ein grosser Käfig mit den beiden Raubtieren. Caramelo wurde durch das toril eingelassen und nahm sogleich den Löwen ins Visier. Dieser verliess den Käfig und griff an. Doch der toro verstand sich zu wehren, nahm den Löwen auf die Hörner und wirbelte ihn durch die Luft bis er zu Boden fiel. Dort liegend griff Caramelo erneut an, und beförderte ihn wieder mit einer voltereta an eine andere Stelle, wo er ihm dann einige cornadas zufügte. Verletzt zog sich der Löwe ins Gehege zurück. Dann der Auftritt des Tigers, dieser beisst sich erst am Hals des toros fest und wird schliesslich von Caramelo gegen die Eisenstangen der barrera geschleudert, wo er vorerst regungslos liegen blieb, und sich dann ebenfalls ins Gehege schleicht. Dann geschah etwas höchst ungewöhnliches, weder der Tiger noch der Löwe trauten sich aus ihrem Käfig heraus um dem toro entgegenzutreten. Keinem subalterno ist es gelungen die Tiere wieder ins ruedo zu bewegen. Und so kam es, dass Caramelo ohne einen weiteren Kampf wieder in den corral geleitet wurde. 

Am 4. September 1849 musste Caramelo wieder antreten. Diesmal bei einer richtigen corrida de toros mit einem matador de toros. Mit voller bravura stellte er sich dieser neuen Herausforderung, griff den picador zwölf Mal an, erlegte drei caballos und wurde mit einem indulto, vor allem durch das Publikum gefordert, begnadigt. 

Trotz des indulto wurde Caramelo in Bilbao zwei Jahre später in der plaza de toros nach einer guten faena durch eine estocada getötet.
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Quellennachweis:

España 1790 - 1900, Sociedad y condiciones económicas
Kapitel XIII Entrenamientos, Espectáculos y Convivencia de Masas
Germán Ruedo Hernanz, Editorial Istmo, 2006

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Wenn Hunde gegen die Stiere kämpfen

Auch spanische Doggen wurden bei corridas in Spanien zugelassen
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von Philip de Málaga

In der SfA-Reportage Stierkampf in Italien wurde davon berichtet, dass in Italien mit den italienischen Doggen Jagd auf toros gemacht worden ist. Aber auch auf der Iberischen Halbinsel wurden Hunde bei corridas eingesetzt. Ein Brauch der bis Mitte/Ende des neuzehnten Jahrhunderts in Anspruch genommen wurde. Die Hunde wurden dann eingesetzt, wenn der toro nicht mindestens drei Mal den picador angegriffen hat, also die puya zu spüren bekam. Was bedeutet, dass die toreros mit ihm kaum die arte de torear vollziehen konnten. So war es das Ziel, das Tier so zu schwächen, dass der matador ihn leichter töten konnte. Dabei wurden die Hunde jeweils zu Dritt auf den toro angesetzt und wenn diese dem Stier erlegen waren kamen die nächsten drei Hunde zum Einsatz. Bei ihrem Angriff hatten es die Hunde vor allem auf die Ohren abgesehen, um den toro ruhig zu halten, erst dann konnte der matador die estocada entweder von hinten oder von der Seite ansetzen. Wobei es sich dabei eher um ein unkontrolliertes Einstechen handelte, wie man im nachfolgenden Gemälde erkennen kann.


Pharamond Blanchard (1805 - 1873)
Hunde werden und wurden schon immer mit ihrem Instinkt für die Jagd eingesetzt. Durchaus nachvollziehbar, sie auf die Fährte des toro bravos zu bringen. Selbst im bekannten San Fermín und in der Maestranza de Sevilla traten die Hunde im ruedo an. Zahlreiche Künstler der vergangenen Jahrhunderte haben dieses schriftlich wie bildlich dokumentiert. So haben von Begegnungen zwischen Hund und toro unter anderem die Poeten Miguel de Cervantes (1547 - 1616), Lope de Vega (1592 - 1635), Francisco de Queveda (1580 - 1645) und Juan Yagüe de Salas (1561 - 1621) berichtet.

Antonio Carnicero (1790) 
Auch der spanische König Alfonso XI von Kastilien wusste über die taurinischen Hunde zu erzählen. So kann man es in dem 1582 erschienen Buch von Argote de Molina (1549 - 1596) nachlesen, begleitet von Illustrationen.

Argote de Molina (1582)
Es war vor allem der Alano Español, ein Art spanische Bulldogge, welche bei den toros zum Einsatz kam. Auch Windhunde gab es bei den toros zu sehen. Im reglamento taurino ist über die Verwendung von Hunden bei corridas wenig zu finden. Der Cossío dagegen spricht von einem cartel in Madrid, wo für den 7. November 1814 für die letzte corrida de toros des Jahres der zusätzliche Auftritt von zwei Hunden angekündigt wurde, um diesem festival zu mehr Glanz und Gloria, zu einem krönenden Abschluss zu verhelfen.

Ein alano español jagt zwei novillos
Viele Maler haben sich diesem Thema zugewendet:

Francisco Goya, Manuel Castellano, Luis Ferrant, Frans-Snyders,
Paul de Vos und Gundestruo
Auch bekannte Künstler der nachfolgenden Epochen widmeten sich dieser Darstellung.

Pablo Picasso (1881 - 1973)
Hunde und toros, das gehörte bis etwa 1870 zusammen. Der Marquis von Tablantes beschrieb es so: "Wo die arte de torear nicht brillieren konnte warf man die Hunde in den blutigen Kampf". 

