Freitag, 26. April 2013

Ein Leben für die Stiere (1. Teil)





mit Miguel Sánchez

Der ex-torero ist am 25. Juni 1940 in Málaga geboren. Als gelernter Bankmann ging er auch seinem Beruf nach. Wohlgemerkt, seinem Beruf. Schliesslich wollte sein kostspieliges Hobby finanziert werden. Denn seine wahre Leidenschaft galt, so lange er denken kann, den toros. Schon als Siebenjähriger übte er das Schwingen der capa mit einem Handtuch. Neun Jahre lang praktizierte er die Arbeit eines torerosHeute ist er der Direktor des museo taurino in Málaga. Miguel Sánchez stellt sich den Fragen von Philip de Málaga.

SfA: Kommst du aus einer taurinischen Familie? 

Miguel Sánchez: Mein Vater war ein grosser aficionado

SfA: Aber du wolltest ein wenig mehr werden als nur ein aficionado.

Miguel Sánchez: Genau. Ich habe 43 Jahre in einer Bank gearbeitet. Es war mein Beruf, aber nicht meine Berufung. Ich habe die Bank benötigt, denn ich konnte mich nicht auf das Abenteuer toros einlassen ohne dabei auch mein Leben zu finanzieren. Während meiner neun Jahre, die ich als torero aktiv war, bestand mein Leben aus zwei Teilen. Die Bank und die Stiere. Meine gesamte Freizeit investierte ich in die Stiere.

SfA: Wie sah denn so ein typischer Arbeitstag aus?

Miguel Sánchez: Jeden Morgen stand ich um sechs Uhr auf um auf der plaza zu trainieren. Meine Mittagspause verbrachte ich in einem Sportstudio und abends nach der Arbeit joggte ich meistens rauf auf den Gibralfaro und hinten rum wieder zurück. Es war mir wichtig in guter Form zu sein.

Meine Ferien nahm ich nie im Sommer, wie fast alle meine Kollegen, sondern im Januar und im Februar. Da fuhr ich dann aufs campo, zum Beispiel nach Jerez um dort während der fünfundzwanzig Tage das Leben eines toreros beziehungsweise eines Anwärters zu erfahren.

SfA: Wann hattest du deine erste Begegnung mit den toros.

Miguel Sánchez: Das war 1949 bei einem tentadero, wo ich mich das erste Mal mit becerras versuchen durfte. Und man kann sagen, dass meine erste Vorstellung wohl übermässig beeindruckend gewesen sein muss. Nicht weil ich so gut mit der becerra gearbeitet habe, vielmehr müssen mein Bewegungsablauf und meine Haltung beeindruckt haben. Keiner glaubte mir, dass ich das erste Mal vor einer becerra stand. Man muss wissen, zu meiner Zeit gab es keine escuelas taurinas, ich musste mir alles selbst beibringen und schaute mir die Techniken anderer professioneller matadores ab. Alles was ich konnte, habe ich mir im toreo de salon beigebracht. Und dieses habe ich mit einer solchen Vorstellungskraft betrieben, so dass ich im Geiste den toro immer vor mir sah. Und ich versuchte an Terrain zu gewinnen. In meiner Vorstellung nahm ich wahr wie gross der toro war, wie er angriff, mit welchem Horn er attackierte, wie er zurückwich, wie er wendete ...

Miguel versucht sitzend eine Bewegung mit der muleta vorzuführen, um das Gefühl zu vermitteln, wenn ein toro passiert, dabei streift seine Hand die Tischplatte und er erhebt sich um einen derechazo in der Mitte seines Raumes zu erklären.


Miguel Sánchez: Wir müssen dem toro immer einen Schritt voraus sein, auf ihn zugehen, einen paso gewinnen. Nicht verlieren, gewinnen!

Miguel Sánchez mit zwanzig Jahren
Nach meiner Lernphase hatte ich 1955 meine erste novillada sin picadores. Am 12. Oktober 1963 bestritt ich meine erste novillada con picadores. Es folgten zwanzig novilladas bis man mich aufforderte meine alternativa zu absolvieren, was ich aber ablehnte. Das hatte verschiedene Gründe. Zum einen war es in meiner Epoche üblich gegenüber dem escalafón, einen gewissen Respekt zu zeigen, also eine Wertschätzung den besten matadores de toros gegenüber.

Es begann im Sommer 1964. Bei einer novillada erkämpfte ich mir tres orejas. Am 12. Oktober sollte es in der Malagueta eine corrida de toros geben. Doch die Veranstaltung wurde suspendiert. Die toros schickte man aufs campo und holte sie dann wieder zu einer novillada zurück. Dort trat ich an und es gelang mir tres orejas und einen rabo als Trophäen zu erlangen. Aus der puerta grande wurde ich auf hombros hinausgetragen. Ein unvergesslicher Moment. Nur wenige Tage später, am 24. Oktober gab es eine corrida de toros mit den matadores Antonio de Jesus, Antonio León und Amador Ordoñez. Aber Amador holte sich, bei der Vorbereitung für jene corrida, mit einer becerra auf dem campo, eine cornada und konnte nicht antreten. Und da haben sie sich an mich erinnert, schliesslich hatte ich gerade eine salida por la puerta grande und es war den aficionados noch frisch im Gedächtnis. Da kam die empresa auf die Idee, mir einen Tag vor der corrida die alternativa anzubieten. Pepe Ordoñez, der Bruder von Antonio Ordoñez, beriet mich und wir beschlossen, dass es besser wäre keine alternativa anzutreten. Es wäre in meinem derzeit erfolgreichem Stadium eher kontraproduktiv. Zu schnell und unüberlegt. Und könnte sogar meine Erfolge als novillero in den Schatten stellen.

12. Oktober 1964: Miguel Sánchez in Málaga: tres orejas und rabo, Salida por la puerta grande
Ein Jahr später gab es in Marbella ein festival taurino mit Antonio Bienvenida, Antonio Ordoñez, Manolo VazquezJaime Ostos, Gregorius Sánchez und dem rejoneador Fermín Bohórquez (padre). Genau wie in Málaga sind wieder einen Tag vorher zwei toreros ausgefallen, Manolo Vazquez und Jaime Ostos. Und so rief mich Pepe Ordoñez an und wir, Monaguillo und ich, sind eingesprungen. Auch hier gelang es mir zu überzeugen und verdiente mir dos orejas. Und das in Gegenwart der grossen maestros wie Antonio Bienvenida, Antonio Ordoñez und Gregorius Sánchez.

Antonio Ordoñez, Monaguillo, Miguel Sánchez, Gregorius Sánchez und Antonio Bienvenida
1967 beendete ich meine Karriere als matador de novillos. Das war schlimm für mich und kostete mich viele Tränen. Obwohl ich das Potential hatte gelang es mir nicht den Weg nach vorne zu finden. Der richtige Start wollte sich einfach nicht einstellen. Aber die mundo de los toros blieb mir erhalten. Ich konnte nicht ohne sie leben. Als ich in Rente ging, dass Letzte was mir vorschwebte war, als Hausmann zuhause zu sitzen, Fernsehen zu schauen, Füsse auf dem Tisch liegend meiner Frau beim Hausputz zu beobachten oder einkaufen zu gehen. Und so begann ich hier dieses Museum aufzubauen. Das war vor vierzehn Jahren.

Fortsetzung folgt.