Montag, 9. November 2015

Der Morgen vor dem Stierkampf





mit Juan Belmonte


Der spanische matador der toros Juan Belmonte García  (1892 bis 1962) wurde und wird häufig als einer der einmaligsten toreros aller Zeiten betitelt. Wegen seiner kurzen Beine war er oft gezwungen, seine Manöver mit den toros ohne viel Bewegung durchzuführen. Weglaufen kam nicht in Frage. So gehörte er auch mit zu den ersten toreros, der über seine Gefühle sprach, über Ängste und sein innerstes Seelenleben in der mundo taurino sprach. Hier erzählt er nun nach Der Nacht vor dem Stierkampf von dem Morgen vor dem Kampf.

Nun ist der Moment gekommen. Da sitzt man am Rande seines Bettes, niedergeschlagen und voller Mutlosigkeit. Fast lautlos bewegt sich der mozo, kommt und geht ins Zimmer, bringt alles was notwendig ist um den torero zu kleiden.

Dann, wenn der torero gekleidet wird, hat der mozo das Sagen, schubst nach Gutdünken den maestro hin und her um ihm die Kleidung passend und gut aussehend anzubringen. Der torero nimmt dieses kaum wahr, denn in diesem Moment hat die Angst ihn wieder im Griff, das Patronat übernommen. Ein mühseeliger Moment, eine Schwerfälligkeit der Angst, welche der torero versucht zu überwinden. Gedanken jagen durch den Kopf:

„Ich verstehe, es stimmt! Du wirst es schon sehen ... Das mit dem toreo ist wirklich eine absurde Angelegenheit. Ich leugne es noch nicht einmal. Und wenn es denn sein muss, und das muss ich sogar zugeben, die Lust auf das toreo, so wie ich sie früher hatte, habe ich irgendwie verloren. Nein, es ist entschieden, ich werde nicht mehr antreten. Wenn diese temporada taurina vorbei ist, werde ich aufhören. Trete ich ab.

Und wie stellst Du Dir das vor? Wie kommst du aus all den corridas die dir da noch bevorstehen so ganz heraus?

Gut, diese zwei oder drei corridas werden ich antreten und nicht einfach absagen. Das könnte bedeuten, wenn ein toro will, kann er dich in diesen zwei oder drei corridas vernichten.

Nein oder gut, ich bestreite nur noch den heutigen tarde de toros.

Nun. Auch heute könnte ich ...

Genug! Fertig, habe ich gesagt, genug! Die corrida von heute werde ich machen und wenn der Heilige Geist herunterkommt und es mir sagt, werde ich das ruedo nicht mehr lebend verlassen.“

Würde man die toreros dazu bringen, die Verträge zu den corridas zwei Stunden vorher zu unterschreiben, es würde zu keinen corridas kommen. Denn die toreros treten letztendlich an, weil die Verträge schon unterschrieben worden sind. Wochen vorher, oft Monate, ehe sie erfüllt werden müssen. Da ist man mit dem Moment, wo man das ruedo betreten muss um toros zu töten noch  nicht so konfrontiert. Doch dieser Moment, diese unabwendbare Stunde kommt unweigerlich näher.

Der Moment ist gekommen, die corrida hat mit dem paseillo begonnen, Belmonte links 
Diese Augenblicke der Angst, welchen man im Vorfeld einer corrida begegnet sind grauenhaft. Wer das Gegenteil behauptet, sagt einfach nicht die Wahrheit. Alles verändert sich. Der Klang der Stimme wird zaghafter, dein Charakter verändert sich irgendwie und ziemlich verrückte Gedanken passieren deinen Kopf.

Später, wenn man dann dem toro gegenüber steht ist es etwas vollkommen anderes. Denn der toro lässt einem keine Zeit, darüber nachzudenken. Um mit dem Tier zu arbeiten, ihn auszuforschen, werden deine fünf Sinne abverlangt.

Juan Belmonte mit einer natural
Im ruedo gibt es nur eine kurze Zeit, wenn man noch einmal nachdenken kann. Wenn beim zweiten tercio die banderilleros die banderillas setzen und man am Rand steht und es beobachtet. Was denkt da so ein torero? Er meditiert, beobachtet den toro und bereitet sich im Geiste auf seinen auftritt mit muleta und estoque vor.

Dann tritt er an. Vor dem toro gibt es keine Momente mehr zum Denken oder gar zu zweifeln. Jetzt ist es an der zeit zu handeln. Denn die Manöver der faena nehmen einen so voll in Anspruch, es geht nur noch um das Leben, und es geht darum, und nach meinem Dafürhalten, wer sich nicht mit Entschiedenheit vor die Hörner des toros stellt, die Partie unweigerlich verlieren wird.