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Quellennachweise:

El Toreo - Gran Diccionario Tauromatico, José Sánchez Neira, Editoral Turner, 1988
Ritus y juegos del toro, Ángel Alvarez de Miranda, Biblioteca Nueva, 1998
Los Toros en el Arte, José Luis Morales y Marin, Espasa Calpe, 1987
Fiesta de Toros en Toledo, Juan Moraleda y Esteban, Rafael G. Menor, 1907
El Coloquio de los Perros, Miguel de Cervantes Saavedra, Artemisa Ediciones, 2008
Historia de Sevilla, Alonso Morgado, Andrea Pescioni und Luan de Leon, 1587
Anales de la Real Maestranza de Sevilla, Ricardo de Roja y Solis, Editoral Guadalquivir, 1989
Carta histórica sobre origen y progresos de las fiestas de toros en España, Nicolás Fernández de Moratín, 
      Imprenta de Pantaleón Aznar, 1777
Pamplona y Toros - Siglo XIX, Koldo Larrea, Autor-Editor, 2009
Los Toros Josefinos, Enrique Asín Cormán, Asociación Cultural "Los Sitios de Zaragoza", 2008

Mittwoch, 29. Oktober 2014

1994: Stierkämpfe in Italien wieder erlaubt

Ist Italien wirklich ein Land der Stiere? Ja, aber nicht im ruedo!
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von Philip de Málaga


Die Meldung kam überraschend und fast kaum einer hat sie zur Kenntnis genommen, obwohl es die Schlagzeile beim Il Messaggero war: "Die corrida kommt nach Italien". In der südeuropäischen Republik wurde am 4. August 1994 das Dekret 480 verabschiedet, welches die königliche Verordnung einer abolición de los toros vom 6. Mai 1940 ausser Kraft setzt. Theoretisch bedeutet dieses, dass es seit zwanzig Jahren wieder corridas de toros in der Repubblica Italiana geben könnte. Aber eben nur auf dem Papier.

Gianni Letta
So versicherte Gianni Letta, Staatssekretär des Ministerpräsidenten, dass der Artikel 7.2.7. des italienischen Strafgesetzbuches jeden bestraft, der Veranstaltungen organisiert, wo Tiere misshandelt oder getötet werden. Mit anderen Worten, weder die corrida noch die Hahnenkämpfe wird es in Italien wieder geben.

Silvio Berlusconi,
ein heimlicher aficionado?
Da fragt man sich, was denn dann dieser ganze Aufwand sollte? Die Antwort ist einfach. Dahinter verbirgt sich die Finanziaria Investimento (kurz: Fininvest), einer der wichtigsten Finanzholdings in Italien. Sie wurde von Silvio Berlusconi gegründet und wird derzeit von seiner Tochter geleitet. Zu jener Holding gehört ein Teil der italienischen Medienwelt, so auch das Fernsehen. Und es war Berlusconi, der die Rechte erwerben wollte, spanische corridas de toros im italienischen Fernsehen zu zeigen. Jedoch ist es bis heute noch nicht zur Ausstrahlung eines festejos taurinos gekommen.

Was bewegte Berlusconi damals dazu, diesen Schritt in die Wege zu leiten? Sicherlich versteckt sich dahinter bei ihm selbst eine gewisse afición. Zum anderen muss die Holding über bestimmte Informationen verfügt haben, dass beim italienischen Publikum ein gewisses Interesse dafür zu bestehen scheint. Und schliesslich kann man nicht behaupten, dass es in Italien keine Tradition zu den toros gab. Immerhin, in den letzten Jahrhunderten gab es einige corridas zu sehen, die letzte fand 1924 in Rom statt. Und auch das erste Vorführen und Töten eines Stieres vor öffentlichem Publikum gab es in Europa wohl auch in Italien, im römischen Circus, noch vor der Geburt des Herrn, um die 65 v. Chr.

Ernesto Elio Garberi, Präsident des Club Taurino de Milan äusserte sich wie folgt: "Italian ein Land der toros? Auf keinen Fall! Aber ein Land mit taurinischen Traditionen, welche uns erlauben die toros lieben und verstehen zu lernen, ihre Rituale, ihr Unglück aber auch ihre Grandezza."

Dienstag, 28. Oktober 2014

José María Manzanares ist tot





von Philip de Málaga


Eine Legende hat sich von der mundo de los toros verabschiedet
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José María Manzanares bei seiner letzten corrida in Sevilla (Foto: mundotoro)
Mit nur 61 Jahren ist der matador de toros José María Dols Abellán, bekannt unter dem Künstlernamen José María Manzanares padre  heute Mittag auf seiner Finca Campo Lugar bei Cáceres verstorben.

Seine alternativa hatte der maestro am 24. Mai 1970 in Benidorm. Sein padrino war der legendäre Luis Miguel Dominguín und der testigo El Viti. Also Auszeichnung bei seinem ersten grossen Tag als matador de toros erhielt er ovación und dos orejas y rabo. Es folgten 36 Jahre mit auffallend vielen festejos taurinos und zahlreichen retiradas wie reapariciones bis er sich endgültig am 1. Mai 2006 vom spanischen ruedo, wo er sich mit dos orejas verabschiedete.

Seine grössten Triumphe feierte er 1975 in México Stadt (puerta grande), 1976 in Pamplona (dos orejas), 1984 bei einem mano a mano mit dem diestro Francisco Espla in Alicante (tres orejas), und 1993 in Sevilla mit der laut dem Portal mundotoro besten faena seines Lebens (nur dos orejas weil er mit dem espada scheiterte).

