Sonntag, 2. Oktober 2016

Warum Aficionados wegschauen

Warum sich die Anhänger der klassischen Stierkämpfe
in die Diskussionen über populäre Stierfeste nicht einmischen
__________________________________________________________







von Philip de Málaga


Pedro drehte sich um und sagte mit betonender Stimme "Soy un aficionado de toros, de todo corazón!" (Ich bin ein aficionado de toros, von ganzem Herzen!)" das wirkte überzeugend, noch mehr, wenn man seine offen gezeigte Hände sah und ihm dann in die Augen blickte. Er liebte die toros, der Besuch einer corrida de toros in der Malagueta oder in den beiden Maestranzas von Andalusien war für ihn als überzeugter Katholik wichtiger als die Kirche zu besuchen. Wie oft sass er an der barrera, sah die maestros Morante de la Puebla, José Tomás oder einen Enrique Ponce, und sein Herz schlug Kapriolen vor Freude. "Wenn du den duende spürst, vergisst man die ganze Welt!" Aber was wäre die mundo de los toros ohne den toro. Er liebt ihn geradezu. Vor etwa vier Jahren, er war in Granada, sass im sol y sombra an der barrera, da zertrümmerte direkt vor seinen Augen ein toro bravo einen grossen Teil der hölzernen barrera am ruedo. So etwas hatte er noch nie erlebt. Und so nah. Die geballte animalische Kraft, die Begegnung mit etwas was Gott geschaffen hatte, keine zwei Meter von ihm entfernt, es war beängstigend, faszinierend, berauschend, einfach jede Sekunde Wert dabei gewesen zu sein. Ja, Pedro war mit seiner ganzen pureza ein Vollblutaficionado de toros.

Und doch, etwas sah er ganz anders. Da schaute er erst gar nicht mehr hin. Als das Gespräch auf capeas, encierros, festejos populares und den Toro de la Vega kam, verzog sich seine Mine. "Hombre, willst du mich beleidigen?" Pedro zeigte sich betroffen, "wir reden hier von den echten und wahrhaftigen toros. Ein von Gott geschaffenes unbändiges Wesen. Geboren und gezüchtet für die corrida!" Mit der rechten Hand gestikulierte er, als ob an dieser Tatsache überhaupt keine Zweifel bestehe. "Diese fiestas populares, wie der Toro de la Dingsbumsda, dass seien doch nur festejos wo sich der primitive Mob an Tieren vergreife. Das könnten die auch mit Kühen oder anderen Tieren veranstalten. Dazu brauche man keinen toro, im Gegenteil, eine solche fiesta sei eine Beleidigung für einen jeden toro bravo." Und noch etwas stellte er enttäuscht fest, "die meisten die an solchen fiestas populares teilnehmen, haben nicht einmal die geringste Ahnung von einer corrida de toros". Damit hatte er auch alles gesagt, mehr wollte er sich zu diesem Thema nicht äussern.

So wie Pedro empfinden zahlreiche aficionados de toros. Sie besuchen corridas, verfolgen die Zucht auf den ganaderías, beobachten wie sich die toreros entwickeln, aber zu diesen vor allem dörflichen fiestas wo die Tiere nicht selten der Willkür der Bevölkerung ausgesetzt sind, stehen sie auf Distanz. Verurteilen diese sogar, aber sie äussern sich nicht öffentlich dagegen. Da stellen sie sich lieber wie die drei japanischen Affen, als Vorbild im Umgang mit dem Schlechten, nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Wie kommt es dazu, dass so viele Personen etwas verurteilen, oder zumindest ablehnen, aber doch nichts dagegen unternehmen? Enrique aus Fuengirola sieht es ziemlich klar: "Ich bin Katholik, gehe in die Kirche und zu den toros. Mit diesen öffentlichen fiestas in den Strassen sehe ich das so: Genauso wie viele Priester die Semana Santa meiden, meiden viele aficionados die populären fiestas. Genauso wie viele Nichtgläubige an den Osterprozessionen teilnehmen und ihre Freude haben, so erfreuen sich an diesen fiestas populares auch fast nur diejenigen, die von den toros wenig oder gar nichts verstehen. Nichts verstehen wollen. Dann bevorzugen sie nämlich den Fussball".

Es scheint auf der Hand zu liegen, dass Publikum bei den festejos populares ist ein ganz anderes als in den Plaza de toros bei den klassischen corridas. So sind es auch keine professionellen toreros, welchen man bei den meist ländlichen Stierfesten findet, sondern das Volk hat die Möglichkeit sich an den Tieren zu üben. Zwar befindet sie meistens immer ein torero in der Nähe, nicht als Akteur, sondern um einzugreifen, wenn Unvorhergesehenes geschieht.

Aber warum, die Frage stellt sich natürlich, warum melden sich die taurinos nicht zu Wort, um gegen solche festejos populares zu protestieren? Sich dagegen aufzulehnen dass hier die Würde des toro bravos mit Füssen getreten wird?

Die Antwort ist einfach. Nicht nur, dass ganaderías damit auch ihr Geld verdienen, und das nicht zu wenig, sondern die Hauptschuldigen finden sich im sector antitaurino. Denn die Gegner der toros benutzen eine jegliche Niederlage eines festejos taurinos, wie zum Beispiel die abolición de los toros in Katalonien oder das aktuelle Verbot des Toro de la Vega, um zum Rundumschlag gegen die gesamte mundo de los toros auszuholen. Schnell werden Argumente in die Medien geschleudert wie, weitere Niederlage für die tauromaquia, oder, immer mehr Spanier seien gegen die toros. Im schlimmsten Fall, sogar falsche Behauptungen aufstellen, wie eingefleischte aficionados de toros wenden sich von den toros ab, oder das Ende der tauromaquia stehe bevor.

Um eben solchen Kampagnen entgegen zu wirken, bevorzugen es viele taurinos eher zu schweigen und sich nicht darüber zu äussern. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass viele keine Lust haben, sich von den antitaurinos dermassen beleidigen und beschimpfen zu lassen, nur weil man etwas in Anspruch nimmt, was einem im spanischen Staat als Kulturgut und Grundrecht zusteht, wenn man es möchte. Schliesslich wird dazu je keiner gezwungen.

Dann kommt noch die Gruppe derjenigen hinzu, welche solche fiestas populares zwar nicht gut heissen, aber als Teil der spanischen, oft lokalen Tradition respektieren und anerkennen.