Wenn die Welt der Stiere anfängt die Kleinen zu begeistern
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von Philip de Málaga
Über 5.000 Leser und 44 Kommentare waren die Reaktion. Und es zeigte auf, so richtig verstand man nicht mit diesem Thema umzugehen. Wo sollten die Grenzen der Sensibilität angesetzt werden. Von der erziehungstechnischen Motivation ganz abgesehen. Da wurde es unter anderem als verantwortungslos den Eltern vorgeworfen, ihre Kinder zu einem festejo taurino mitzunehmen. Mehr noch, das Sorgerecht sollte ihnen entzogen werden. Usw.
Das jüngste Thema am Pro & Contra Himmel über die mundo de los toros: Der Kinderschutz! Nachdem der antitaurinismo eigentlich auf allen politischen,
sozialen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen nicht so
richtig punkten konnte hat man sich einem neuen zugewandt. Den Kindern.
Kinderschutz heisst das neue antitaurinische Schlagwort. Eigentlich eher erstaunlich, denn gerade die Kinder gehörten auch schon immer zu den toros dazu. Ob in der Familie der taurinos oder in den tendidos. Für Juan Manuel Albendea, Repräsentant der konservativen Partido Popular, seien die toros eine kulturelle Disziplin des spanischen Volkes, eine der wichtigsten Schätze der Nation, Quelle für zahlreiche Inspirationen vieler Künstler, dessen Werte schon zur Kindheit vermittelt werden sollten.
Aber irgendwie schienen sie zu klein, auch unerfahren, um ernsthaft mit diskutieren zu können. Da war Begeisterung oder eben keine. So einfach war das. Und somit waren sie auch für die antitaurinos kein Thema, keine Stimme, welche sich gegen die toros richten liess.
Doch spätestens seit der Liveübertragung im öffentlichen Fernsehen vor zwei Wochen einer corrida de beneficencia mit bis zu vier Millionen Zuschauern, auch zahlreichen Kindern, ist es für viele antitaurinos wieder ein Thema geworden. Aber warum jetzt? Schon seit Jahrzehnten werden auf verschiedenen Kanälen zu kinderfreundlichstenen Zeiten, meistens Mittags, Stierkampfmagazine wie Tendido Cero oder Toros para Todos ausgestrahlt und keiner hat etwas dazu gesagt. Das Alterslimit beim Fernsehen für die toros liegt übrigens bei sieben Jahren.
Toros im Fernsehen ab sieben Jahren |
Damit sei das Thema Fernsehen geklärt, und auch für die Fernsehanstalten kein Thema mehr. Solange die Einschaltquoten stimmen und es sich um ein anerkanntes spanisches Kulturgut handele, welches sogar durch den Staat geschützt sei, sei nichts dagegen zu sagen.
Die Frage scheint nicht ganz ungerechtfertigt, wovor
will man eigentlich die Kinder schützen? Vor dem Tod der toros? Dem öffentlichen Tötungsvorgang selber? Dann sollte man auch den Schulbesuch von Schlachthäusern verbieten. Oder das man Tiere züchtet,
damit sie in einer plaza de toros sterben? Über das Leiden der toros im ruedo?
Mit Sicherheit kann man solche Argumente nicht als überzeugend anbringen, sind
es sogar antitaurinos selbst die nüchtern feststellen, dass es definitiv
nicht der Sadismus sei, also eine mögliche Freude am Leiden der Tiere, welche die
afición zu den festejos taurinos treibt, wie zum Beispiel der Schriftsteller
Rafael Sánchez Ferlosio geschrieben hatte.
Kinder in den tendidos |
Und viele Tiere werden nun mal gezüchtet um getötet zu werden. Das
ist einfach eine Tatsache. Bei der corrida verhält es sich lediglich eine
Idee anders. So schreibt Lorenz Rollhäuser: „Der toro wird aus kulturellen
Motiven gehalten, um auf bestimmte Weise getötet zu werden, d. h. er wird nicht
getötet, um verzehrt zu werden, sondern getötet und zudem verzehrt. Das macht
den Stierkampf angreifbar.“
Es war also nie so richtig ein Thema. Die Stiere und die Kinder. Im deutschsprachigen Raum wurde es das erste Mal im Andalusienforum (heute von dem Spanienforum übernommen) erwähnt, als ich den Beitrag Kinder und Stierkampf - Wann und wie soll man die Kinder der Welt der Stiere näher bringen einstellte.