Am 14. Juni 1990 trat er als matador único in der Real Maestranza de Sevilla an um endlich mal die Puerta del Príncipe zu öffnen. Der maestro wollte, das Publikum in den tendidos wünschte es sich, aber es sollte nicht sein. Ein tarde de toros sin trofeos.

Manzanares gehörte im letzten Jahrhundert wohl zu den matadores der an den meisten corridas teilgenommen hatte. Bei mehr als 1.700 festejos taurinos war er zu sehen. Ein taurinischer Weltrekord.

Descanse en Paz.

Ein Legende hat sich verabschiedet. (Foto: mundotoro)

Stierkampf in Italien

Es gab sie wirklich, die toros in Rom, sogar der Vatikan veranstaltete corridas
Stierkämpfe gab es in Italien bis 1924
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von Philip de Málaga

Wenn man Italien mit der mundo de los toro verbindet, denkt man in erster Linie an die päpstliche Bulle von Papst Pius V der sie 1567 verordnete, in welchem alle Stierfeste in katholischen Ländereien verboten worden sind. Den genauen Ablauf hat SfA in Die päpstliche Bulle von 1567 beschrieben.

Gewiss wissen die meisten aficionados dass es der römische Imperator Gaius Julius Caesar war, der von seinem Spanienfeldzug den Kampf mit dem toro mit nach Italien brachte und ihn im römischen Circus einführte.



Dagegen wird es sicherlich für einige neu sein, dass es die toros auch in der neuzeitlichen Ära in Italien gab. Denn im Jahr 1330 wurde auf dem Petersplatz in Rom ein festejo taurino veranstaltet. Man erkannte aber nicht unbedingt die Gefahr, die von den toros ausging, und trotz aller angeblichen Vorsichtsmassnahmen endete das festejo mit einem Fiasko. Neuzehn berittene caballeros kamen im Umgang mit den toros ums Leben. Auch zahlreiche Zuschauer wurden von den iberischen Tieren getötet. Und somit wurde der Versuch, die toros auch in Italien einzuführen zum Scheitern verurteilt. Viel zu gefährlich, für Teilnehmer wie für das Publikum. Ein wahrer Alptraum auf dem Petersplatz. Und schliesslich führte es erst einmal in Italien zum Verbot von Stierfesten.

Aber dieses Verbot bedeutete nicht, dass von nun an die toros einem friedvollen Leben entgegensehen konnten. Im Gegenteil. Noch bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden sie auf brutalste Weise mit einer Horde von italienischen Doggen gejagt. Jene Cane Corsos jagten die Tiere und bissen sich an ihnen fest, bis sie sterbend zusammenbrachen. Aber die festejos taurinos in Spanien wollte der Vatikan verbieten. Daran erkennt man unter anderem auch das Politikum der päpstlichen Bulle.


Aber nicht nur der Cane Corsos macht in Italien Jagd auf die Stiere. So gibt es Quellen, die davon berichten, dass es 1492 zu Feier der Rückeroberung von Granada einige festejos mit reses gab, die einen Bezug zur erfolgreichen spanischen Reconquista herstellen sollten. Am 5. Februar gab es nach einer Prozession mit anschliessender Messe eine corrida mit 5toros5, an der Cesar Borgia als einziger matador teilnahm. Nur zwei Wochen später wurde in der Piazza Navonna erneut eine corrida ausgetragen, an der Juan und Cesar Borgia gemeinsam antraten. Unter den Zuschauern befanden sich neben dem Papst auch der spanische Botschafter sowie der Weihbischof aus Badajoz. Überhaupt wurde die mundo de los toros von dem Hause Borgia gefördert. Die Liebe zu den toros spiegelt sich auch im Wappen von Papst Alexander VI (siehe links) wider. Und wie in Spanien veranstaltete man auf den städtischen Plätzen die Stierfeste, wie zum Beispiel Campo di Siena, Piazza Navonna oder eben auf dem Petersplatz des Vatikans, dem auch katholische Würdenträger beiwohnten.

Papst Alexander VI wohnt einem Stierfest bei.
Der Neffe des Papstes, Cesar Borgia tritt gegen toros an.
Piazza Navonna in Rom im Jahre 1492
So gab es im 15. Jahrhundert einige festejos taurinos in Italien gegeben haben. Auslöser war auch die Invasion in Sizilien und Neapel durch spanische Eroberer unter König von Aragon V, welche die toros zusätzlich als Importgut mitbrachten. In Florenz veranstaltete man am 1. Juli 1780 eine corrida de toros um das neue Amphitheater einzuweihen.

Sogar im letzten Jahrhundert berichten die Medien von den toros in der italienischen Hauptstadt Rom. Mussolini war auf der Suche nach einem espectáculo um seinem Volk etwas Besonderes zu bieten. Zum anderen wollte er Geld sammeln, um die medizinische Versorgung im ersten Weltkrieg zu unterstützen. Dazu musste das römische Theater herhalten. So fand das letzte festejos taurino in Italien im Jahr 1924 statt.


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Quellennachweise:

Italia fue un país taurino, Estefanía Zarallo, ABC, Madrid 9.12.2012
El toro Borgia y el toro de Europa, Victor Manuel Mínguez Cornelles, Castellón de la Plana, 2006
Toros, Toreros, Lorenz Rollhäuser, Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbeck bei Hamburg, 1990
Toros en Italia, Portal taurino
La corrida de toros del Vaticano, David R. Jiménez-Muriel, La Alacena de las Ideas, Granada 1.02.2014
Toros en Roma, Fabad, Aula de Granada, Granada 2010

Montag, 27. Oktober 2014

José Tomás versus Morante de la Puebla

Zwei Photographien
José Tomás ist ein Bildhauer, Morante de la Puebla ein Musiker
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von Tristan Wood
(übertragen aus dem Englischen von Dr. Andreas Krumbein)


Es gibt immer einen besonderen Nervenkitzel der Erwartung, wenn man kurz davor ist, eine corrida mit José Tomás oder Morante de la Puebla zu sehen. Bei Tomás hat ein Teil dieses Nervenkitzels damit zu tun, dass seine Auftritte so limitiert sind. Gleichwohl kann man nicht bestreiten, dass der toreo dieser beiden matadores dem aficionado, im günstigsten Falle, eine höhere Dimension verspricht, die andere toreros selten, wenn überhaupt erreichen.
Was ist so besonders an diesen beiden? Um dem weiter auf den Grund zu gehen, wählte ich als eine meiner Winterlektüren Antonio José Pradel Ricos Elogio y refutación de la quietud: una tauromaquia (casi) inmóvil mit dem Untertitel  José Tomás versus Morante de la Puebla.
Señor Pradel ist Akademiker und, zusätzlich zu der Tatsache, dass er aficionado ist, Liebhaber des Flamenco, und ich muss gestehen, dass einige seiner kulturellen Anspielungen über meinen Horizont gingen, wobei manche seiner Gedanken (zum Beispiel die Ähnlichkeiten zwischen dem toreo en redondo und den sich-drehen der Derwische, mit Bezugnahme auf einen spanischen Derwisch) besonders abstrus wirkten.
Nichtsdestoweniger gibt es bei ihm einige interessante Betrachtungen zur quietud (Unbeweglichkeit) im toreo, ein Merkmal, das er speziell mit José Tomás in Verbindung bringt. Pradel erinnert daran, dass vor Belmonte der toreo in erster Linie mit Bewegung verbunden war und mit der Wendigkeit des torero, um den Hörnern des Stiers zu entgehen. Der Schriftsteller und aficionado José Bergamín, zum Beispiel, war zutiefst irritiert durch diese gewaltige Konzeptänderung in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Ihm fehlte die physische Beherrschung, die Gewandtheit, Spontaneität und die intuitive dynamische Kraft verschiedener suertes, die man mit der alten Art und Weise des toreo verbindet. Seine anfängliche Ansicht über Belmonte war, dass er den toreo zum Stillstand gebracht habe. In El mundo por montera schrieb Bergamín: „Ich finde, das Stierkämpfen (torear) als dynamische Kunst – die romantische und klassische Kunst des toreo – begann und endete im 19. Jahrhundert, denn mit dem 20. Jahrhundert beginnt die statische Kunst des ‘no torear‘, man bleibt unbeweglich und lähmt den toreo.“
Abgesehen von Belmontes Genie bei der Entdeckung der Terrains (terreno), in denen der Stier passiert
Antonio José Pradel Rico
werden konnte, ohne dass der Mann von ihm wegtreten musste, weist Pradel darauf hin, welchen Einfluss die gerade aufkommende Kunst der Photographie auf die Popularität dieser neuen Vorgehensweise beim toreo hatte, dadurch dass sie Momente einer auf Bewegung beruhenden Kunstform einfing und die Illusion der Unbeweglichkeit erzeugte. Er verweist darauf, dass der Stierkampfkritiker José Alameda ähnliche Gedanken gehabt habe, denn in El hilo del toreo schreibt Alameda: „Die Gefahr dieses Konzeptes des toreo wurde sehr akut, als Photographien zu dominieren begannen, mit ihrer graphischen Abbildung isolierter und unbeweglicher Momente des toreo […], die die toreros dazu tendieren ließ, sich eine starre Form der Ausführung anzueignen, ein gekünsteltes Auftreten wie aus „Pappe“… Vielleicht sind andere Medien wie das Kino oder das Fernsehen aufgekommen, diese bösartige Tendenz abzuschwächen, oder möglicherweise ist der beste aficionado natürlicherweise so gescheit, den Einfluss des Photos wieder zu mindern, diesen Einfluss, der den toreo einmal verdorben hat.“ (Gerade mit dem Film hat Pradel jedoch seine Zweifel, inwieweit der den toreo gut wiedergibt, indem er darauf hinweist, dass die Häufigkeit der Wiederholung einer faena, die einen in der plaza in Erregung versetzt hat, lediglich zu Enttäuschung führt.)
Pradel legt auch die Reize einer auf Unbeweglichkeit und Gelassenheit beruhenden Kunstform in einer immer weniger gebändigten und starker anfordernden modernen Welt dar, so wie sie das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat: eine Umwelt, die in der, sagen wir mal, gebrochenen Kunst des Vortizismus und Kubismus widerscheint, vom toreo aber wirkungsvoll zurückgewiesen wurde. Er erörtert, dass die tauromaquia erfüllt ist von langsamen Ritualen, beginnend beim torero, der einem unverbraucht angreifenden Stier eine verónica gibt, über den matador, der dem Augenmerk des Stiers entgehen muss, über die Arbeiten der areneros, bis hin zum Fußweg der Zuschauer zur plaza de toros.
Das letztendliche Ziel des modernen toreo ist sicherlich nicht nur still und gefasst dazustehen, während der Stier passiert, sondern ebenso temple zu erzielen: den Stier in demselben Tempo an sich vorbeizuführen, in dem er angreift, und, wenn möglich, die Geschwindigkeit dieses Angriffes zu reduzieren, wenn der Stier sich an einem vorbei bewegt. ‘Estar quieto‘ und ‘templar‘ sind inhärent miteinander verknüpft.
Nach seinem Konzept des temple befragt, entgegnete Antonio Bienvenida einmal: „Templar ist die Fähigkeit, die einige, sehr wenige toreros besitzen, den Angriff des Stiers abzubremsen […], etwas das schwer zu definieren ist, das aber existiert. […] Wenn ich und meine Brüder zu einem tentadero gingen, bei dem es keine ‘invitados‘ gab, trainierten für gewöhnlich so, dass wir die pases, die wir den becerras gaben, zeitlich regulierten, um zu sehen, ob der nächste pase langsamer gegeben werden konnte als der vorangegangene. Es war eine sehr interessante und positive Übung. Wir versuchten so langsam wie möglich das Tuch zu führen (torear), klarerweise ohne dass das Tier muleta oder capote berührte. Das ist templar.