Ursprünglich im August 2008 im Andalusienforum erschienen |
Also, kommen wir zurück zur Fragestellung: Was will man mit
dem Kinderschutz bezüglich der mundo de los toros erreichen? Vielleicht bald McDonalds weltweit verbieten, Block House schliessen, weil
sich die Kleinen an den für den Tod gezüchtetem Fleisch erfreuen? Weil es schmeckt?
Ist es ein Vorstoss gegen die Gewalt? Wo beginnt diese? Was
ist mit den zum Teil höchst brutalen Computerspielen, wo menschlich anmutende
Wesen massenweise hingerichtet werden? Welche Rolle spielt dabei die
Filmindustrie? Nicht wenige Filme wo nicht gerade wenig gemordet wird. Kaum eine Initiative dagegen. Eigentlich gar nichts.
Aber bei den toros wird es zum Hauptthema hochkriminalisiert. Die
unschuldigen Kleinen müssen vor diesem bösen Thema geschützt werden, damit sie selbst nicht zu so unmenschlichen, gar kriminellen Gestalten werden. Dabei gibt es nicht einmal eine Studie, welche eine solche Unterstellung darstellen, gar beweisen kann. Im Gegenteil, entschliesst sich ein junger Mensch seine berufliche Laufbahn als ein torero in
einer escuela taurina zu beginnen, wird er vorerst informiert, geradezu vor die Tatsache gestellt, von Drogen, Alkohol oder anderen gar kriminellen
Eigenarten Abstand zu halten. Das gehöre nicht zum Ehrenkodex eines toreros. Im Gegenteil sogar, es sind Beispiele bekannt, wo junge Leute wegen den toros vor einer kriminellen Laufbahn abgehalten worden sind. So der matador de toros und jetzige Leiter der escuela taurina von Madrid, Joselito: Ich wäre im Gefängnis oder tot!
Und wie verhält es sich mit den Kindern welche in die mundo de los toros hineingeboren werden? Wie die Söhne und Töchter von toreros. Die
Kinder die im Umfeld der toros auf den ganaderías der weiträumigen dehesas
gross werden. Was ist mit dem
Nachwuchs der afición? Sollen für sie gesetzliche Verbote erstellt werden?
Tatsache ist, es gibt auch junge Menschen, die sich für das toreo interessieren. Noch grösser wird das Interesse, wenn man ihnen erklärt wie es funktioniert, wie man sich als torero zu bewegen hat und über das Verhältnis zum toro bravo informiert wird.
Wenn toreros in der Öffentlichkeit zeigen wie man die capa schwingt |
Abschliessend, sei erwähnt, man versucht den jungen Interessierten stets die Liebe zum toro zu vermitteln, den respektvollen Umgang. Ein toro sei keine wilde Bestie oder ein böses Wesen, welches es zu killen gibt. Wie sagte mal der matador de toros Francisco Rivera Ordoñez "Paquirri": "Ich liebe den toro, für die Arbeit mit ihm im ruedo ich bereit bin alles zu geben, bis hin mein Leben zu riskieren". Ein entscheidender Unterschied, welchen einige nicht bereit sind verstehen zu können oder zu wollen.
Wie man das Thema sich auch betrachten mag, es ist pure Polemik. Ein weiterer Verzweiflungsakt erfolgloser antitaurinos, welcher schon im Vorfeld zum Scheitern verurteilt ist. Denn in Sachen Gewalt, krimineller Erziehung usw, bevor man die toros abschafft. muss sich sich wohl vorerst einmal viel wichtigeren Dingen zuwenden. Emotionen die Aggressionen, Hass und andere unkontrollierbare Gefühlsausbrüche in den Herzen und Seelen produzieren, etwas, was man beim toreo nicht vorfindet.
Wie man das Thema sich auch betrachten mag, es ist pure Polemik. Ein weiterer Verzweiflungsakt erfolgloser antitaurinos, welcher schon im Vorfeld zum Scheitern verurteilt ist. Denn in Sachen Gewalt, krimineller Erziehung usw, bevor man die toros abschafft. muss sich sich wohl vorerst einmal viel wichtigeren Dingen zuwenden. Emotionen die Aggressionen, Hass und andere unkontrollierbare Gefühlsausbrüche in den Herzen und Seelen produzieren, etwas, was man beim toreo nicht vorfindet.
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Quellennachweise:
Rafael Sánchez Ferlosio, Leserbrief in EL PAÍS vom 25.06.1985
Toros, Toreros, Kapitel: Tierschützer, Lorenz Rollhäuser, Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbeck, 1990
Kinder und Stierkampf, Philip im Andalusienforum vom 13.08.2008