Pradel zitiert sowohl Tomás als auch Morante zu diesem Thema. 
Tomás führt aus: „Torear heisst ausgeglichen zu sein, den Stier vorwärts zubringen und den muletazo zu vollenden. Und den pase so lange wie möglich dauern zu lassen. Klar, wenn Du das tust, fühlst Du Dich ängstlicher, da Du ein höheres Risiko eingehst.
In Morantes Worten: „Ich sehe zu, den Angriff zu verlangsamen. Ich hab‘ es öfter mit dem capote geschafft als mit der muletaTemple ist, in Wirklichkeit, in derjenigen Geschwindigkeit mitzugehen, die der toro fordert. Ich versuche auch noch hinter mir damit weiterzumachen. Es ist wie jemand, der singt und der nicht hören kann. Du kannst eine wunderschöne Stimme haben, aber, wenn Du nicht hören kannst, ist es unmöglich sie herauszubringen.      
Zum Thema quietud hat Morante jedoch auch gesagt: „Einige toreros reduzieren alles darauf stillzustehen. Aber Du musst wissen, wie man mit den Stieren spaziert, so wie Domingo Ortega; sie sanft aufbauen (poderlos). Das ist die wahre Kunst, die nie aus der Mode kommt.
Aber sind José Tomás und Morante de la Puebla wirklich Gegensätze? Pradel scheint das zu glauben. Während er sagt, sie repräsentierten „zwei verschiedene Stile des einen, wahren toreo“, macht er eine Reihe von Unterschieden zwischen ihnen aus:
[Morantestoreo ist barock, steht für die gekrümmte Linie und die gebrochene Geste (gesto roto), so wie die vollkommenen Zigeuner-Künstler Curro Puya, Cagancho oder Rafael de Paula, während José Tomás der offensichtliche Vertreter jener anderen Perioden des ‘Suchens nach Ruhe und der stillen Schönheit‘ ist. Sein toreo, mehr als klassisch (was für toreros wie Rafael Ortega oder Antoñete der Fall wäre), ist neo-klassisch, in dem Sinne, dass er die klassischen Massstäbe zurückbringt, während er eine neue Form aufprägt, erneuert durch die ihm eigene reinste und stoischste Abwesenheit taurinen Ausdrucks. In dieser Hinsicht steht die Körperhaltung für Ausgewogenheit und Ausgeruhtheit, sehr verschieden von dem manieristischen oder barocken Fieber, das wir in solchen toreros sehen, die von duende berührt werden.
José Tomás und Morante de la Puebla […], zwei toreros, die einander diametral entgegengesetzt sind, durch ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten und ihre jeweiligen Konzepte des toreo; zwei vollkommen unterschiedliche Eingebungen davon, was quietud in der tauromaquia bedeuten kann.
Die Idee von Unbeweglichkeit entgegen derjenigen der Beweglichkeit […], Belmonte im Vergleich zu Joselito. Manolete verglichen mit Domingo Ortega. José Tomás gegenüber Morante de la Puebla.
José Tomás ist der torero de valor con más arte in der jüngsten Geschichte der tauromaquia, wohingegen Morante de la Puebla möglicherweise gesehen werden kann als der torero de arte con más valor, der je existiert hat.
Morante de la Puebla und José Tomás mano a mano: das Lächeln des weisen Mannes begegnet dem Schrei des Helden. Was davon ist richtig? Beides: der toreo von José Tomás ist ernst, der von Morante ist leicht und hell.
So wie bei Morante der Fixpunkt als Referenz unnütz ist, seine Kunst zu beurteilen, so ist es bei José Tomás genau das Gegenteil.
Tomás ist ein Bildhauer; Morante ist ein Musiker.

Der Bildhauer und der Musiker
Meiner Ansicht nach sind manche dieser Vergleiche stichhaltiger als andere.
Es gibt einen Unterschied in ihren Stilen, doch dieser Unterschied  hat weder etwas mit Stillstehen gegenüber Bewegung, noch mit ‘ernstem‘ gegenüber ‘lichtem‘ toreo zu tun. Morante de la Puebla ist ein auffälligerer, farbenprächtigerer torero als José Tomás, doch wäre es falsch, ihn als einen matador der Bewegung im Vergleich zu dem statuenhaften Zugang des letzteren darzustellen. In Wirklichkeit schildert Pradel (der sich abzumühen scheint, zum Herz vom Morantes toreo vorzudringen; der Grossteil seines Buches konzentriert sich auf Tomás) Morante gar nicht so, wenn er den Andalusier im Detail betrachtet. Auch wäre es nicht korrekt, dem artista mit, möglicherweise, der stärksten Technik in der Geschichte der Stierkampf-Künstler, einem torero, der in zunehmendem Masse zu versuchen wünscht, aus einem Durchschnitts-Stier etwas herauszuholen, als ihn einfach aufzugeben, die Ausführung eines ‘leichten und hellen‘ toreo zuzuschreiben.
Und obwohl sie unterschiedliche Persönlichkeiten haben, bringen beide von ihnen ein gewisses Mass an Mystizismus in ihre Arbeit, eine Qualität, die anderen toreros fehlt.
Bei Tomás ist das Geheimnis teilweise auf seine eremitenhafte Einstellung gegenüber den Medien und der Öffentlichkeit zentriert, teilweise auf seine offensichtliche Bereitschaft, sein Leben aufs Spiel zu setzen: eine Position einzunehmen, den Stier vorwärts zu bringen und entweder ihn passieren zu lassen oder dabei aufgespießt zu werden. Pradel fängt das Wesen von Tomás in Aktion wie folgt ein:
Lassen Sie uns für einen Moment zurückkehren zu der ruhigen Art und Weise von José Tomás, bewegungslos, in der Mitte der Arena. Wir wissen noch nicht, was passieren wird. Er hat sich dem Sturm in den Weg gestellt und den Stier zitiert, ihm eine große Distanz eingeräumt [um auf ihn zuzukommen …]. Es sieht so aus, als könnte der matador bleiben, wie er ist, stillstehend und in Ruhe, ohne jeglichen Grund von sich aus eine Bewegung zu machen […]. Es ist wahr, dass José Tomás oft von den Stieren erwischt wird. Doch das ist nicht deshalb der Fall, weil, wie manche sagen, er nicht wüsste wie man mit dem Stier umgeht (torear) oder weil er das Opfer irgendwelcher technischen Unzulänglichkeiten wäre. Wenn die Stiere ihn erwischen, geschieht das einfach, weil er bis an die Grenze ein Wagnis eingeht, bis zu dem Punkt, sich auf den schmalen Grat zwischen Leben und Tod zu stellen. Tatsächlich platziert er seinen Körper dort, wo andere die muleta hinhalten.
Morantes Mystizismus hingegen ist konzentriert auf seinen unsicheren seelischen Zustand, eine Tatsache, die Pradel fast übergeht, obwohl er Morante doch zitiert, wie der sich an einen Auftritt erinnert: “Ich schaue zurück und wundere mich, wo mein toreo herkam, aber er hatte ganz sicher etwas. Es war ein Kampf mit mir selbst: ich fühlte mich fremd, unbefriedigt …Pradel fährt fort, dass Roger Bartra geschrieben hat: „Schwermütige sind immer unzufrieden, misstrauen allem, flüchten, wenn keiner sie jagt1. [Pedro Mercado] beschreibt sie mit dem beliebten Ausdruck: ‘Es ist ein Streit mit duende.‘, darauf anspielend, das nur sie selbst sich beurteilen, sich selbst die Antworten geben, sich selber verdammen und vergeben, alles als Teil eines angestrengten inneren Kampfes.
Es ist eine Ironie, angesichts seiner früheren Äußerungen, dass Pradel viel Aufhebens um ein Photo des Mexikaners Silverio Pérez in Aktion macht bei seinen Versuchen Morantes Herangehensweise an den toreo zu beschreiben. Bei dem Versuch zum innersten Unterschied zwischen Tomás‘ und Morantes toreo zu gelangen, bin auch ich von Photographien beeinflusst. In meiner Denkweise liegen die Unterschiede zwischen den beiden im wesentlichen in der Art und Weise, wie sie ihre Körper einsetzen, wenn sie mit dem Stier umgehen (torear), Unterschiede, die für mich auf einen Nenner gebracht werden durch zwei Photographien von naturales, einen von José Tomás (linkes Bild) ausgeführt in Albacete im Jahre 2011 und den anderen (begonnen als ayudado) von Morante de la Puebla ausgeführt im vergangenen Jahr in Santander, das Photo, das den CTL Photo-Wettbewerb 2013 gewonnen hat.


In José Tomás toreo sind die Positionen, in die er seinen Körper bringt, um den Stier an sich vorbeizuführen, ausschlaggebend, aber während des pase selbst ist der Körper, regungslos, gewöhnlich mit geschlossenen Füßen, fast abwesend. Der einzige wichtige Aspekt ist der Arm, der das Tuch hält, dessen Bewegung die Trajektorie des Stieres bestimmt. Das ist toreo reduziert auf die Grundlagen: JT kann schwach sein beim mandar, aber er kann hervorragend sein, wenn es um die anderen Grundregeln (cánones) geht.
Bei Morante hingegen ist die Aufgabe des Körpers beim suerte und beim dominio höchst wichtig. Viel stärker gebaut als Tomás (freilich, er ist manchmal zu schwer: es gab temporadas, während derer das Niveau seiner körperlichen Kondition infrage gestellt wurde), benutzt Morante seinen Körper, um während des gesamten Ablaufes eines suerte Kontrolle zu Geltung zur bringen, seine Brust nach vorne in Richtung des Stieres geschoben, sein Kinn entschlossen auf die Brut gepresst, die Füsse in den Sand gepflanzt, die Beine leicht gespreizt, den gesamten Körper nutzend, um den Stier mit sich zu führen (cargar), und nicht bloss den Arm, der die muleta hält.
Tomás Körper kann zerbrechlich wirken wie ein Blatt (ein Eindruck, der sich nur ändert, wenn der Stier es erwischt und es eine feste Masse wird), wohingegen Morantes Körper sehr ausgeprägt in fester Form erscheint, dem pase ein Drängen auferlegt oder: ihm ‘Gewicht gibt‘, wie die Spanier sagen. Pradel erkennt dies als eine Charakteristik des Künstler-torero:
Dieser Typ torero ‘wiegt‘ mehr: er dreht sich langsamer, gerade deshalb. Wir sprechen über einen Körper, der überwunden wird, durch eine offensichtliche Verwandlung im Angesicht des Stieres. In gewisser Weise verändert sich der Körper eines matador komplett, wenn er in der Arena ist. Und das Prinzip der Verwandlung leitet sich ab von der Tatsache, dass der torero in der plaza mehr ‘wiegt‘; die Schwere der Situation wird zurückgeworfen auf seinen Körper mit viel stärkerer Intensität als es die Norm ist. 
Dies ist für mich der entscheidende Unterschied zwischen dem toreo dieser beiden matadores. Ich sage nicht, dass die eine Form notwendigerweise besser ist als die andere. Aber dies, zusammen mit dem geheimnisvollen Nimbus der beiden, ist es, was uns anlockt ihnen zuzuschauen, mit solch überhöhten Erwartungen. Hier ist zu hoffen, dass sowohl José Tomás als auch Morante de la Puebla einige großartige Nachmittage vor sich haben, im Jahre 2014.

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Quellennachweise:

José Tomás versus Morante de la Puebla, Tristan Wood, La Divisa, Club Taurino of London, Nummer 217, März/April 2014 (S. 11 - 13)
Elogio y refutación de la quietud: una tauromaquia (casi) inmóvil, Antonio José Pradel Rico, Ediciones Bellaterra, 2013
Cultura y melancolía. Las enfermedades del alma en la España del Siglo Oro, Roger Barta, Editoral Anagrama, 2001
Diálogos de Philosophía natural y moral, Pedro Mercado, Casa de Hugo de Mena y Rene Rabut, 1558

Sonntag, 26. Oktober 2014

Stierkampf wird von der EU subventioniert ... der grosse Irrtum

Über das phantasievolle Lügengebilde aller Organisationen, 
welche gegen die mundo de los toros Unwahrheiten in den Umlauf bringen. 
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von Philip de Málaga

Es ist wohl eine Tatsache, dass der antitaurismo in den letzten Jahren in Spanien wenig bis gar nichts erreichen konnte. Und zwar überall; auf den politischen, wirtschaftlichen, kulturellen wie gesellschaftlichen Ebenen gelang es den antitaurinos nicht zu punkten. Nicht einmal das katalanische Verbot der corridas konnten sie auf ihre Flagge schreiben. Und da es ihnen derzeit beinahe unmöglich ist, gegen diese regelrecht legale Lawine der mundo de los toros anzutreten, haben sie nach neuen Wegen gesucht und ansatzweise auch welche gefunden.

Am vergangenen Mittwoch wurde im Europäischen Parlament darüber abgestimmt, ob den ganaderías von toros die Subventionen ab 2015 gestrichen werden sollen. Und zwar komplett. SfA hatte darüber berichtet (Weitere Niederlage für den Antitaurinismo). Vor allem den beiden grossen Parteien (den christlichen Demokraten wie den Sozialisten) ist es zu verdanken, dass es für die toros zu einem positiven Ergebnis kam. Für die toros? Ist es wirklich so?

Beginnen wir von vorne. Wie bekannt, wurde der Antrag, die Agrar-Subventionen für die landwirtschaftlichen Betriebe welche toros bravos züchten, zu streichen, nicht angenommen. Kurios ist dabei zu beobachten, wie die Verlierer und verschieden Medien dieses sehen und damit an die Öffentlichkeit treten:




Hier wird suggeriert, dass Millionen von Euros deutscher Staatsbürger in den Stierkampf investiert werden. Jedoch diejenigen die sich in der mundo taurino auskennen wissen davon anderes zu berichten. Denn Tatsache ist, weder die empresarios von festejos taurinos oder plaza de toros, noch die toreros oder gar das Publikum kommen in den finanziellen Genuss von europäischer Unterstützung. Es geht noch weiter. Nicht einmal die toros selbst, welche an diesen festejos teilnehmen, sehen einen Cent.

Wie lässt sich das erklären? Die Antwort hierauf ist relativ simple. Bei den so genannten ganaderías handelt es sich um landwirtschaftliche Betriebe, welche sich neben der Zucht von toros auch anderen landwirtschaftlichen Bereichen zuwenden. Da gibt es unter anderem Pferde- oder Schweinezucht, Olivenplantagen und Weinanbau, Korkeichenbestand und vieles mehr. Dieses benötigen die Betriebe zum Überleben, denn die toros für die lidias reichen da nicht aus. Gerade im letzten Jahr mussten einige Betriebe ihren Tierbestand (auch Pferde und Schweine) reduzieren, also der Schlachtung zuführen, weil sie finanziell nicht mehr tragbar waren. Mit dem Versuch der antitaurinos, die Subventionen zu streichen, will man diesen landwirtschaftlichen Unternehmen ihrer Existenzgrundlage berauben. Das führt ohne Frage zum Verlust von Arbeitsplätzen. Was übrigens im Rahmen der Krise schon geschehen ist. Landwirtschaftliche Betriebe kommen in die roten Zahlen. Mit anderen Worten:
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"Die Gegner von Stierkämpfen scheuen sich nicht davor,
die Existenz von Menschen zu gefährden,
nur um ihr eigenes Interesse 
eines Verbotes von Stierkämpfen
durchzusetzen."
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Im Jahr 2007 fragte SfA einige Abgeordnete der EU zum Thema "Verbot von Stierkämpfen in Europa", welche Alternativen sie bei einer abolición de los toros anzubieten hätten:
  • Welche Verdienstalternativen werden den ca. 125.000 zusätzlichen Arbeitslosen angeboten?
  • Welche Perspektiven werden den Stierzuchten in Aussicht gestellt?
  • Welche Massnahmen werden zum Schutz des ökologischen Gleichgewichts in Andalusien in die Wege geleitet?
  • Welche Schritte werden zum Erhalt der 230.000 Tieren auf den Weiden eingeleitet?
  • Wie wird der ohne Frage ruinierte Wirtschaftszweig entschädigt?
Die Reaktionen waren mehr als bescheiden. Viel schlimmer noch, man hatte sich darüber noch nicht einmal Gedanken gemacht. Ein Tatbestand welcher sich bis heute noch nicht geändert hat.


Auch mit den Gefühlen wird gespielt, ohne Rücksicht auf Dritte. Peter W. aus Marbella erzählte folgende Geschichte: "Zur feria in Málaga besuchte ich mit meinen Kindern (13 und 14 Jahre) das Festival für die Nachwuchsstierkämpfer. Vor der plaza de toros trafen wir ein deutsches Paar. Als sie erfuhren, das ich mit meinen Kindern diesen Nachswuchsstierkampf besuche wurde ich in Gegenwart meiner Kinder aufs bösartige und beleidigende Art und Weise beschimpft. Ich sei ein Verbrecher und von christlicher Erziehung hätte ich keine Ahnung, und würde viel dazu beitragen, das die Kinder zur Gewalt erzogen werden ..." Was soll man dazu sagen. Ein weiteres Beispiel, wie skrupellos antitaurinisch eingestellte Personen agieren und vorgehen.

Zurück zum Thema. Schon seit einigen Jahren wird die Zucht des toros bravos nicht mehr von der EU offiziell subventioniert. Lediglich sein Umfeld, also alle Tiere, die nicht an festejos taurinos teilnehmen, bzw. dafür gezüchtet werden. Hier spiegelt sich auch ein weiterer Widerspruch. Denn nicht alle toros, in der Regel der grösste Teil, werden letztendlich auch bei einer corrida oder anderen espectáculos taurinos landen.

Aber um es wahrheitsgemäss darzustellen, bzw. die europäischen Parlamentarier im Sinne des antitaurismo zu beeinflussen, scheuen sich die antitaurinos nicht Rechtsanwälte einzusetzen um die Politiker unter Druck zu setzen, und um ihren eigenen Standpunkt juristisch zu rechtfertigen.

Das es sich bei den Spesen nicht um ein Taschengeld handelt, davon kann man ausgehen.
Die Gegner von Stierkämpfen reden von Subventionen, finanziert mit dem Geld europäischer Bürger, welches für die mundo de los toros verwendet wird. Dabei machen sie ebenfalls selbst Gebrauch davon, um gegen die toros zu intervenieren. Allein schon einen solch grossen Apparat wie das Europäische Parlament zu bewegen, welches jährlich mehrere Milliarden an Euro verschlingt, diese Erkenntnis verschweigen sie.

Und weil es so totgeschwiegen wird, hat der Antragsteller Bas Eickhaut angekündigt im nächsten Jahr diesen Antrag erneut zu stellen. Natürlich auf Kosten der europäischen Steuerzahler. Dabei soll der entsprechende Druck auf jene Parlamentarier erhöht werden, die sich ihnen noch nicht angeschlossen haben.


Die Frage drängt sich auf, gibt es in den Niederlanden keine wichtigeren Themen, als sich auf spanische Traditionen einzuschiessen? Oder gerade im Bereich des Tierschutzes?

Dabei ist kurios zu beobachten, welche Prioritäten da in der EU gesetzt werden. Im Jahr 2007 als die Schriftliche Erklärung zur Abschaffung von Stierkämpfen eingereicht wurde, gab es parallel dazu ein Antrag das rituelle wie religiöse Schlachten von koscheren Tieren innerhalb von Europa zu verbieten. Das Schächten, welches auch in Deutschland praktiziert wird, fand bei den europäischen Abgeordneten kein Interesse. Bei religiösen Ritualen sei schmerzhaftes Töten wohl zulässig. Keine Tierschutzorganisation hat sich jemals für diese Tiere eingesetzt.

Um es zusammenzufassen:
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"Die Aussage, dass die EU, europäische Staatsbürger 
oder nichtspanische politische Parteien 
den Stierkampf subventionieren 
entspricht einfach nicht der Wahrheit!" ___________________________________________________

Im Gegenteil, von nun an müssen europäische Steuerzahler ein jedes Jahr für die Kosten aufkommen, damit antitaurinos immer wieder neu mit derselben Angelegenheit vorpreschen können! Müssen in Frankreich und Spanien die Bürger die teuren Polizeieinsätze und anschliessende Gerichtsverfahren übernehmen, um die aggressiv auftretenden antitaurinos an die Rechtslage zu erinnern! Überhaupt wird die Politik durch diese Vorgehensweise aufgefordert zu reagieren, und das, was in Spanien und Frankreich gesetzlich verankert und als Kulturerbe deklariert ist, entsprechend zu schützen. Das alles kostet viel Geld. Und letztendlich finanziert dieses der Steuerzahler.
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Siehe auch:

Eigentlich wollen sie den Tod, SfA-Reportage von Philip de Málaga, 30. Mai 2013